Chan Yunis

Chan Junis
خان يونس
Chan Yunis

Panorama der Stadt am Meer in 2019
Verwaltung:Palastina Autonomiegebiete Palästinensische Autonomiegebiete
Gebiet:Gazastreifen
Gouvernement:Gaza
Gegründet:1387
Koordinaten:31° 21′ N, 34° 18′ O
 
Einwohner:185.250 (2016[1])
 
Zeitzone:UTC+2
 
Gemeindeart:Stadt
Webpräsenz:
Chan Junis (Palästinensische Autonomiegebiete)
Chan Junis (Palästinensische Autonomiegebiete)
Chan Junis
Chan Yunis auf der Karte des Gazastreifens

Chan Yunis (arabisch خان يونس Chān Yūnis, DMG Ḫān Yūnis, im Englischen oft als Khan Younis transkribiert, hebräisch ח'אן יונסChan Junis) ist eine Stadt und ein Flüchtlingslager im Gouvernement Chan Yunis, dem südlichen Teil des Gazastreifens. Die Stadt Chan Yunis und das Flüchtlingslager zählen zusammen etwa 230.000 Einwohner (2016). Chan Yunis ist nach Gaza die zweitgrößte Stadt im Gazastreifen. Chan Yunis ist einer der Standorte der Al-Quds Open University.[2]

Geographie

Die Stadt liegt rund vier Kilometer vom Mittelmeer und acht Kilometer nördlich von der ägyptischen Grenze entfernt. Klimatisch liegt Chan Yunis somit in einer halbtrockenen Region, deren jährliche Niederschlagsmenge durchschnittlich 260 Millimeter beträgt.

Geschichte

Stadt

Der Ort war die Verbindungsstadt zwischen dem Niltal, dem Fruchtbaren Halbmond und der Arabischen Halbinsel und entwickelte sich zu einem wichtigen Handelszentrum. Chan Yunis wurde im 14. Jahrhundert gegründet. Die Stadt hat ihren Ursprung in einer alten Karawanserei (Han), erbaut von dem Emir Yunis khan Noorzai , im Jahr 1387. Der Name der Stadt Chan Yunis geht auf ihren Erbauer Yunis ibn Abdallah an-Noorzai Afghan Pashtun ad-Dawadar zurück. Er war der oberste Sekretär und einer der höchsten Offiziellen von Barqūq, dem ersten Sultan der Mamluken in Ägypten. Seine Aufgabe war es, die Karawanen, Pilger und Reisenden der damaligen Zeit zu schützen. Später wurde der Ort zu einem wichtigen Zentrum für Handel, der Wochenmarkt fand Donnerstags statt und zog Händler der Nachbarregionen an.[3] Während des Ersten Arabisch-israelischen Krieges 1948/49 wurde Chan Yunis von ägyptischen Truppen besetzt. Am 31. August 1955 führte die israelische Armee eine Militäraktion gegen Chan Yunis durch, da von hier aus eine Guerillaaktion gegen Israel stattgefunden hatte. Die Aktion, die über 70 ägyptische Soldaten das Leben kostete, führte zu einem Waffenstillstand Ägyptens mit Israel.[4][5][6]

Während des Sueskrise 1956 kam es erneut zu Kämpfen in Chan Yunis zwischen der israelischen Armee und der 86. Palästinensischen Brigade der ägyptischen Armee.[7]

In diesem Zusammenhang kam es zur Tötung von 275 palästinensischen Zivilisten. Während Israel behauptete, auf militärischen Widerstand gestoßen zu sein, behaupteten die Palästinenser, Israel habe vorsätzlich unbewaffnete Zivilisten ermordet.[8][9]

Im Jahr 1967, während des Sechstagekrieges, war Chan Yunis ebenfalls von Kämpfen und Bombardements betroffen.

