Central Tejo (Geschichte)
Wie die meisten europäischen Metropolen am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Stadt Lissabon rasch, dehnte sich aus und mit dem Fortschritt stieg stetig auch der Bedarf an Elektrizität: es begann damit, dass man die Gaslaternen durch elektrische Straßenbeleuchtung ersetzte, während man in der Industrie allmählich den Vorteil der Elektromotoren erkannte und in den betuchteren Haushalten dann die Ära des privaten Stromkonsums begann.
Damals gab es in der portugiesischen Hauptstadt zwei Stromkraftwerke: „Central da Avenida“ (1889) und „Central da Boavista“ (1903). Die jeweiligen Bezeichnungen deuteten auf ihre Standorte innerhalb der Stadt hin; demnach hieß das Dampfkraftwerk „Central Tejo“ anfangs „Central da Junqueira“, weil es zum Stadtteil Junqueira gehörte. Dieser Name geriet mit der Zeit jedoch in Vergessenheit, und nach seiner Fertigstellung wurde es offiziell nach dem Fluss benannt, der es prägt und an dessen Ufer es grenzt – „Central Tejo“.
Inhaltsverzeichnis
Die alte „Central Tejo“
Die kleinen Stromwerke (Avenida und Boavista) konnten der wachsenden Nachfrage nicht mehr genügen. Überdies befanden sie sich inmitten dicht bebauter Wohngegenden, deren Lebensqualität sie durch die Belastung der Umwelt stark beeinträchtigten. Außerdem verfügten sie über keinerlei Expansionsmöglichkeiten für die notwendigen Erweiterungen, die in absehbarer Zeit erforderlich sein würden, um den Anforderungen der neuen Elektrizitätsindustrie entsprechen zu können. Die Gesellschaft, die für die Stadt Lissabon das Produktions- und Vertriebsrecht der elektrischen Energie besaß, „Companhias Reunidas de Gás e Electricidade“ (CRGE) (Vereinigte Strom- und Gaswerke), plante deshalb, Anfang 1908, den Bau eines neuen Dampfkraftwerks. Im Konzessionsantrag ersuchten sie um die Genehmigung, eine „neue Station zur Energiegewinnung“ auf einem Industriegelände im westlichen Teil der Stadt zwischen dem Arsenal der Marine und dem Strand von Pedrouços zu errichten.
Der gewählte Bauplatz befand sich genau auf halbem Wege zwischen der Residenz des Präsidenten „Palácio de Belém“ und der Nationalen Seilerei von Junqueira, die sogenannte „Cordoaria Nacional“, die beide noch heute existieren. So begann im März 1908, nachdem die finanziellen Mittel für die neue thermo-elektrische Zentrale beschafft waren, die Konstruktion jener Fabrik, die Lissabon und seine direkte Umgebung für mehr als vier Jahrzehnte mit Strom beliefern sollte.
Verantwortlich für die endgültige technische Planung zeichnete der Ingenieur Lucien Neu, der die vorhandene Fläche maximal nutzte, indem er die Turbinen in der Mitte und die Dampfkessel jeweils auf den Seiten anordnete. Das Projekt wurde mehrere Male geändert, weshalb sich die Bauarbeiten auch länger als vorgesehen hinzogen. Die beauftragte Baufirma war das Unternehmen Vieillard & Touzet, die dort zirka 50 Arbeiter beschäftigte. Die formelle Einweihung des Elektrizitätswerks „Central Tejo“ war im Sommer 1909, obwohl bis Ende 1910 noch viele wichtige Änderungen vorgenommen wurden, wie der Einsatz neuer Maschinensätze oder die Vergrößerung des Kesselsaals, was die Errichtung eines neuen, 36 m hohen, trichterförmigen Kamin erforderlich machte.
