Castelluccio-Kultur

Castelluccio-Kultur
Zeitalter:Bronzezeit in Sizilien
Absolut:2500/2200 v. Chr. bis 1450/00 v. Chr.
Nekropole von Bellamagna
Grabplatte mit der Darstellung eines Sexualaktes

Castelluccio-Kultur (italienisch Cultura di Castelluccio) ist die Bezeichnung für eine prähistorische Kultur auf Sizilien während der Bronzezeit. Der Archäologe Paolo Orsi (1859–1935) führte die Bezeichnung auf Basis eines bestimmten Keramik-Stils ein, dessen zahlreichste Funde in der Nekropole von Castelluccio in Noto zwischen Noto und Syrakus gemacht wurden.[1]

Archäologischer Befund

Orsi begann Ende Juni 1890 mit einer ersten Grabungskampagne in Castelluccio. Bereits drei Jahre zuvor hatte der archäologisch interessierte Grundbesitzer, der Marchese Corrado Di Lorenzo, dort Grabungen durchgeführt und erste Fundstücke geborgen, die Luigi Pigorini auf seiner Reise durch Sizilien zu Gesicht bekam. Ob Paolo Orsi über Pigorini von den Fundstücken erfuhr oder ob der Marchese die Fundstücke Orsi zum Kauf anbot ist unklar. Im Mai 1891 kehrte Orsi zu einer zweiten Grabungskampagne nach Castelluccio zurück.[2]

Die Entdeckung eines prähistorischen Dorfes in Castelluccio di Noto brachte neben den Resten von Rundhütten Keramikobjekte zu Tage, die eine spezielle Dekoration aus braunen Linien auf einem gelb-rötlichen Untergrund aufwiesen und zusammen mit der Verwendung von Weiß eine Dreifarbigkeit hatten. Die Keramik ist (ohne Töpferscheibe) handgemacht und weist sowohl eindeutige Verwandtschaft zu vorhergehenden kupferzeitlichen Typen als auch Ähnlichkeiten zur mittelhelladischen mattbemalten Keramik Griechenlands auf.[3] Der Großteil der Waffen, die gefunden wurden, war aus Greenstone und Basalt (Äxte) hergestellt, und in den jüngsten Schichten hat man auch einige Bronze-Äxte gefunden. Häufig stieß man auf geschnitzte Knochen, die als Idole angesehen werden und den Funden von Malta und Troja II und III ähneln. Bestattungen wurden in Felskammergräbern mit rundem bis ovalem Grundriss vorgenommen, die in den Felsen gehauen worden waren. Die Verschlussplatten zeigten häufig Spiral-Symbole und Motive, die als Sexualakt gedeutet werden.

Chronologie

Die Castelluccio-Kultur wurde zunächst in die Zeit zwischen 1800 und 1400 v. Chr. datiert, 14C-Daten aus Monte Grande und La Muculufa zeigten aber, dass sie deutlich früher, schon im 3. Jahrtausend begann.[4] Daher wird der Beginn heute zwischen 2500 und 2200 v. Chr. angesetzt.[5]: Dass sie im Süden und Osten bis ins 15. Jahrhundert v. Chr. reichte, zeigen einerseits einige spät-mittelhelladische sowie frühmykenische Importe in Castelluccio-Kontext in Monte Grande, andererseits spätmykenische Funde in Zusammenhängen mit der folgenden Thapsos-Kultur, aus dem 14. Jahrhundert und später (z. B. Thapsos und Cannatello).

Lange wurde die Castelluccio-Kultur – analog zur etwa gleichzeitigen Capo-Graziano-Kultur der Liparischen Inseln – nur grob in zwei Phasen unterteilt,[6] deren Trennung um 1800 v. Chr. angesetzt wird. Dabei wurde und wird die zweite Phase (ab ca. 1800 v. Chr.) von einem Teil der Forschung der mittleren Bronzezeit zugerechnet, während andere die gesamte Castelluccio-Kultur als Frühebronzezeit definieren und den Beginn der Mittleren Bronzezeit erst um 1450 v. Chr., mit Beginn der Thapsos-Kultur, ansetzen. 1996 arbeitete Massimo Cultraro eine vierphasige Gliederung der Castelluccio-Kultur anhand von Keramikmerkmalen aus.[7] Dabei schließt die erste Phase direkt an die kupferzeitliche Sant'Ippolito-Fazies an, während die vierte Phase synchron mit der Rodì-Tindari-Vallegunga-Fazies Nordsiziliens ist. Eine weitere, aber prinzipiell ähnliche Gliederung der Castelluccio-Kultur veröffentlichte 2004 Filippo Ianni,[8] der drei Hauptphasen unterscheidet, von denen die zweite in zwei Unterphasen unterteilt ist, die den Stufen 2 und 3 von Cultraro entsprechen.