Während der israelischen Besatzung (1967–2005) kam es in Chan Yunis wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Angehörigen von palästinensischen Untergrundorganisationen, in deren Verlauf auch Unbeteiligte zu Schaden kamen. Die Stadt gilt als Hochburg der Terrororganisation Hamas.

2006 übernahm die Hamas die Macht im Gazastreifen. Seit der israelischen Grenzblockade 2005 wurden über 2000 Qassam-Raketen von Chan Yunis nach Israel geschossen, zumeist auf die südisraelische Stadt Sderot.

Ende 2017 wurde das von Katar finanzierte Projekt Scheich-Hamad-Stadt fertiggestellt, ein neues Wohnviertel für mehr als tausend Familien.[10]

(c) Palestinian News & Information Agency (Wafa) in contract with APAimages, CC BY-SA 3.0
Ein alter Mann am Stock läuft am 8. Oktober 2023 durch die Ruinen einer Moschee in Chan-Yunis, die bei israelischen Luftangriffen zerstört wurde.

Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 bombardierte Israel Chan Yunis zusammen mit anderen Städten im Gazastreifen. Dies geschah weiterhin, nachdem Israel die Menschen aus Gaza-Stadt und dem nördlichen Teil des Gazastreifens aufgefordert hatte, sie sollten im Gazastreifen südlich des Wadis Gaza Zuflucht suchen.[11][12][13]

Flüchtlingslager

Das Chan-Yunis-Flüchtlingslager (englisch Khan Younis camp) befindet sich unweit der Stadt rund zwei Kilometer von der Mittelmeerküste entfernt. Es wurde 1949 im Westen von Chan Yunis errichtet. Die meisten Bewohner sind Nachkommen von Flüchtlingen, die vor dem Ersten Arabisch-Israelischen Krieg in Dörfern um Be’er Scheva oder anderen Gemeinden in der Wüste Negev lebten. 2016 hatte das Flüchtlingslager etwa 49.000 Einwohner.[1]

Das Flüchtlingslager ist in 13 Blöcke unterteilt; einige Blöcke in niedriggelegenen Gebieten werden im Winter überflutet. Die meisten der Schutzunterkünfte sind aus Zementblöcken und haben Asbest-Dächer. Im Lager gibt es kein Kanalnetz. Alle Schutzhütten werden mit Wasser aus öffentlichen und privaten Brunnen beliefert.

Der westliche Block, „Block 1“, war sehr nah am israelischen Siedlungsblock Gusch Katif gelegen. Vor der Grenzschließung des Gazastreifens im September 2000 arbeiteten die meisten Flüchtlinge als Arbeiter in Israel oder in der lokalen Landwirtschaft und im Fischfang. Um zu ihrer Arbeit ans Meer oder zu den Bauernhöfen in der Mawasi-Region nahe dem Meer zu kommen, mussten sie eine israelische Kontrollstelle am Eingang zum Gusch-Katif-Siedlungsblock passieren. Erst mit dem Rückzug Israels aus dem Gazastreifen wurde das Siedlungsgebiet im August 2005 vollständig geräumt; das israelische Heer begann nach der Evakuierung der Siedlungen umgehend mit dem Abriss der Häuser.

Andere Flüchtlinge betreiben Läden und Werkstätten. Ein öffentlicher Markt wird jeden Mittwoch abgehalten.

Das Relief and Social Services Department des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) hat mehrere hundert durch Operationen der israelischen Streitkräfte (IDF) zerstörte Häuser im Chan-Yunis-Flüchtlingslager erfasst. Die UNRWA hilft beim Wiederaufbau von Häusern, stellt Bildungsmaßnahmen und medizinische Hilfe zur Verfügung.

Politik

Städtepartnerschaft

Chan Yunis unterhält Partnerschaften mit der französischen Stadt Évry, der norwegischen Stadt Hamar und der spanischen Stadt Almuñécar.

