Contio

Contio (lateinisch; ursprüngliche Form conventio, von convenire, „zusammenkommen“) war in der römischen Republik eine informelle Versammlung des Volkes. Sie wurde von einem Magistrat einberufen, der dem Volk bestimmte Nachrichten mitteilen oder Ankündigungen machen wollte, beispielsweise über Gesetzesentwürfe.

Eine Contio ging in der Regel den Comitia voran. Im Gegensatz zu den Comitia wurde jedoch nicht nach Curien, Centurien oder Tribus unterschieden, weder abgestimmt noch gewählt; dafür konnte hier diskutiert werden, während in den eigentlichen Versammlungen dann nur noch zugestimmt oder abgelehnt werden konnte. In der späten Republik diente eine Contio auch zur politischen Agitation, insbesondere durch Volkstribune.

Charakter und Funktion der Contiones sind in der aktuellen Forschung umstritten. Während Althistoriker wie Egon Flaig die traditionelle Ansicht vertreten, in diesen Versammlungen habe sich politische Willensbildung vollzogen (im Unterschied zu den eigentlichen Volksversammlungen), sind andere, wie Henrik Mouritsen, der Meinung, die Contiones seien eher Kundgebungen gewesen, bei denen Politiker zu ihren Anhängern gesprochen hätten. Auch nicht geklärt ist, wie lange Herolde die Verlautbarungen ausriefen, und ab wann Bekanntmachungen per Anschlag erfolgten. Teils wird davon ausgegangen, dass die Fiktion mündlicher Rede aus rein formalen Gründen aufrechterhalten geblieben sei;[1] teils wird eine ciceronische Quelle[2] dahingehend interpretiert, dass ihre Notwendigkeit noch in der späten Republik bestand.[3]

In der römischen Armee war die Contio eine Art Kriegsrat oder Heeresversammlung.

Literatur

  • Egon Flaig: Ritualisierte Politik. Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom (= Historische Semantik. Bd. 1). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-36700-7.
  • Dominique Hiebel: Rôles institutionnel et politique de la contio sous la République romaine (287–49 av. J.-C.). de Boccard, Paris 2009, ISBN 978-2-7018-0260-2 (Paris, Universität Paris II, Dissertation, 2005).
  • Manuel Tröster: Roman Politics and the Whims of the Crowd. The Plebs Contionalis Revisited. In: Latomus. Bd. 72, Nr. 1, 2013, S. 128–134.
  • Claudia Tiersch: Politische Öffentlichkeit statt Mitbestimmung? Zur Rolle der contiones in der mittleren und späten römischen Republik. In: Klio. Bd. 91, Nr. 1, 2009, 40–68, doi:10.1524/klio.2009.0003.
  • Wilhelm Liebenam: Contio. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV,1, Stuttgart 1900, Sp. 1149–1153.
  • Henrik Mouritsen: Plebs and Politics in the Late Roman Republic. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2001, ISBN 0-521-79100-6.
  • Francisco Pina Polo: Las contiones civiles y militares en Roma. Universidad de Zaragoza – Departamento de Ciencias de la Antigüedad, Zaragoza 1989, ISBN 84-600-7119-7 (Zugleich: Zaragoza, Universität, Dissertation, 1989).
  • Karl-Joachim Hölkeskamp: Concordia Contionalis. Die rhetorische Konstruktion von Konsens in der römischen Republik. In: Egon Flaig (Hg.): Genesis und Dynamiken der Mehrheitsentscheidung. Oldenbourg, München 2013 (Digitalisat), S. 101–128.

Anmerkungen

  1. Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann: Staatsordnung und Staatspraxis der römischen Republik. Zweiter Abschnitt. Die Magistratur. München 1995, ISBN 3-406-33827-5 (von Wittmann vervollständigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes). S. 105 f.
  2. Cicero, De finibus bonorum et malorum 2,74.
  3. Theodor Mommsen: Römisches Staatsrecht, Band. I, S. 205.