Im Streben nach stetiger Steigerung der Produktionquote, erwarb das Kraftwerk „Central da Junqueira“ in der Zeit seit seiner Inbetriebnahme bis 1912 immer wieder neue Maschinerie. Es begann 1908 mit zwei Wechselstromerzeugern, die noch von der „Central Boavista“ stammten, mit je 1 MW Kapazität, und sechs Dampfkesseln der Marke Delaunay-Belleville. Im Zuge der Erweiterung 1910 und der Installation von drei neuen Turbogeneratoren Brown Boveri & Cª konnte die Gesamtpotenz auf 7,75 MW erhöht werden. Zu den anfangs vier Kesseln, kamen später noch fünf mit höherer Dampferzeugung hinzu. Nachdem 1912 alle Anlagen in Betrieb waren, bestand der Maschinenpark der ehemaligen „Central Tejo“ aus fünfzehn kleinen Kesseln Belleville und fünf Drehstromaggregaten, welche das Stromnetz der Stadt Lissabon speisten.
Von seiner Außengestaltung her war das Bauwerk, in dem sich diese riesige Anlage befand, charakteristisch für die Architektur kleiner Stromkraftwerke Ende des 19. Jahrhunderts, damals auch „Elektrizitätsfabriken“ genannt. Der Grundriss entsprach einem länglichen, zweihängig überdachten Hauptgebäude mit drei an der Westseite angrenzenden Querhallen; wie „Wächter“ überragten dazwischen zwei schlanke Kamine den Fabrikkomplex. An der jeweiligen Nord – Südfront die Firmenbezeichnung: „1909 / Cªs Reunidas Gás e Electricidade / Estação Eléctrica Central Tejo“ („1909 / Vereinte Gas- u. Elektrizitätswerke / Stromstation Central Tejo“).
Diese erste „Central Tejo“ war für eine Betriebsdauer von sechs Jahren ausgelegt (1908–1914), bis die CRGE das nötige Kapital für den Bau einer größeren Zentrale mit mehr Kapazität aufbringen konnten. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verzögerte dies jedoch, und die „Central Tejo“ produzierte in dieser ursprünglichen Form bis 1921. Die Stromerzeugung und -verteilung erfolgte unter immer prekäreren Bedingungen, zumal die Verwendung von minderwertigen Brennstoffen, unter anderem, ständige Störungen Störungen der Dampfkessel zur Folge hatte und beachtliche Rückschläge in Bezug auf die Wachstums- und Entwicklungsrate der Elektrizitätsverteilung der Stadt verursachte. Trotz dieser Schwierigkeiten wurden die Bauarbeiten an den Niederdruckkesseln fortgeführt, und Ende 1916 begann die Zentrale mit dem Dampf der ersten beiden Niederdruckkessel zu produzieren. Diese waren im Neubau untergebracht, der, wenngleich noch unvollendet, die Voraussetzungen bot, die Speisung der bestehenden Maschinensätze zu steigern.
Nachdem das Gebäude für die Niederdruckproduktion 1921 bezugsfertig und voll betriebsfähig war, wurde die alte „Central Tejo“ stillgelegt, demontiert und dort verschiedene Lagerräume und Werkstätten eingerichtet. Einige Jahre später, 1938, mussten die Hallen dieser „Ur-Zentrale“ dem Neubau für die Hochdruckkessel weichen und wurden komplett abgerissen.
Die neue Central Tejo
Aufgrund des schlechten Zustandes, in dem sich die alte „Central Tejo“ befand, und um dem wachsenden Bedarf an Elektrizität nachkommen zu können, begann man 1914, neue Gebäude zu errichten und effizientere Maschinen einzusetzen. Diese Entwicklungs- und Modernisierungsphase endete erst mit der Inbetriebnahme des 15. und letzten Dampfkessels 1951.
Generell kann man zwei Hauptbauabschnitte feststellen:
- In der ersten Phase, zwischen 1914 und 1930, wurde die Niederdruckanlage konstruiert, die Hallen für die Niederdruckdampfkessel und der Maschinenraum erweitert.
- Die zweite entspricht dem Zeitraum zwischen 1938 und 1951, der Installation der Hochdruckproduktion. Danach blieb der Gebäudekomplex in seiner Struktur bis heute unverändert, wobei sich die Hochdruckdampfkesselhalle von der restlichen Anlage abhebt.
Niederdruck
Mit dem Bau der Anlage für die Niederdruckdampfkessel und dem neuen Maschinensaal beginnt die „Central Tejo“ sich betriebsmäßig, aber auch architektonisch zu konsolidieren, mit der Verwendung von Backstein für die Frontfassaden des gesamten Industriekomplexes.