Sehenswürdigkeiten

  • Die Alte Karawanserei, erbaut während der Regierungszeit von Yunis ibn Abdallah an-Nauruzi: Zunächst als Station für Reisende und Händler geplant, wurde sie während der Osmanenherrschaft zu einer Zitadelle ausgebaut und diente als Militärstützpunkt und Poststation.
  • Das kleine archäologische Museum zeigt viele der in der Gaza-Region gefundenen Mosaike.

Infrastruktur

Der Friedhof liegt inmitten der Stadt in einem stark bewohnten Gebiet mit vielen Alleen und kleinen Plätzen. Auf ihm liegt das Familiengrab der al-Qidwas, Jassir Arafats Verwandtschaft väterlicherseits.[14]

Eisenbahn

Chan Yunis lag von 1916 bis zur Stilllegung des betreffenden Abschnitts in den 1970er oder 1980er Jahren an der Sinai-Bahn von Beirut über Lod nach Kairo (bis 1967). Heute sind die Gleise der Eisenbahn im Gazastreifen größtenteils abgebaut.

Persönlichkeiten

  • Razan al-Najjar (1997–2018), Krankenschwester und Rettungshelferin, getötet am 1. Juni 2018 von einem Scharfschützen der Israelischen Armee
  • Hiba Abu Nada (1991–2023), Dichterin und Schriftstellerin wurde bei einem Bombenangriff der Israelischen Armee auf ihr Haus in Chan Yunis getötet.
  • Mohammed Assaf, Sänger
  • Mohammed Dahlan, Politiker
  • Yahyā as-Sinwār, palästinensische Führungskraft der Terrororganisation Hamas

Siehe auch

Weblinks

Commons: Chan Yunis – Sammlung von Bildern und Videos

Einzelnachweise

  1. a b Palästinensisches Zentralamt für Statistik
  2. HP der QOU (Memento vom 16. Dezember 2014 im Internet Archive), zuletzt abgerufen am 28. August 2011.
  3. Elagha (Memento vom 1. Februar 2008 im Internet Archive) Geschichte vom Khan von Chan Yunis (en).
  4. Zeʼev Derori: Israel's reprisal policy, 1953–1956: the dynamics of military retaliation. S. 142.
  5. Samuel M. Katz: Israeli Elite Units since 1948. Osprey Publishing, 1988, ISBN 0-85045-837-4, S. 10.
  6. Benny Morris: Israel's Border Wars, 1949–1956. Arab Infiltration, Israeli Retaliation, and the Countdown to the Suez War. Oxford University Press, Oxford 1993, ISBN 0-19-827850-0, S. 350.
  7. Derek Varble: The Suez Crisis 1956. Osprey, London 2003, S. 46.
  8. Reed Johnson: Joe Sacco produces comics from the hot zones. In: The New York Times, 4. Februar 2010.
  9. UNRWA Report to the UN General Assembly November 1 – 14. Dezember 1956
  10. Christoph Sydow, Dominik Peters: Der Katar-Clou. In: Der Spiegel. 25. August 2018, abgerufen am 8. April 2020.
  11. Israel bombs Gaza region where civilians were told to seek refuge, as mediators try to unlock aid, 17 Oktober 2023
  12. Israels Ziel: Die Palästinenser nach Ägypten zu drängen, mit westlicher Unterstützung
  13. Ärzte in Khan Yunis müssen unter Handy-Licht operieren
  14. Daniela Marcus: Khan Yunis: Jede Grabesstätte birgt ein Problem. In: haGalil vom 1. November 2004

Auf dieser Seite verwendete Medien

Damage in Gaza Strip during the October 2023 - 16.jpg
(c) Palestinian News & Information Agency (Wafa) in contract with APAimages, CC BY-SA 3.0
Palestinians inspect the ruins of a building destroyed in Israeli airstrikes in Khan Younis in the southern of Gaza strip, on October 8, 2023.
Hiba Kamal Abu Nada.jpg
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Hiba Kamal Abu Nada
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מוחמד עסאף
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Karte des Gazastreifens, Stand Dezember 2008
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