Collège de France

« DOCET OMNIA » („Es lehrt alles“) im Tympanon des Dreiecksgiebels des Haupteingangs des Collège de France

Das Collège de France (deutsch Kolleg Frankreichs) ist eine öffentliche Universität in Paris. Es genießt als Grand établissement (wie etwa die Elite-Hochschulen École des hautes études en sciences sociales (EHESS) oder Sciences Po) ein herausragendes wissenschaftliches Prestige.

Bis dato sind mit dem Collège de France 21 Nobelpreisträger und 8 Fields-Medaillengewinner verbunden. Jeder Professor ist verpflichtet, Vorlesungen zu halten, deren Teilnahme kostenlos und für jedermann zugänglich ist. Die etwa 50 Professoren werden von den Professoren selbst aus einer Vielzahl von Disziplinen sowohl in den Natur- als auch in den Geisteswissenschaften ausgewählt. Das Collège de France wurde im Jahr 1530 gegründet und steht unter dem Motto „Docet Omnia“ (Latein für „Es lehrt alles“).

Aufgaben

Der Haupteingang des Collège de France an der Place Marcelin-Berthelot im 5. Arrondissement in Paris

Das im 5. Arrondissement von Paris angesiedelte Collège de France ist einmalig in Frankreich und ohne Vergleich im westlichen Bereich (vergleichbare Ausnahmen sind allenfalls das Institute for Advanced Study in Princeton oder das All Souls College an der University of Oxford). Obwohl es mit seinen Professuren und Instituten universitären Charakter hat, kennt es keine eingeschriebenen Studierenden, kein durchstrukturiertes Lehrprogramm und keine Abschlusszeugnisse. Vielmehr dient es der freien natur- und geisteswissenschaftlichen Grundlagenforschung und deren publikumswirksamer Vermittlung in Form von Veröffentlichungen sowie von Vorlesungen, die kostenlos allen Interessierten zugänglich sind. Der offizielle Auftrag des Collège ist es, „das Wissen in seiner Entstehung zu lehren“ (enseigner le savoir en train de se faire).

Seit einigen Jahren gibt es eine Außenstelle des Collège, die mit der Universität Paul Cézanne Aix-Marseille III verbunden ist und je ein Institut zur Erforschung von Klimaveränderungen und von Erdbeben umfasst.

Die 54 Professuren des Collège decken ein breites Fächerspektrum ab, das in fünf Gruppen aufgeteilt ist: Mathematik, Physik, sonstige Naturwissenschaften einschließlich Medizin, Philosophie/Soziologie/Wirtschafts- und Rechtswissenschaft sowie Geschichte/Sprach- und Literaturwissenschaft/Archäologie. Die Lehrstuhlinhaber sind in der Regel Franzosen, doch ist das Collège darauf bedacht, immer auch einen gewissen Prozentsatz Ausländer zu berufen. Zwei der Professuren werden jeweils für ein Jahr mit ausländischen Gastprofessoren besetzt. Hinzu kommen kürzere Vortragsserien eingeladener Forscher aus dem In- und Ausland.

Wird eine Professur vakant, berät und befindet die Versammlung der Professoren darüber, welcher Disziplin und Forschungsrichtung sie in Zukunft gewidmet sein und welche Person auf sie berufen werden soll. Rufe erhalten nur Persönlichkeiten, die als führende Kapazitäten ihres Faches anerkannt sind. Ein Lehrstuhl am Collège de France gilt in Frankreich unbestritten als Krönung einer Gelehrtenkarriere. Eine bestimmte formale Qualifikation als Einstellungsvoraussetzung wird nicht verlangt.

Geschichte

Der Innenhof des Collège de France mit einer Statue des Humanisten Guillaume Budé, auf dessen Anregung hin König Franz I. die Institution im Jahr 1530 gründete

Der Ursprung des Collège de France geht auf das Jahr 1530 zurück, als König Franz I. einem Vorschlag seines Bibliothekars, des bedeutenden Humanisten Guillaume Budé, folgte und „königliche Vorleser“ (lecteurs royaux) ernannte. Diese sollten finanziell gesichert und unabhängig in Fächern tätig sein und lehren, die dem jungen Humanismus verpflichtet waren, aber von der Pariser Universität, die von den orthodoxen Theologen der Sorbonne beherrscht wurde, geächtet wurden. Diese Fächer waren zunächst Hebräisch und Altgriechisch, dessen Studium die Sorbonne kurz zuvor (1529) verboten hatte, sowie klassisches Latein. Wenig später kamen Recht, Mathematik sowie Medizin hinzu.

