Carl Schirren (Historiker)

Carl Schirren
Carl Schirren

Carl Christian Gerhard Schirren (* 8. Novemberjul. / 20. November 1826greg. in Riga; † 11. Dezember 1910 in Kiel) war ein deutsch-baltischer Historiker.

Leben

Carl Schirren wurde als Sohn eines Pastors geboren.[1] Er besuchte in Riga das Gymnasium und studierte von 1844 bis 1848 an der Universität Dorpat (Tartu) Geschichte. Er war Mitglied der Baltischen Corporation Fraternitas Rigensis. (1871 wurde er auch Ehrenphilister der Baltischen Corporation Estonia Dorpat.) Nach dem Studium war er anfangs in Riga als Leiter einer Privatschule tätig. Später ging er nach Dorpat zurück. An der Universität wurde er bald Privatdozent. 1858 wurde Schirren Universitätsprofessor und vertrat bis 1863 die Fächer Geographie und Statistik. 1863 bis 1869 lehrte er als Professor Geschichte Russlands. Zu seinen Schülern zählt Richard Hausmann.

Während seiner Tätigkeit an der Dorpater Alma Mater veröffentlichte er nach Studien in Stockholm eine fünfbändige Arbeit zur Geschichte des Untergangs livländischer Selbständigkeit durch polnische und schwedische Herrschaft. Zwei weitere Bände dokumentierten die Wahrung der Rechte der Deutschen beim Übergang Liv- und Estlands unter russische Herrschaft in der Zeit des Nordischen Krieges von 1700 bis 1721. Zeitweise war Carl Schirren Präsident der Gelehrten Estnischen Gesellschaft (1861–1864), die ihm 1869 die Ehrenmitgliedschaft verlieh,[2] und Chefredakteur des konservativen „Dorpater Tageblatts“. Eine stärkere Wirkung auf die Öffentlichkeit hatten jedoch Schirrens Vorlesungen über die Geschichte Livlands, die er 1862 und 1866 hielt. Diese Vorlesungen stärkten den deutsch-baltischen Patriotismus.

1869 erschien Schirrens Buch „Livländische Antwort an Herrn Juri Samarin“. Das Buch war eine Erwiderung auf eine polemische Schrift des Slawophilen Samarin. Dieser trat für die Beseitigung der Autonomie der Ostseeprovinzen und eine Anpassung an Russland ein. Schirren verteidigte in seiner Schrift das Recht Livlands auf den lutherischen Glauben, die deutsche Sprache, die Selbstverwaltung und die eigene Gerichtsbarkeit, da diese Rechte den Ostseeprovinzen Russlands seit Peter I. verbürgt seien. Dabei stellte Schirren jedoch die historische Bedeutung der Deutsch-Balten über die der Russen, Esten und Letten. Im zweiten Kapitel ging er dabei auf die von Samarin veröffentlichten und von dem lettischen orthodoxen Priester Jānis Līcis unter dem Pseudonym Indrik Straumit verfassten „Memoiren eines rechtgläubigen Letten“ ein, in denen Līcis die Letten dazu aufrief, von der evangelischen zur orthodoxen Konfession zu konvertieren, auch um die deutsch-baltische Vorherrschaft abzustreifen.

Aufgrund der Veröffentlichung der „Livländische Antwort an Herrn Juri Samarin“ verlor Schirren seine Stelle an der Universität. Er siedelte mit seiner Familie nach Deutschland über. Mit Unterstützung der Livländischen Ritterschaft konnte er hier Archivstudien treiben. 1874 erhielt Schirren einen Ruf an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1907 das Fach Geschichte vertrat. 1878/79 war er Rektor der Universität.

1864 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften gewählt.[3]

In Erinnerung an das Wirken des Historikers wurde 1932 in Kiel die Carl-Schirren-Gesellschaft gegründet, die sich der Pflege des deutsch-baltischen Kulturerbes widmet.

Schriften

Literatur

  • Irene Neander: Carl Schirren als Historiker. In: Georg von Rauch (Hrsg.): Geschichte der deutschbaltischen Geschichtsschreibung. Böhlau, Köln/Wien 1986, S. 175–202.
  • Norbert Angermann: Carl Schirrens Vorlesungen über die Geschichte Livlands. In: Norbert Angermann et al.: Ostseeprovinzen, Baltische Staaten und das Nationale, Münster, 2005, S. 213–226.
  • Reinhard Wittram: Carl Schirrens Livländische Antwort. In: Ders.: Das Nationale als europäisches Problem: Beiträge zur Geschichte des Nationalitätsprinzips vornehmlich im 19. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1954, S. 161–182.
  • Georg von Rauch: Schirren, Carl Christian Gerhard. In: Olaf Klose, Eva Rudolph (Hrsg.): Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon, Bd. 4. Wachholtz, Neumünster 1976, S. 202–204.
  • Richard Hausmann: Nekrolog: Carl Schirren. In: Sitzungsberichte der Gelehrten Estnischen Gesellschaft zu Dorpat 1910. Gelehrte Estnische Gesellschaft, Jurjew-Dorpat, 1911, S. 175–182.
  • Wilhelm Lenz: Carl Schirren und seine „Lebensaufgabe“. In: Norbert Angermann, Wilhelm Lenz und Konrad Maier (Hrsg.): Geisteswissenschaften und Publizistik im Baltikum des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Lit, Berlin 2011, S. 217–237.
  • Michael Garleff (Hrsg.): Carl Schirren als Gelehrter im Spannungsfeld von Wissenschaft und politischer Publizistik. Verlag Carl-Schirren-Gesellschaft e.V., Lüneburg 2013.
  • Felix Rachfahl: Carl Schirren – eine Lebensskizze. In: Carl Schirren: Zur Geschichte des Nordischen Krieges: Rezensionen. Mühlau, Kiel 1913, S. 1–48.
  • Carola L. Gottzmann / Petra Hörner: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. 3 Bände; Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2007. ISBN 978-3-11019338-1. Band 3, S. 1139–1143.
  • Carl Schirren: Schirren, Carl Christian Gerhard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 12 f. (Digitalisat).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. zur baltischen Familie Schirren siehe Carl Schirren, Stefan Jordan: Schirren. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 12 (Digitalisat).
  2. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Schirren, Carl* Christian Gerhard. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  3. Korrespondierende Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724: Ширрен, Карл Карлович (Карл Христиан Герхард). Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 23. Februar 2022 (russisch).

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