Auch die Niederdruckperiode lässt sich wiederum in drei unterschiedliche Bauphasen unterteilen:
- Die erste, von 1914 bis 1921, entspricht der Errichtung des Dampfkesselgebäudes, des Kohlefördersystems und des Maschinensaals.
- Während der zweiten Phase, zwischen 1924 und 1928, ist der Anbau einer Fabrikhalle zur Installation neuer Dampfkessel und zusätzlicher Kohleförderbänder, ein neuer Turbosatz, sowie der Kai für die Kühlwasserversorgung einschließlich Rinnensystem hervorzuheben.
- Im dritten Bauabschnitt schließlich, zwischen 1928 und 1930, wurden die Maschinenhalle und der Dampfkesselsaal zum letzten Mal für die größeren Feuerungsanlagen erweitert.
Erste Phase (1914–1921)
1914 begann der Bau für die Niederdruckanlage und -maschinen. Das Projekt bestand aus mehreren Gebäudeteilen: zwei länglichen, doppelhängig gedeckten Hallen für je sechs Niederdruckdampfkessel der Firma Babcock & Wilcox; einem Maschinensaal, ausgelegt für zwei deutsche 8 MV Turbowechselstromerzeuger von AEG; einer Leitwarte und einem kleinen Unterwerk. Die Konstruktion wird in Nord-Südrichtung und von Osten nach Westen hin begonnen; nach Süden plante man von Anfang an einen späteren Ausbau bis hin zum Fluss „Tejo“.
Kurz nach Baubeginn brach der Erste Weltkrieg aus, was Fristverzögerungen und Lieferprobleme für die in Deutschland bestellten Turbogenerator bedeutete. Diese sollten erst nach Kriegsende eintreffen. Trotzdem wurden 1916 die ersten beiden Niederdruckdampfkessel (im Plan mit der Nummer 5 und 6 gekennzeichnet) installiert, um die Generatoren der alten Zentrale zu betreiben.
In den beiden darauffolgenden Jahren wurden zwei weitere neue Dampfkessel montiert (Nummer 3 und 4), die, zusammen mit dem 5 und 6, die Kapazität der alten Generatoren der primitiven „Central Tejo“ überschritten. Die „CRGE“ musste einsehen, dass der Erwerb eines zusätzlichen Turbogenerators unumgänglich war als Ersatz für jenen, der schon vor Jahren in Deutschland bestellt, jedoch weiterhin nicht geliefert werden konnte. Daher richtete man im Maschinensaal eine Abteilung für einen weiteren Turbogenerator ein. Schließlich nahm 1919 ein neuer Maschinensatz der Schweizer Marke Escher & Wyss mit einer Kapazität von 7500 kW seinen Betrieb auf.
Im Folgejahr wurden die restlichen Dampfkessel installiert (Nummer 1 und 2) und nach Kriegsende kamen endlich die beiden deutschen AEG Maschinen, die bereits 1921 funktionstüchtig waren. Mit der Montage dieser sechs Dampfkessel und drei Generatoraggregaten pendelte sich die Produktionsquote ein und ermöglichte den Abbau des veralteten Maschinenparks der „Central Junqueira“.
Zweite Phase (1924–1928)
Mit der Zeit wuchs der Stromkonsum und forderte erneut entscheidende Umbauarbeiten im Werk, den Ausbau und Abschluss des Niederdruckdampfkesseltrakts. Das Erweiterungsprojekt der „CRGE“ sah eine neue Industriehalle vor, um drei neue Niederdruckdampfkessel sowie ein neues Drehstromaggregat installieren zu können.
Demzufolge prüft eine Studie 1922 die Montage der Dampfkessel Nummer 7 und 9. Eine eventuelle Feuerung mit Kohlestaub wird verworfen, nachdem Versuche mit diesem Brennstoff im Dampfkessel 8 keine zufriedenstellende Ergebnisse erbracht hatten. Trotzdem würde Kessel Nummer 11 später mit Kohlestaub beschickt werden.
