Carlshütte (Büdelsdorf)

Carlshütte (1856)

Die Carlshütte war eine Eisengießerei in Büdelsdorf bei Rendsburg in Holstein.

Geschichte

19. Jahrhundert

Lage der Carlshütte (1848)

Der Kaufmann Marcus Hartwig Holler ließ vor dem Hintergrund sich öffnender Handelswege und vermuteter Erzfunde im Jahr 1827 in Büdelsdorf eine Eisenhütte bauen. Die Errichtung dieses Betriebes veränderte die Struktur des Ortes Büdelsdorf bei Rendsburg grundlegend. Nach seinem Förderer, dem königlichen Gouverneur von Schleswig-Holstein, Karl von Hessen-Kassel, nannte er die Eisenhütte „Carlshütte“. Die Verhüttung des Raseneisenerzes erwies sich als unproduktiv bzw. unwirtschaftlich, so dass die Produktion auf Gusseisen umgestellt wurde. Beispiele der Eisengusskunst befinden sich im Eisenkunstguss-Museum Büdelsdorf. Dieses Museum wurde im Jahre 1963 von Käte Ahlmann gestiftet.

Neben dem Gusseisenwerk ließ Holler eine Schiffswerft bauen. Holler zeichnete sich durch unternehmerisches Geschick aus und errichtete außerdem Betriebe für Leimsiederei und Geflügelzucht. In diesen bot er Arbeitsplätze für die Frauen der Hüttenarbeiter mit Heimarbeit wie Weberei, Draht- und Strohflechterei an. Im Jahr 1841 waren in der Carlshütte bereits 250 Arbeiter beschäftigt.

Mit der Fertigstellung des Kaiser-Wilhelms-Kanals im Jahr 1895 ergaben sich für die Carlshütte günstigere Transportbedingungen. Die Belegschaft stieg rasch auf 1.100 Mitarbeiter im Jahre 1909 an. Die in der Carlshütte gegossenen Gewichte erwirtschafteten so hohe Eichgebühren, dass die Einwohner Büdelsdorfs keine Kommunalsteuern zu zahlen brauchten.

Die Familie Ahlmann übernahm die Hütte von Holler. Nach dem Tod von Julius Ahlmann führte seine Witwe Käte 1931 bis zu ihrem Tod 1963 die Geschäfte. Käte Ahlmann war maßgeblich am Erfolg der Carlshütte beteiligt. Sie soll die Hütte „mit eisenharter Hand“ geführt haben.

Zweiter Weltkrieg

Während des Zweiten Weltkrieges stellte die Carlshütte auf Rüstungsproduktion um. Es wurden nunmehr unter anderem Munition über 2 cm, Gießereierzeugnisse für Panzerkampfwagen, Teile für Kriegsschiffe und feinmechanisches Kriegsgerät hergestellt.[1] Unter anderem wurden dafür Zwangsarbeiter rekrutiert. Im Jahr 1943 gab es dort mehr Zwangsarbeiter als regulär Beschäftigte, vor allem Sowjetbürger.

Die Carlshütte hatte verschiedene Lager für Zwangsarbeiter errichtet.[2] Die Lebensumstände dort waren offensichtlich sehr erniedrigend: „Nachts wurden wir oft für eine Kontrolle oder eine Desinfektion geweckt“ (aus den Erinnerungen einer Ukrainerin). Oder: „Im tiefsten Winter mußte unsere Baracke ausgegast werden. Bei einer Temperatur von fünfundzwanzig Grad unter Null mußten die Bewohner zusehen, wie sie die Nacht verbrachten, weil das Gas auch in der Nacht sein Werk an den Wandläusen verrichten sollte“ (A.A. Steijn in einem Bericht über das Lager der Ahlmann Carlshütte in Büdelsdorf).[2]

Neben französischen und belgischen Kriegsgefangenen rekrutierte die Hütte ihre Zwangsarbeiter unter anderem aus Betrieben in der Ukraine. Dort hatte die Carlshütte im Rahmen sogenannter „Patenschaften“ in Sapororoshje eine Eisengießerei übernommen sowie einen weiteren Betrieb in Uman in der West-Ukraine.[2] Wie viel andere Betriebe hat die Ahlmann Carlshütte für diesen Teil ihrer Geschichte bislang nicht die Verantwortung übernommen.

Nachkriegszeit und Insolvenz

Während vor dem Zweiten Weltkrieg knapp 6000 Einwohner in Büdelsdorf lebten, erhöhte sich die Bevölkerungszahl durch die Flüchtlinge in Schleswig-Holstein nach dem Zweiten Weltkrieg auf über 10.000. Die Ahlmann-Betriebe beschäftigten um 1960 rund 3000 Menschen. Die Ahlmann-Carlshütte musste im Jahr 1974 die erste und 1997 die zweite und endgültige Insolvenz über sich ergehen lassen und wurde geschlossen. Hauptprodukt der Carlshütte waren emaillierte gusseiserne Badewannen. Diese hatten den Vorteil, die Temperatur des Badewassers lange zu halten. Sie wurden jedoch von den billigeren Kunststoffwannen verdrängt.

Kunstwerk Carlshütte

Auf dem Gelände und in den Hallen der ehemaligen Carlshütte befindet sich das Kunst- und Kulturzentrum Kunstwerk Carlshütte (früher KiC – Kunst in der Carlshütte). Während der Sommermonate präsentieren hier alljährlich zeitgenössische Künstler aus aller Welt ihre Werke auf der Ausstellung NordArt.

