Consumerization
Consumerization bzw. Konsumentisierung (engl. aus Consumer, dt. Verbraucher und ization, engl. als Wortendung für die Substantivierung eines Vorganges; wörtlich verbraucherischer machend, sinngemäß etwa auf den Verbraucher fokussierend) bezeichnet einerseits die Neuausrichtung bestimmter Produkte und Dienstleistungen, die ursprünglich für Organisations-spezifische Märkte konzipiert waren, (gegebenenfalls nach Adaption) noch unerschlossenen Endkonsumenten anzubieten, andererseits den Sachverhalt bzw. die Erscheinung, dass elektronische Endgeräte (wie beispielsweise Smartphone, Tablet-PCs usw.) von Arbeitnehmern auch für ihre Erwerbsarbeit benutzt werden.
Grundlegendes
"Konsumentisierung" ist die Neuausrichtung von Produkt- und Dienstleistungsgestaltungen, die sich auf den Endverbraucher als einzelnen Verbraucher konzentrieren (und an ihn vermarkten), im Unterschied zu einer früheren Ära von ausschließlich organisationsorientierten Angeboten (Angebote ausschließlich für Business-to-Business- oder Business-to-Government-Verkäufe). Technologien, deren erste Kommerzialisierung auf organisationsübergreifender Ebene erfolgte, haben daher Potenzial für eine spätere "Konsumentisierung". Das Aufkommen des einzelnen Verbrauchers als primärer Treiber der Produkt- und Dienstleistungsgestaltungen wird am häufigsten mit der IT-Branche in Verbindung gebracht, da große Unternehmen und Regierungsorganisationen die ersten Jahrzehnte der Computernutzung und -entwicklung dominierten. Somit ist die Mikrocomputerrevolution, bei der sich die elektronische Datenverarbeitung von der ausschließlichen Nutzung durch Unternehmen und Regierungen hin zu Personal Computing verlagerte, ein Kardinalbeispiel für die "Konsumentisierung". Aber auch viele technologiebasierte Produkte wie Taschenrechner und Mobiltelefone haben ihren Ursprung in Organisations-spezifischen Märkten und wurden erst im Laufe der Zeit von der Massennutzung durch Verbraucher dominiert, da erst einhergehend mit einer Wandlung von Märkten diese Produkte zur Massenware wurden und die Preise fielen. Ein Beispiel für Organisations-spezifische Software, die zu Verbrauchersoftware wurde, ist Software zur optischen Erkennung von alphanumerischen Zeichen, die ihren Ursprung in Banken und Postsystemen hatte (um die Scheckabfertigung und Postsortierung zu automatisieren), jedoch schließlich zu einer individuellen Produktivitätssoftware wurde.
In einem anderen Sinne ist "Konsumentisierung" der Informationstechnik des Arbeitsplatzes als die Verbreitung von persönlicher IT am Arbeitsplatz (zusätzlich oder sogar anstelle von unternehmenseigener IT) zu sehen, die ihren Ursprung im Verbrauchermarkt besitzt, um für berufliche Zwecke genutzt zu werden.[1] Vor dem Aufkommen von Smartphones (etwa dem Apple iPhone 1 im Jahre 2007) wurden mobile Endgeräte, obwohl sie mobil nutzbar sind, meistens stationär an einem Arbeitsplatz eingesetzt (beispielsweise Personal Digital Assistants). Durch das Aufkommen der mobilen Endgeräte neuerer Prägung ab 2007 (Smartphone, Tabletcomputer u. a. m.) änderte sich dieser Umstand dahingehend, dass das Nutzen eines mobilen Computers und der Zugriff auf Computernetzwerke von unterwegs zur Normalität geworden ist. Im Zuge dessen ist noch ein weiterer Effekt aufgetreten, welcher Unternehmen vor einige technische Herausforderungen stellt. Dadurch, dass der Trend durch Privatanwender vorangetrieben wird und beim Anwender die IT-Affinität steigt, wünschen diese sich ein Entgegenkommen der IT-Abteilung ihres Arbeitgebers hinsichtlich Verantwortung und Selbstbestimmung. Dieses Entgegenkommen wird vonseiten der IT-Abteilungen von Unternehmen als "Consumerization bzw. Konsumentisierung der Informationstechnik des Arbeitsplatzes" bezeichnet. Der Trend „Bring Your Own Device“ hat die IT-Richtlinien von Unternehmen erheblich verändert, da die Mitarbeiter nunmehr hardwareseitig oft ihre eigenen Laptops, Netbooks, Tablets und Smartphones und softwareseitig Social Media, Webkonferenzen, Cloud-Speicher und Software as a Service verwenden.