Der sogenannte „neue Dampfkesselsaal“, erstreckte sich gen Süden, wobei die Frontfassade flusswärts noch unvollendet bleiben sollte, nur provisorisch mit einem Zinkblech abgedeckt, während eine Metallstruktur die Erkerfenster vortäuschte, da man ja noch einen dritten und letzten Anbau an das Niederdruckgebäude plante. Die Dampfkessel 7 und 9 des Hauses Babcock & Wilcox wurden als erstes in dieser neuen Halle aufgestellt, im Jahre 1924 bzw. 1925. Der Dampfkessel 11, von Humboldt, wurde 1928 installiert; da er mit Kohlestaub befeuert wurde, verfügte er über eine eigene Kohlenstaubmühle.
Der Maschinensaal blieb unverändert, aber darin 1925 noch ein Turbogenerator von 8 MW aufgebaut, die Nummer 4 der Marke Stal-Asea. Außerdem wurden die Zuflusskanäle konstruiert, sowie zwei Siphonvorrichtungen am neuen Dock der Kühlwasserversorgung für den Einlass des Flusswassers in das Anlagensystem.
Die dritte Phase (1928–1930)
In der dritten Bauphase der ursprünglichen „Central Tejo“ wurden die Fabrikhallen (des Dampfkessel- sowie des Maschinensaals) fertiggestellt. Erst 1928, als der Dampfkessel 11 schon in Montage war, beschloss man aufgrund der langwierigen Aufbauprobleme des Humboldtkessels den Erwerb der letzten zwei Niederdruckkessel 8 und 9 vom bekannten Hersteller Babcock & Wilcox. Diese sind jedoch erst gegen Ende 1930 endgültig betriebsfertig.
Strukturell wurde das äußerliche Erscheinungsbild vom neuen Gebäudetrakt der Fabrikanlage beibehalten, nur größer dimensioniert; dazu wurde die provisorische Zinkblechverkleidung abmontiert, in Richtung Fluss angebaut und mit der definitiven, bis heute bestehenden Fassade versehen.
Wie der Kesselsaal musste auch der Maschinenraum nach Süden hin vergrößert werden, um dort den neuesten und letzten Turbosatz von Escher Wiss/Thompson (der der Reihenfolge nach die Nummer 5 zugeteilt wurde) aufstellen zu können und außerdem im Untergeschoss Platz zu gewinnen für das Entladen der Turbinen, Wechselstromerzeuger und diversem anderen Material. Die höhere Kapazität der Maschinen verlangte gleichzeitig eine Anpassung der Kühlwasserversorgung und deshalb die Konstruktion von zwei neuen Siphons, jeweils eines für den Zu- und Abfluss, mit den bereits vorhandenen also insgesamt vier.
Nach fünfzehn Jahren Bau- und Erweiterungsarbeiten, verfügte die „Central Tejo“, in ihrer Niederdruckphase endlich über drei große, parallel zum Fluss angeordnete Arbeitszonen: Dampfkessel, Maschinen und Unterstation. Der Kesselsaal bestand aus vier großen Fabrikhallen, deren offener Innenraum genügend Platz für elf Niederdruckkessel bot, zehn von Babcock & Wilcox (britische Technologie) und ein deutsches Fabrikat der Marke Humboldt. Im Maschinensaal, ein längliches, innen ebenfalls freiräumiges Gebäude quer zum Kesselsaal, standen fünf Generatorgruppen verschiedener Leistung und unterschiedlicher Herkunft: Escher & Wiss, AEG, Stal-Asea y Escher Wiss/Thompson.
Hochdruck
Obwohl man das Werk von 1930 bis 1938 mit Niederdruck betrieben hat, waren mit Hinblick auf eine zukünftige Hochdruckumrüstung schon eine Reihe von Umbauarbeiten unternommen worden, denn dazu brauchte man ein neues Gebäude.
Es sollte genau da errichtet werden, wo sich die ursprüngliche „Central Tejo“ befand. Diese bestand zwar nur noch aus einer Reihe von Werkstätten und Lagerhallen, aber bevor man sie abreißenkonnte, musste eine Alternative für die für den Betrieb unentbehrlichen Hilfsfunktionen gefunden werden. Deshalb kaufte man Gelände und Anlagen der östlich angrenzenden, benachbarten alten Zuckerraffinerie Senna Sugar Estates, Ltd., im Besitz der Companhia de Açúcar de Moçambique.