Verbreitung

Felsgrab in Castelluccio di Noto

Die Funde stammen aus den Dörfern im Südosten Siziliens: Monte Casale, Pachino, Niscemi und Cava Lazzaro bei Noto und Rosolini sowie aus dem felsigen „Byzantinischen Distrikt“ der Küste von Santa Febronia in Palagonia und der Cava d’Ispica. Bei Cuddaru d' Crastu (Tornabé-Mercato d'Arrigo) bei Pietraperzia gibt es die Überreste einer Festung, die teilweise in den Felsen gehauen war. Abweichende keramische Formen kommen auch bei Agrigent in Monte Grande (westlich von Palma di Montechiaro) vor. Die Entdeckung eines Bechers des "Etna-Typs" im Gebiet von Comiso zusammen mit weiteren Keramik-Objekten lassen auf Handelsbeziehungen mit Castelluccio-Siedlungen bei Paternò, Adrano und Biancavilla schließen. Dort weicht aber die Grabgestaltung aufgrund der harten Basaltfelsen ab. Man findet vor allem Lavahöhlen als Grabkammern.

Im Gebiet um Ragusa wurden Indizien für Feuerstein-Abbau entdeckt. Mit Hilfe von Basalt-Werkzeugen wurden Tunnels gegraben, um an den begehrten Flintstein zu kommen. Aus derselben Zeit gibt es einige Dolmen, die ausschließlich zu Beerdigungszwecken errichtet wurden. Sie wurden jedoch sehr wahrscheinlich von Mitgliedern einer anderen Kultur errichtet.[9]

Anmerkungen

  1. Salvatore Spoto: Sicilia Antica: Castelluccio e l'Età del bronzo, S. 51.
  2. Anita Crispo: Paolo Orsi innovatore. Lo scavo di Castelluccio di Noto e la nuova metodologia negli studi preistorici in Sicilia. S. 348–351
  3. Anna Maria Bietti Sestieri: The Bronze Age in Sicily, in: Harry Fokkens, Anthony Harding (Hrsg.), The Oxford Handbook oft the European Bronze Age, Oxford University Press 2013, S. 654.
  4. Robert Leighton: Sicily Before History. An Archaeological Survey from the Palaeolithic to the Iron Age. Cornell University Press, Ithaca - New York 1999, S. 113., setzt den Beginn bereits um 2500 v. Chr. an. Vgl. Robert Ross Holloway: The Archaeology of Ancient Sicily. Routledge, London 2002, S. 20, der Daten von 2200–2100 v. Chr. für La Muculufa angibt, aber für möglich hält, dass die Castelluccio-Kultur bereits um 2500 v. Chr. begann.
  5. 2500: Robert Leighton: Sicily Before History. An Archaeological Survey from the Palaeolithic to the Iron Age. Cornell University Press, Ithaca - New York 1999, S. 113. Vorsichtiger: Robert Ross Holloway: The Archaeology of Ancient Sicily. Routledge, London 2002, S. 20: Beginn der Bronzezeit um 2200 v. Chr. Anna Maria Bietti Sestieri: The Bronze Age in Sicily, in: Harry Fokkens, Anthony Harding (Hrsg.), The Oxford Handbook oft the European Bronze Age, Oxford University Press 2013, S. 653 ff.
  6. Dies und das Folgende nach Reinhard Jung: ΧΡΟΝΟΛΟΓΙΑ COMPARATA. Vergleichende Chronologie von Südgriechenland und Süditalien von ca. 1700/1600 bis 1000 v. u. Z. Wien 2006, S. 173 f., mit weiterführenden Belegen.
  7. Massimo Cultraro: Sicilia. La facies di Castelluccio. Articolazione cronologica e definizione culturale. in: D. Cocchi Genick (Hrsg.): L’età del Bronzo in Italia., Florenz 1996, 163–174.
  8. Filippo Ianni: Il Castellucciano nel bacino centro-occidentale del fiume Salso. Paruzzo ed., Caltanissetta 2004.
  9. Piccolo, Salvatore: Op. cit., S. 31f..

Literatur

  • Giuseppe Castellana: La Sicilia nel II millennio a.C. Salvatore Sciascia Editore, Palermo 2002, ISBN 88-8241-130-3.
  • Anita Crispo: Paolo Orsi innovatore. Lo scavo di Castelluccio di Noto e la nuova metodologia negli studi preistorici in Sicilia. In: Alessandro Guidi (Hrsg.): 150 anni di preistoria e protostoria in Italia. Istituto Italiano di Preistoria e Protostoria, Florenz 2014, ISBN 978-88-6045-055-5, S. 347–352.
  • Jean Huré: Storia della Sicilia dalle Origini ai giorni nostri. Brancato Editore, Brugherio (MI) 2005, ISBN 88-8031-078-X.
  • Salvatore Piccolo: Ancient Stones: the Prehistoric Dolmens of Sicily. Brazen Head Publishing, Thornham/Norfolk (UK) 2013, ISBN 978-0-9565106-2-4.
  • Salvatore Spoto: Sicilia Antica. Newton Compton Ed., Roma 2002, ISBN 88-8289-750-8.
  • Sebastiano Tusa: La Sicilia nella Preistoria. Sellerio Editore, Palermo, ISBN 88-389-1440-0.
  • Giuseppe Voza: Nel segno dell'Antico. Arnaldo Lombardi Editore, Siracusa 1999, ISBN 88-317-2606-4.
  • Melchiorre Trigilia (2011). La Cava d'Ispica: archeologia storia e guida.

Weblinks

Commons: Castelluccio-Kultur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Portello tombale con motivo a rilievo interpretato come atto sessuale. XXII-XV secolo a.C.
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Grotta a Castelluccio di Noto
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Quattro tombe a grotticella artificiale