Carl Huter

Carl Huter (1902)

Carl Heinrich Conrad Huter (* 9. Oktober 1861 in Heinde; † 4. Dezember 1912 in Dresden) entwickelte eine Lehre aus Physiognomik und Phrenologie. Bei beiden Lehren handelt es sich aus heutiger Sicht um Pseudowissenschaft.[1]

Leben und Wirken

Jugend und Studienzeit

Carl Huter wurde am 9. Oktober 1861 in Heinde bei Bad Salzdetfurth im Landkreis Hildesheim von Niedersachsen als ältester Sohn des Wasserbaumeisters Johann Heinrich Christian Huter (1836–1868) geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters lebte Carl Huter bei Verwandten auf einem kleinen Bauernhof in Oedelum (bei Schellerten/Niedersachsen). Er wuchs von seinen beiden Schwestern getrennt auf. Nach den Plänen seiner Pflegeeltern sollte er einmal den Bauernhof übernehmen, und so wurde ihm der Besuch des Gymnasiums verwehrt. Diesem Druck entzog er sich jedoch und ging nach der Konfirmation zu seiner Mutter nach Heinde. In Hildesheim absolvierte Carl Huter eine Dekorations-, Porzellan- und Porträtmalerlehre. Nach Abschluss der Lehre ging er nach Berlin, Leipzig und Dresden, wo er sich in kunstgeschichtlicher, philosophischer, naturwissenschaftlicher und physiognomischer Richtung fortbildete.

In den Jahren 1885 bis 1892 finanzierte Carl Huter seine Studien hauptsächlich durch Arbeiten als Dekorations- und Porträtmaler. In den Regionen Hildesheim und Braunschweig sind verschiedene seiner Werke in Kirchen und Privatbesitz vorhanden.

Carl Huter-Denkmal in Heinde auf dem Kirchberg (2005)

Erkrankung, Entwicklung der Lehre

Carl Huter erkrankte an einem schweren Halsleiden und wurde mehrfach operiert. Diese Erkrankung, die medizinischerseits als unheilbar bezeichnet wurde, gab ihm den Anstoß, sich mit den verschiedensten Therapierichtungen auseinanderzusetzen. Mit den medizinischen Grundlagenfächern war er umfassend vertraut. Auf diesen Kenntnissen baute er seine bereits weitgehend ausgebaute Psycho-Physiognomik und Kallisophie weiter aus. Sein Wahlspruch zur Entwicklung dieser Lehre lautete: Man verschaffe sich Einblick in das Werk der tüchtigsten Männer und fasse das Wertvollste zusammen; nur so wird man allen gerecht und bereichert dadurch besser sein Wissen, als durch unvernünftige Überhebung des einen oder durch grundlose Herabsetzung des anderen.

So griff er auf die Erkenntnisse der alten Physiognomen (siehe Physiognomik) (Johann Joachim Winckelmann, Giambattista della Porta, Charles Le Brun, Peter Camper), der Phrenologen (siehe Phrenologie) (Gustav Scheve, Franz Joseph Gall) und der Mimiker (Charles Bell, Johann Jacob Engel, Guillaume-Benjamin Duchenne, Paolo Mantegazza) zurück und führte sie zu einer Synthese.

Ab 1893 hielt Carl Huter im kleinen Rahmen in Hannover private Lehrkurse in den von ihm entwickelten Disziplinen ab. Bereits ab 1884 hatte er an die 1000 Vorträge in verschiedenen Städten über seine Lehren gehalten. In Hannover erhielt er die Möglichkeit, seine Forschungen in einem größeren Kurhaus, dessen Leitung ihm übertragen worden war, zu intensivieren.

Heirat und öffentliches Wirken

Nach seiner Heirat mit Henny Pieper eröffnete Carl Huter im Sommer 1897 in Detmold eine eigene Kuranstalt, die ihm und seiner Familie einige Zeit die materielle Existenz sicherte. Da ihm auf Grund seines nicht akademischen Werdeganges die Lehrtätigkeit an Hochschulen verwehrt war, wandte er sich an die Öffentlichkeit, wobei er bald auch viele Akademiker zu seinen Schülern zählen konnte und auf viele Akademiker beeinflussend wirkte. Hierzu gehörte unter anderen auch Theodor Lessing.