Seit Beginn des Jahrzehnts hatten die AEG Drehstromaggregate 2 und 3 konstant Störungen und Pannen verursacht. Deshalb wurde 1934 der Erwerb und die Lizenz für zwei Generatoren desselben Herstellers, jedoch mit doppelter Leistung beantragt. Ende des Jahres 1935 konnte der Turbogenerator Nummer 2 aufgestellt und eingeweiht werden; gleichzeitig war die Montage der neuen Spannungswandler fertig, die es der Unterstation der „Central Tejo“ ermöglichten, die gesamte Region Lissabon einschließlich Tagustal bis Santarém zu versorgen. Am Ende des Folgejahres wurde auch der Generator 3 durch einen neuen ersetzt.
Durch die Installation dieser neuen, stärkeren Turbosätze wurde es fast unumgänglich die ersten Hochdruckdampfkessel (Nummer 12, 13 und 14) einzusetzen, um durch mehr Dampfenergie die Leistung der Turbogeneratoren effizient zu nutzen. Die Dampfkessel wurden auch diesmal bei Babcock & Wilcox bestellt. Wegen ihrer Ausmaße musste das größte Gebäude dieses Industriekomplexes gebaut werden, nämlich die Hochdruckkesselhalle.
Demontiert und außer Betrieb, begann 1938 der Abbruch von dem, was von der alten Zentrale übrig geblieben war, um an seiner Stelle diese neue Werksabteilung der „Central Tejo“ aufzustellen. Die Bauverträge wurden an verschiedene Firmen vergeben: Mit dem Mischer und der Erweiterung der Kohleförderanlage wurde die Societé des Pieuz Franki beauftragt, die noch im September des gleichen Jahres begann. Die Metallstruktur und Bauwerk hat das portugiesische Unternehmen Vulcano & Colares übernommen und fing im März 1939 mit der Konstruktion des Kesselgestells und der ersten Strukturelemente an. Erwähnenswert ist bei diesem Gebäude, dass die gesamte Struktur aus Eisen besteht, während für die Verkleidung der Außenfassaden Ziegelstein verwendet wird, genau wie bei der Niederdruckhalle. Der Unterschied besteht lediglich in der Ausschmückung, die hier, im Gegensatz zum übrigen Komplex, eine markant klassische Tendenz höfischer Renaissance aufweist.
Zeitgleich mit der Konstruktion des Hochdrucktrakts arbeitete man an einem anderen neuen, aber wesentlich kleineren Gebäude für die Niederdruckhilfsanlagen, wie z. B. die Filter- und Wasseraufbereitungsmaschinen. Durch diesen Nebenbau sollte Platz im Kesselsaal geschaffen werden, zumal, später, auch ein Anbau für die Hochdruckzusatzanlagen geplant war. Die Niederdruckhilfsanlage, 1939 beendet, befand sich direkt im Anschluss an das Hauptgebäude neben den Kesseln 8 und 10, die sie bediente.
Erneut war es ein Krieg, diesmal der Zweite Weltkrieg, durch den die Montage und Fertigstellung des Hochdruckgebäudes in Verzug gerät. Die drei Dampfkessel, die planmäßig 1940 funktionsbereit sein sollten, konnten erst im Folgejahr, nachdem die Anlagen funktionstüchtig waren, in Betrieb genommen werden. Kessel 12 im März, Kessel 13 einen Monat darauf und der Kessel Nummer 14 im August 1941.
Auf Niederdruck konnten die Dampfkessel keinen zufriedenstellenden Wirkungsgrad erreichen; die Hochdruckhilfsanlagen mussten aufgestellt und die Turbinen angepasst werden. Der Raum dafür entstand im Niederdruckkesselsaal, weshalb 1943 die Kessel 1 und 2 abmontiert wurden. Außerdem war es schwierig, die Turbosätze 2 und 3 für Hochdruck auszulegen, zumal die Bestellung beim deutschen Fabrikant an der in ganz Europa wegen des Zweiten Weltkrieges herrschenden Handelssperre scheiterte. Das Umrüstungsmaterial traf 1942 endlich ein, was ermöglichte, ein Jahr später elektrische Energie unter Hochdruck zu erzeugen. 1943 begannen die Kessel 12 und 13 den Turbosatz Nummer 2 zu speisen und, 1944, der Dampfkessel 14 den Turbosatz 3.