Konsumentisierung der IT des Arbeitsplatzes durch Integration Arbeitnehmer-eigener IT-Geräte in den Arbeitsprozess
Die Konsumentisierung der Informationstechnik des Arbeitsplatzes durch Integration Arbeitnehmer-eigener IT-Geräte in den Arbeitsprozess stellt einerseits ein Stück Realität in der Arbeitswelt dar, dadurch, dass Menschen heute meist mit einer Vielzahl an digitalen Geräten ausgestattet sind, andererseits verlangt die partielle Entgrenzung der Arbeit unter Umständen dem Arbeitnehmer stärker als bislang die Fähigkeit ab, die Ressource Zeit gut strukturieren zu können. Technisch wird die Integration Arbeitnehmer-eigener IT-Geräte in den Arbeitsprozess dadurch gelöst, dass man die Arbeitnehmer-eigenen Geräte in Container-Anwendungen laufen lässt und von Virtualisierung Gebrauch macht, um die Unternehmens-IT vor Angriffen abzuschotten.[2] Möglicherweise werden die Zugriffsrechte des Arbeitnehmers auf sensible Objekte im Unternehmensnetzwerk mit Mandatory Access Control oder mit anderen Zugriffskontrollverfahren kontrolliert. Vor- und Nachteile der Konsumentisierung des Arbeitsplatzes sind:
Vorteile
- Bestimmte Arbeiten lassen sich dezentralisieren und flexibler organisieren und durchführen[2]
- Mehr Souveränität der Arbeitnehmer über ihre Zeit und Arbeitsbeziehungen[2]
Probleme
- Die sich auflösende Grenze zwischen Berufs- und Privatleben fordert zu einer Standortbestimmung und der Definition von Verfügbarkeitsgrenzen und -bereichen auf[2]
- geringere Kontrollmöglichkeiten der Unternehmen[2]
- Firmen können über die Netzwerkverbindungen auf die privat genutzten Geräte zugreifen[2]
- der Zugang von außen über private Endgeräte birgt ein erhebliches zusätzliches Potential von elektronischen Gefährdungen für die Firmennetzwerke (Hacking) und die Dateninhalte (Wirtschaftsspionage, Datenschutz)[2]
- (Betriebs)wirtschaftliche Anwendungen laufen auf den kleineren Privatgeräten unter Umständen erheblich langsamer ab und sind umständlicher und zeitaufwändiger in der Bedienung[2]
- zur Sicherheit, Harmonisierung und Pufferung braucht es eine weitere Arbeitsebene zwischen privater und betrieblicher Software, eine so genannte (Middleware)[2]
Siehe auch
Literatur
- Thierry Jean Ruch: Consumerization of IT: studies to explore the phenomenon and implications for IT management, information security, and organizational structures. (Göttinger Wirtschaftsinformatik; 88) Cuvillier Verl., Göttingen [2017], zugl. Diss. Univ. Göttingen 2016, ISBN 978-3-7369-9558-1.
- Sebastian Köffer et al.: Innovation through BYOD? : the influence of IT consumerization on individual IT innovation behavior. In: Business & Information Systems Engineering. (ISSN 2363-7005) Bd. 57, H. 6 (2015), S. 363–375.
- Maximilian von Welck et al.: IT-consumerization: domain control, (reversed) presenteeism, and stress. In: Proceedings of the 39th International Conference on Information Systems (ICIS), 13–16 December 2018, San Francisco, CA, presentation paper No. 8, S. 1–10.
- Frank Weiß: Consumerization: enabling the introduction of IT services for mobile consumer devices. (Research on IT, service, innovation, collaboration; 12) Kassel University Press, Kassel 2016, zugl. Diss. Univ. Kassel, ISBN 978-3-7376-0168-9.
- Kevin Ortbach: IT consumerization and individualization of information systems: antecedents, effects, and managerial implications. Diss. Univ. Münster 2015.
Weblinks
- Trends und Erkenntnisse zur Konsumerisierung mobiler Geräte. Befragung von IT-Verantwortlichen und CEOs. (PDF; 133 kB) Abschlussbericht. Trend Micro Deutschland, 31. August 2012, abgerufen am 29. Dezember 2012.
- An Overview of Consumerization: Embracing the Inevitable. Intel, abgerufen am 20. Mai 2013.
Einzelnachweise
- ↑ Sebastian Köffer et al.: Exploring the relationship between IT consumerization and job performance: A theoretical framework for future research. In: Communications of the Association for Information Systems. (ISSN 1529-3181) Bd. 35 (Dezember 2014), S. 261–283.
- ↑ a b c d e f g h i „Die IT-Abteilungen müssen diesen Paradigmenwechsel erkennen“ – ‚Consumerization‘ des Arbeitsplatzes bringt IT-Verantwortliche ins Schwitzen. (Interview mit Peter Welchering beim Deutschlandfunk, interviewt durch Manfred Kloiber). dradio.de-Internetportal (Deutschlandfunk online), Rubrik "Computer und Kommunikation", 29. Oktober 2011.