Cemile Sahin

Cemile Sahin (kurdisch Cemîla Şahîn) (* 1990 in Wiesbaden[1]) ist eine kurdisch-alevitische Künstlerin.

Leben und Wirken

Sahin arbeitet mit Bildern und Geschichten, die sie mittels Film, Fotografie, Skulptur, Collage und anderen Medien neu inszeniert.[2] In ihrer Arbeit mit verschiedensten Medien setzt sie sich kritisch mit der Instrumentalisierung von Medien und der Bedeutung unterschiedlicher Perspektiven für die Geschichtsschreibung auseinander, zudem mit der Frage der Veränderung der Geschichte und ihrer Erzählung durch Konstruktion aus verschiedenen – oder sogar widersprüchlichen – Blickwinkeln.[3]

Sahins Familie überlebte den Dersim-Aufstand 1937/38 in Dêrsim. Ihre Mutter kam für die Geburt ihrer Tochter nach Deutschland, kehrte jedoch danach nach Tunceli zurück, bevor die Familie einige Jahre später endgültig nach Deutschland floh und sich in Wiesbaden niederließ.[4] Einige Jahre später zog die Familie nach London, wo Sahin ihr Abitur machte.

Als erste ihrer Familie wählte sie einen kreativen Beruf[5] und studierte Bildende Kunst am Central Saint Martins College of Art und Design in London sowie bei Mark Lammert an der Universität der Künste Berlin, die sie 2018 abschloss.[6][7]

2019 war sie Stipendiatin der Jungen Akademie an der Akademie der Künste[8] und wurde mit dem renommierten Ars-viva-Preis für Bildende Kunst (Ausgabe 2020) ausgezeichnet. Mit diesem sind neben einem Preisgeld von 5000 Euro Ausstellungen in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig und im Kunstverein in Hamburg, eine Katalogveröffentlichung und eine Künstlerresidenz in Kanada verbunden.[9] Die Preisvergabe erfolgt an Kulturschaffende, bei denen die Jury „richtungsweisendes künstlerisches Potenzial“ erkennt.[10]

Für die taz betreute sie zusammen mit Ronya Othmann als Autorin die Kolumne Orient Express.[11] Ihr Debütroman TAXI erschien 2019 und wurde von Julia Encke im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen als „eine Wucht“ und eines der beiden besten Romandebüts des Herbstes 2019 gelobt, das auf der Longlist des Buchpreises vermisst werde.[12][13]

2020 erhielt Sahin für ihren Debütroman und ihre visuellen Arbeiten die Alfred Döblin-Medaille.[14]

Ihr Roman TAXI wurde im April 2021 am Münchner Residenztheater erstmals als neunzehnteilige Podcast-Lesereihe aufgeführt.[15]

Ihr zweites Buch „ALLE HUNDE STERBEN“ erschien 2020 im Aufbau Verlag und behandelt die Grausamkeiten des türkischen Militärs an der kurdischen Bevölkerung in der Türkei. Die Zeit schrieb dazu:

„Cemile Sahin verwendet Sprache wie eine Kamera, die Szenen umkreist, näher kommt, bis sie direkt draufhält: Jede Tür in diesem Buch kann sich jederzeit öffnen, und wer durch sie hereintritt, wird einem Gewalt antun oder, schlimmer noch, denen, die man liebt.“

Cemile Sahin wird vertreten durch die Berliner Galerie Esther Schipper.[16]

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

Videokunst

  • CENTER SHIFT, fünf Videoepisoden (2018)
  • car,road,mountain (2020)
  • BAD PEOPLE, BAD NEWS, 3-Kanal-Video-Installation (2021)

Texte

  • TAXI (Roman), Korbinian Verlag, Berlin 2019 ISBN 978-3-9821220-1-4.
  • ALLE HUNDE STERBEN (Roman), Aufbau Verlag, Berlin 2020 ISBN 978-3-351-03827-4.

Ausstellungen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Carolin Würfel: Cemile Sahin: Mit einem Wisch zur nächsten Wahrheit. In: Die Zeit. 14. Oktober 2019, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 14. Oktober 2019]).
  2. Cemile Sahin. In: arsviva.kulturkreis.eu. Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie, abgerufen am 14. Oktober 2019.
  3. Kunst der Freiheit im kurdischen Exil. Abgerufen am 20. Juni 2021.
  4. Carolin Würfel: Cemile Sahin: Mit einem Wisch zur nächsten Wahrheit. In: Die Zeit. 14. Oktober 2019, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 14. Oktober 2019]).
  5. Stefanie Witterauf: Trauma-Roman "Taxi". Der Krieg der Hinterbliebenen. In: spiegel.de. 8. November 2019, abgerufen am 15. Dezember 2019.
  6. „Für immer ist immer schrecklich“ – Ein Interview mit Cemile Sahin – KubaParis. Abgerufen am 14. Oktober 2019 (deutsch).
  7. Carolin Würfel: Cemile Sahin: Mit einem Wisch zur nächsten Wahrheit. In: Die Zeit. 14. Oktober 2019, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 14. Oktober 2019]).
  8. Where The Story Unfolds auf: adk.de (2020), abgerufen am 7. September 2020.
  9. Karimah Ashadu | Thibaut Henz | Cemile Sahin Preisträger ars viva 2020. In: kulturkreis.eu. Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI, 16. April 2019, abgerufen am 15. Dezember 2019.
  10. Silke Hohmann: Kulturkreis der deutschen Wirtschaft zeichnet drei Künstler aus | Monopol. 16. April 2019, abgerufen am 15. Dezember 2019.
  11. taz. die tageszeitung: Artikel von Cemile Sahin - taz.de. Abgerufen am 14. Oktober 2019.
  12. Julia Encke: Neue Literaturdebüts: Es gibt ein gutes Leben im schlechten. 25. August 2019, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 14. Oktober 2019]).
  13. Süddeutsche Zeitung: Ist das echt? (Paywall). In: sueddeutsche.de. 14. Oktober 2019, abgerufen am 14. Oktober 2019.
  14. a b Alfred Döblin-Medaille 2020 für Cemile Sahin (Memento desOriginals vom 4. Dezember 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.adwmainz.de auf: adwmainz.de (13. Februar 2020), abgerufen am 7. September 2020.
  15. Andrea Mühlberger: Residenztheater startet Podcast-Reihe. In: BR Kulturbühne. Bayerischer Rundfunk, 12. April 2021, abgerufen am 4. Juni 2021.
  16. a b c d e Now Representing – Cemile Sahin (DE). Abgerufen am 20. Juni 2021.
  17. Berlin-Stipendium. In: adk.de. Abgerufen am 14. Oktober 2019.
  18. ars viva 2020. In: gfzk.de. Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig, abgerufen am 14. Oktober 2019.
  19. Stiftung Kunstfonds - Förderung - Für Künstler:innen - Arbeitsstipendium - Stipendiat:innen. Abgerufen am 20. Juni 2021.
  20. Wieder drei Künstler auf dem Auswärtigen Amt. Zeit Online, 11. Februar 2021, abgerufen am 1. April 2021.
  21. Arbeit am Gedächtnis – Transforming Archives. Abgerufen am 20. Juni 2021.