Wegen des Krieges stieg der Preis der Kohle, während sich ihre Qualität verschlechterte. In nur sechs Jahren (1939–1945) erhöhten sich die Kosten infolgedessen um ein Vierfaches. Andererseits stieg auch die Stromproduktion schrittweise an, mit jährlich höheren Wachstumsraten bis auf einen Höchstwert von 52.200 kW und einer Rekordquote von 216 Millionen kWh im Jahre 1950.
Aufgrund der Überteuerung der Kohle, hat man die drei Hochdruckdampfkessel zur Befeuerung mit Rohöl (Dieselkraftstoff), ein Erdölderivat billiger als Kohle, umfunktioniert. Der Tank für diesen Flüssigbrennstoff mit 8000 m³ stand am Kohlelagerplatz.
Der Dampfkessel 15
Infolge des technologischen Fortschritts, plante die Stromgesellschaft CRGE 1944, die Alternatoren und veralteten Dampfkessel gegen neue, den Anforderungen der damaligen Zeit besser angepasste auszutauschen. Wegen des rapiden Anstiegs des Stromkonsums wurde der Erweiterungsplan später zum Bauprojekt einer neuen Produktionsstätte umgeändert. Mit anderen Worten, man plante die Errichtung eines neuen Dampfkraftwerkes. Noch im gleichen Jahr wurde die landesweite Elektrifizierung gesetzlich geregelt, wobei sich eine Wende der portugiesischen Energiepolitik zugunsten der Stromgewinnung durch Wasserkraft abzeichnete. Nicht im Einklang mit dieser Gesetzgebung, wurde dem Projekt eines neuen Dampfkraftwerks nicht stattgegeben. Nach mehrmaligen Einsprüchen, bekam CRGE 1948 endlich die Genehmigung für einen minimalen Ausbau der „Central Tejo“, was den Erwerb und die Installation eines neuen Dampfkessels, den Kessel Nummer 15 möglich machte.
Ebenfalls von der Firma Babcock & Wilcox wurde er neben dem Kessel Nummer 12 aufgestellt. Dazu musste eine Fassade abgerissen, die neue Fläche betoniert und die neue Metallstruktur stilgemäß mit Backstein verkleidet werden. Der Umbau begann Anfang 1950 und nach Fertigstellung Mitte 1951 konnte der neue Kessel angeworfen werden. Zu diesem Zeitpunkt funktionierte das Werk schon nur noch als Hilfszentrale.
Während der fast zehn Jahre, die zwischen der Inbetriebnahme der ersten Hochdruckdampfkessel und des letzten liegen, zeichnen sich bedeutende technologische Fortschritte ab. Der Dampfkessel 15 z. B. kommt schon ab Werk mit Kraftstoffinjektoren (während diese bei den anderen erst nacheinander nachgerüstet worden waren), der Wanderrost lag tiefer, die Leitwarte war funktioneller beim Anzeigen und Speichern der Betriebsfunktionen des Kessels, die Aschenbehälter verfügten über sechs Mahltrichter, um die Asche und Kohlenreste auszustoßen (nicht nur drei) und sind auch insgesamt kleiner.
Anschluss an das nationale Stromnetz
Die Gesetzgebung bezüglich der nationalen Elektrifizierung (Lei de Electrificação Nacional) gab der hydroelektrischen Stromgewinnung absoluten Vorrang, und setzte sich für eine Vereinheitlichung der Verteilung über ein landesweites Versorgungsnetz ein. Vor diesem Hintergrund wurde die „Central Tejo“ 1950 als Ersatzstromwerk abgestuft, und nahm fortan eine zweitrangige Position als Hilfskraftwerk ein, was unvermeidlich den Beginn ihres allmählichen Verfalls besiegelte.
