Codex Salmasianus

Eine Seite aus dem Codex Salmasianus: der Anfang des Pervigilium Veneris

Der Codex Salmasianus ist eine lateinische Handschrift in unzialer Schrift.

Heute wird die Handschrift in Paris aufbewahrt (Codex Parisinus Latinus 10318). Sie befand sich einst im Besitz des französischen Philologen Claude de Saumaise, latinisiert Salmasius (15881653), der auch seinen Namen hineinschrieb, woher die Benennung als „Salmasianus“ rührt. Die vorherigen Geschicke der Handschrift liegen im Dunkeln, ebenso wie Herkunft und Entstehungszeit. Plädierte Ludwig Traube aufgrund paläographischer Kriterien für Spanien und das Ende des 7. Jahrhunderts, so sprachen sich andere Paläographen für Norditalien oder Frankreich des ausgehenden 8. Jahrhunderts aus (E. A. Lowe, B. Bischoff), eine Position, die in jüngerer Zeit durch die Untersuchungen Maddalena Spallones zur Communis opinio befestigt wurde.

Der Codex enthält eine Sammlung lateinischer Kleindichtung aus dem 1. bis 6. Jahrhundert, die gegen Ende der Vandalenherrschaft in Nordafrika (534) unter Verwendung früherer Sammlungen zusammengestellt wurde. Obgleich der Codex von einem halbgebildeten Kopisten sehr fehlerhaft von einer Vorlage in Capitalis abgeschrieben wurde und auch mechanisch beschädigt ist (es fehlen die ersten 11 Quaternionen, die die ersten 5 Bücher von insgesamt 24 enthielten), ist die Sammlung des Codex Salmasianus die wichtigste Sammlung lateinischer Kleindichtung und bildet den Grundstock der modernen Sammlung der Anthologia Latina.

Literatur

Zur Überlieferungsgeschichte:

  • Ludwig Traube, Zur lateinischen Anthologie. I. Über Gedichte des Codex Salmasianus, in Philologus 54, 1895, S. 124–134 (Digitalisat); auch in Vorlesungen und Abhandlungen, Bd. 3 Kleine Schriften, hrsg. von Samuel Brandt, München, 1920 (Nachdruck 1965) S. 51–59.
  • Elias Avery Lowe, Codices Latini Antiquiores, Bd. 5, Oxford, 1950, S. 593.
  • Bernhard Bischoff, in: W. Braunfels (Hg.), Karl der Große, Bd. 2: Das geistige Leben, Düsseldorf, 1965, S. 252 ff.
  • Maddalena Spallone, Il Par. Lat. 10318 (Salmasiano): dal manoscritto alto-medievale ad una raccolta enciclopedica tardo-antica, in Italia medioevale e umanistica 25, 1982, S. 1–71
  • Maddalena Spallone, Ricerche sulla tradizione manoscritta dell "Anthologia Latina": itinerari testuali nell'età carolingia, in Studi Medievali 3a serie 29, 1988, S. 607–624.

Textausgabe:

  • D. R. Shackleton Bailey (ed.), Anthologia Latina, Bd. 1,1: Libri Salmasiani aliorumque carmina, Stuttgart 1982

Sonstiges:

  • Alfred J. Baumgartner, Untersuchungen zur Anthologie des Codex Salmasianus, Diss. Zürich 1981. ISBN 3-85626-001-3

Weblinks

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Pervigilium Veneris codex S page 1.png
Erste Textseite des Pervigilium Veneris in Codex S, dem berühmten Codex Salmasianus.

Außer der inscriptio (Überschrift) INCIPIT PERUIGILIU(m) UENERIS („Hier beginnt die Nachtfeier der Venus“) begegnen vor dem Text des Gedichtes zwei Hinweise des Schreibers:

  1. TROCAICO METRO („in trochäischem Versmaß“).
  2. sunt vero versus xxii („es sind 22 Verse/Strophen/Gedichte“). Die Bedeutung dieser Anmerkung ist recht umstritten, da das Pervigilium in Wirklichkeit 93 Verse hat. Die Anmerkung hat daher einige Versuche angeregt, den Text des Pervigiliums in 22 Strophen anzuordnen, da versus auch „Strophen“ bedeuten kann. Doch wie schon Riese in seiner Ausgabe der Anthologia Latina (1894) erklärt hat, kann sich das versus xxii einfach auf die 22 Gedichte in diesem Abschnitt der Anthologia Latina bzw. des Codex Salmasianus beziehen — versus kann ja auch „Gedichte“ bedeuten. Vgl. auch die Zahl „XVI“ vor der inscriptio, die sich ebenfalls auf einen Abschnitt bzw. ein Buch der ganzen Anthologie zu beziehen scheint, nicht auf das einzelne Gedicht (siehe Riese, Praefatio zu seiner Ausgabe, S. xxi–xxii).
Links der Initiale C steht eine Marginalie, deren Text (laut Clementi, Pervigilium Veneris, 3. Auflage 1936, S. 32) lautet: editum est a Petro / Pithoeo, gefolgt von einem großen $-ähnlichen Zeichen. Nach Clementi (ebd.) bezieht sich das $-ähnliche Zeichen auf die Textverbesserung amabitamavit im ersten Vers des Gedichtes, die von Salmasius oder einem anderen Humanisten mit dem Initial S vorgenommen wurde; der Rest der Anmerkung stammt von einer späteren Hand und bezieht sich auf Pierre Pithous editio princeps des Gedichtes (1577).