Siehe auch

Literatur

  • wi snackt uns ut = Wir sprechen uns aus über Öfen und Herde, Kundenzeitschrift, Ahlmann-Carlshütte KG, Rendsburg 2/1961 bis 3/1965
  • Jens-Uwe Lemburg: Arbeit auf der Hütte. Zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Rendsburgs 1850–1914 unter besonderer Berücksichtigung der Arbeiterschaft der Carlshütte, Karl Wachholtz Verlag, Neumünster 1990, ISBN 978-3-529-02918-9.
  • Kurzgeschichte der Carlshütte mit Betonung der neueren Zeit: 1827–1940, Holler'sche Carlshütte, Rendsburg 1940
  • Harry Schmidt: 125 Jahre Carlshütte, Ahlmann-Carlshütte K. G., Rendsburg 1952
  • Rückblick auf das 125-jährige Jubiläum der Ahlmann-Carlshütte K. G. Rendsburg, 19. April 1952, Ahlmann-Carlshütte K. G., Rendsburg 1952

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Exkurs Kieler Rüstungsindustrie im Nationalsozialismus. In: https://www.gegenwind.info/stadtrundfahrt/index.html. Gesellschaft für Politische Bildung e. V., abgerufen am 28. Juli 2022 (dort: Liste der Rüstungsbetriebe, dort Stichwort Rendsburg).
  2. a b c Rolf Schwarz: Zwangsarbeit. In: https://geschichte-s-h.de/. Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, abgerufen am 28. Juli 2022.

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Buedelsdorf KIC.jpg
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Carlshütte und angeschlossener Skulpturenpark in Büdelsdorf
M-H-Holler-Büdelsdorf (vom Wilkinus).JPG
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Das Marcus Hartwig Holler-Büstendenkmal vor dem Eisenkunstguß-Museum in Büdelsdorf bei Rendsburg. Die Büste wurde von der Aktiengesellschaft vorm. Gladenbeck in Berlin-Friedrichshagen gegossen. Eine Signatur des Künstlers habe ich nicht gefunden.
Festung Rendsburg (1848).jpg
Festung Rendsburg, Nachzeichnung eines Kartenausschnitts von Friedrich Geerz.
Carlshütte bei Rendsburg.jpg
Lithographie der Carlshütte an der Obereider bei Rendsburg.
RiesenOfenCarlshuette.jpg
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Freilichtmuseum Roscheider Hof: Dieser Werkstattofen stand bis März 2020 in der Turnhalle des Eisenbahner Turn- und Sportvereins (ETUS) Konz auf dem Gelände des heutigen Brückenbauhofs der Deutschen Bahn AG. Die erst in den 1950er Jahren errichtete Turnhalle war sicher nicht der ursprüngliche Standort dieses Ofens. Er wird wohl vorher in einer der zahlreichen Werkstätten des ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerkes in Konz gestanden haben.

Hersteller war die Carlshütte aus Büdelsdorf bei Rendsburg in Holstein, wie aus der Gießmarke "CH" und Hammer und Schlegel erkennbar ist. Die Hütte wurde 1827 von Marcus Hartwig Holler gegründet und ist nach dem königlichen Gouverneur von Schleswig-Holstein, Carl von Hessen benannt. Ab etwa 1900 wurde sie schrittweise von der Familie Ahlmann übernommen, die sie im folgenden über mehrere Generationen führte. Der Namensübergang von Holler'sche Carlshütte auf Ahlmann'sche Carlshütte erfolgte 1941. Im Jahr 1974 musste sie die erste und 1997 die zweite und endgültige Insolvenz über sich ergehen lassen und wurde als Folge dieser geschlossen. Ihr Problem war, dass emaillierte gusseiserne Badewannen - ihr Hauptprodukt der letzten Jahre - immer mehr von billigen Kunststoffwannen verdrängt wurden.

Werkstattöfen dienten vor allem zum Beheizen größerer Räumlichkeiten wir Fabriken und Werkstätten. Unser Ofen ist ein Hohenzollern-Schüttofen, eine Konstruktion der Hohenzollernhütte aus Düsseldorf, die 1929 liquidiert wurde. Deren Werkstattöfen wurden danach von der Carlshütte übernommen und ab 1930 weitergebaut. Der Ofen besteht aus einer Anzahl von Ringen, die ineinander gesteckt werden konnten. Der unterste Ring beherbergt den Aschekasten mit einer als Schieber realisierten Reguliereinrichtung. Mit dieser konnte die Zufuhr von Frischluft in die Brennkammer eingestellt werden. In den Ringen oberhalb der Brennkammer wird die entstehende Hitze durch mehrere gegenläufige Schrägebenen optimal ausgenutzt. Durch die ovalen Löcher wurde kalte Luft von unten angesaugt, erwärmt und konnte als warme Luft ein Ring-Stockwerk höher nach außen dringen. Durch die dadurch entstandene Konvektion war man nicht nur auf die Strahlungshitze angewiesen und konnte auch kleinere Henkelmänner oder Töpfe im Inneren des Ofens abstellen und sich so das Mittagessen warmhalten.

Öfen dieses Typs und Größe waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts absolute Massenware. Da sie sich im Gegensatz zu schön gestalteten Zimmeröfen als Dekoware eher weniger eignen haben wohl nur sehr wenige dieser Öfen überlebt. Unser Ofen ist höchstwarscheinlich der einzige "Überlebende" seiner Art.