Tatsächlich war am 21. Januar 1951 die offizielle Einweihung des Staudamms „Castelo do Bode“, das erste große Wasserkraftwerk, eines der vielen, die im Projekt der Elektrifizierung Portugals für die Stromerzeugung für die großen Konsumzentren wie der Großraum der Städte Lissabon und Porto vorgesehen waren. Von da an funktionierte die „Central Tejo“ nur noch als Hilfsstromwerk zur Unterstützung des Versorgungsnetzes in trockenen und wasserarmen Jahren. Trotzdem produzierte sie weiterhin Elektrizität, wenn auch nur mit einer Turbogruppe und zwei Hochdruckkesseln.
Von 1951 bis 1968 war die Zentrale alle Jahre in Betrieb, außer 1961. Aufgrund der Wasserknappheit war 1953 ein besonders schwieriges Jahr, weshalb sie praktisch das ganze Jahr über funktionierte, oft extrem überlastet, nicht nur um den Bedarf ihres Verteilernetzes zu decken, sondern um das nationale Netz zu ergänzen. In den sechziger Jahren wurde dann die komplette Niederdruckanlage demontiert.
Die letzten Produktionsaufzeichnungen der Zentrale stammen vom 14. August 1972, was mit einer Aktion der politischen Widerstandsbewegung gegen das damals regierende Staatsregimen zusammenhängt. Bei einem Anschlag am 9. August wurden die Hochspannungsleitungen sabotiert und die Stromversorgung der Stadt unterbrochen; eine Woche lang musste das Dampfkraftwerk „Central Tejo“ einspringen und Elektrizität erzeugen, um den Ausfall auszugleichen und das Lissabonner Stromnetz zu speisen. Die früheren Werksangestellten, viele schon in Rente, wurden aufgefordert, ihr Wissen und ihre Erfahrung nochmal dazu einzusetzen, um die Anlage anzufahren und den Dampfkessel 15 ein allerletztes Mal mit Kohle zu feuern. Auf diese Weise konnten 1.200.678 kWh produziert werden, ein Fünftel des Tagesbedarfs der „CRGE“. Zurück blieb der letzte Eintrag im Register – das jahrzehntelange Gerumpel und Gewackel, die charakteristischen Geräusche und Vibrationen des Elektrizitätswerks verstummten für immer.
Offiziell wurde die „Central Tejo“ 1975 geschlossen und ausgemustert.
Museu da Electricidade (Elektrizitätsmuseum)
Als nach der Verstaatlichung des Energiesektors Portugals 1975 die Liegenschaften der „CRGE“ auf das 1976 neu gegründete Unternehmen EDP – Electricidade de Portugal übergingen, war unklar, was mit dem alten Dampfkraftwerk „Central Tejo“, seiner großen Anzahl von Maschinen und imponenten Fabrikanlage geschehen sollte. Der Vorschlag war einstimmig: Wiedereröffnung als Museum der Wissenschaft und, gleichzeitig, der Industriearchäologie.
Noch im gleichen Jahr wurde der Komplex als Kulturerbe öffentlichen Interesses klassifiziert, während das Gründungsgremium des zukünftigen Museums der Wissenschaft 1986 seine Tätigkeit aufnimmt und 1990 erstmals eröffnet. Die permanente Ausstellung des Museums illustriert die Produktionsphasen, die Geschichte und die Arbeit im Kraftwerk „Central Tejo“, sowie die entscheidenden Etappen der historischen Entwicklung der Gewinnung elektrischer Energie von seinen ersten Entdeckungen bis hin zu den neuen Formen der heutigen Alternativen der Energiegewinnung. Das Museum verfügt über ein Archiv, eine Fachbibliothek und einen Vermittlungsdienst zur Suche und Erhaltung der verschiedensten elektrischen Gerätschaften, und verbindet somit die geschichtliche Aufzeichnung der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet Elektrizität in Portugal mit der Aufrechterhaltung damit verbundener Erinnerungen und Ereignisse.
Die Zentrale, damals schon Museum, wurde zwischen 2001 und 2005 aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes renoviert: Fassaden und Innenräume gereinigt, die Eisenstruktur repariert, tausende von Backsteinen ersetzt und das museographische Konzept so angepasst, wie es heute dargeboten und bei einem Besuch der einstigen „Central Tejo“, des heutigen Elektrizitätsmuseums, erlebt werden kann.