Der Name des neuen Gelehrtenkollegiums war Collège Royal oder auch Collège des trois langues (bzw. lateinisch Collegium Trilingue, in Anlehnung an eine ältere Einrichtung im Umkreis der Universität Löwen). Es war die erste Institution des höheren Bildungswesens in Frankreich, die bewusst an den Universitäten vorbei gegründet wurde, da diese als von gestrigen Theologen und Juristen beherrscht und verkrustet erschienen. Nach der Revolution wurde das Collège umbenannt in Collège national, um im 19. Jahrhundert je nach Regime mehrfach den Namen zu wechseln: Collège impérial, royal, national, impérial und schließlich mit der Etablierung der III. Republik im Jahr 1870 Collège de France.

2019 wurde mit Thomas Römer erstmals ein Deutscher zum Leiter des Collège de France gewählt.[1]

Seine lateinische Devise lautet seit der Gründung: docet omnia, deutsch „(es) lehrt alles“.

Berühmte Lehrende des Collège

Münze des Collège de France von 1845, Vorderseite: Adam Mickiewicz, Jules Michelet, Edgar Quinet
Münze des Collège de France von 1845, Rückseite: Aufschrift: Ut omnes unum sint.
(Am Rand: Borrel fecit 1845)

Weitere Dozenten des Collège de France finden sich unter Kategorie:Hochschullehrer (Collège de France).

Gegenwärtiges Kollegium

NameNationalitätStartjahrProfessur (Deutsch)Professur (Französisch)
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Xavier LeroyFrankreich Frankreich2018InformatikSciences du logiciel
Pierre-Louis LionsFrankreich Frankreich2002Partielle Differentialgleichungen und AnwendungenÉquations aux dérivées partielles et applications
Stéphane MallatFrankreich Frankreich2017DatenwissenschaftSciences des données
Jean DalibardFrankreich Frankreich2012Atome und StrahlungAtomes et rayonnement
Louis FensterbankFrankreich Frankreich2023Aktivierungen in der ChemieActivations en chimie moléculaire
Marc FontecaveFrankreich Frankreich2008Chemie biologischer ProzesseChimie des processus biologiques
Antoine GeorgesFrankreich Frankreich2009Physik kondensierter MateriePhysique de la matière condensée
Marc HenneauxBelgien Belgien2019Felder, Strings und SchwerkraftChamps, cordes et gravité
Jean-François JoannyFrankreich Frankreich2018Weiche Materie und BiophysikMatière molle et biophysique
Jean-Marie TarasconFrankreich Frankreich2013Festkörperchemie und EnergieChimie du solide et énergie
Edouard BardFrankreich Frankreich2001Entwicklung des Klimas und der OzeaneÉvolution du climat et de l'océan
Françoise CombesFrankreich Frankreich2014Galaxien und KosmologieGalaxies et cosmologie
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Hugues de ThéFrankreich Frankreich2014Zelluläre und molekulare OnkologieOncologie cellulaire et moléculaire
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Thomas RömerDeutschland Deutschland/ Schweiz Schweiz2008Biblische UmweltMilieux bibliques
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Didier FassinFrankreich Frankreich2022Moralische Fragen und politische Herausforderungen in zeitgenössischen GesellschaftenQuestions morales et enjeux politiques dans les sociétés contemporaines
François HéranFrankreich Frankreich2017Migration und GesellschaftMigrations et sociétés
Pierre-Michel MengerFrankreich Frankreich2013Soziologie kreativer ArbeitSociologie du travail créateur

Stand: September 2024[3]

Literatur

  • André Tuilier: Histoire du Collège de France. Band I. Fayard, Paris 2006.
Commons: Collège de France – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Thomas Römer | PSL. Abgerufen am 17. Januar 2020.
  2. Barbara I. Tshisuaka: Récamier, Joseph-Claude-Anthelme. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1219.
  3. Chaires statutaires – Collège de France. In: college-de-france.fr. www.college-de-france.fr, 2021, abgerufen am 4. September 2024 (französisch).

Koordinaten: 48° 50′ 57″ N, 2° 20′ 44″ O

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Flagge des Vereinigten Königreichs in der Proportion 3:5, ausschließlich an Land verwendet. Auf See beträgt das richtige Verhältnis 1:2.
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Collège de France, place Marcelin-Berthelot (Paris, 5e).
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Courtyard College of France (Paris, 5th).
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Der Giebel eines Gebäudes des Collège de France. Oben ist das Motto des Collège zu lesen: "docet omnia" (Lehrt alles)