Vom Spätsommer 1909 bis zum Herbst 1910 eröffnete Carl Huter die folgenden privaten Institute in Leipzig:

  1. freie deutsche Hochschule für psychologische Forschung und vergleichende Natur- und Religionswissenschaften,
  2. psychologisches Untersuchungsinstitut und
  3. psychologisches Museum mit kunstwissenschaftlicher, naturgeschichtlicher und psychologischer Abteilung.

Bereits im August 1911 mussten alle Institute wegen fehlender Mittel wieder geschlossen werden.

Carl Huter hat zwischen 1894 und 1912 etwa dreißig umfangreichere Werke und Abhandlungen sowie eine Vielzahl kleinere Arbeiten veröffentlicht. Ab 1900 gab er zudem die Zeitschrift Die Hochwart heraus, die jedoch lediglich eine Auflage von 800 bis 1000 Exemplaren hatte.

Zusammen mit seinem Freund und Schüler Adolf Brodbeck regte Carl Huter das erste Parlament der Weltreligionen an, das 1893 in Chicago durchgeführt wurde. Ein zweites Religionsparlament wollte Huter anlässlich der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig im Jahre 1913 als Völker- und Religionsversöhnungswerk durchführen. Durch seinen Tod im Dezember 1912 konnte dieses Vorhaben nicht mehr ausgeführt werden.

Als Carl Huter am 4. Dezember 1912 in Dresden im 52. Lebensjahr verstarb, existierten keine Angehörigen, die seinen Nachlass hätten sachgemäß verwalten können oder wollen. Der Nachlass von Carl Huter blieb deshalb nicht beisammen, sein Werk wurde jedoch von August Amandus Kupfer in Deutschland und Walter Alispach[2] in der Schweiz weitergeführt.

Inhalte der Psycho-Physiognomik nach Huter

Nach Huter sollt die Körper- und Schädelform des Menschen das Ergebnis eines Zusammenspiels aus genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen sein. Hierbei spielen mehrere von ihm eigens definierte „Strahlungsenergien“ eine wichtige Rolle. Die zu deutende Körperhülle ist seiner Theorie zufolge einem ständigen wechselseitigen Energieaustausch zwischen innen und außen ausgesetzt und dieser prägt schließlich das Erscheinungsbild des Menschen. Wie dabei klare Deutungspunkte entstehen sollen, die auf spezifische Eigenschaften des Menschen hindeuten, bleibt unklar.[1]

Wichtigste Werke

  1. Welt- und Menschenkenntnis, 1906-1906 («Das Hauptwerk»)
    Das über 700-seitige Werk im Atlasformat erschien von 1904 bis 1906 in fünf Lehrbriefen mit total 52 Lektionen. Die ersten vier Lehrbrief haben je 10, der letzte hat 12 Lektionen.
    Der erste, kurze Lehrbrief führt an die Hutersche Welt- und Menschenkenntnis heran: Es werden Entdeckungen und Erkenntnisse Huters vorgestellt, die für seine Lehren über Welt und Mensch fundamental sind.
    Der zweite und dritte Lehrbrief behandelt naturwissenschaftliche Themen aus den Bereichen Physik, Chemie, Geologie, Astronomie und Geologie, schließlich die biologische Zelle und die Evolution. Huter hält die Erklärungen der damaligen Naturwissenschaft nicht immer für ausreichend, um die Phänomene zu erklären, d. h. es fehlt ihr die Kenntnis des Huterschen Äthers und des Huterschen Empfindungsvermögen. In separaten Lektionen und Abschnitten legt Huter seine Ansichten und Forschungsergebnisse dar, oft sind sie mit eigenhändig erstellten Strichzeichnungen illustriert.
    Der vierte und fünfte Lehrbrief behandelt ausgewählte Teile der Anatomie und Physiologie. Es folgt eine kritische Darstellung der Lavaterschen Physiognomik und eine Würdigung von Lavater. Der fünfte und weitaus umfangreichste Lehrbrief enthält eine Erläuterung der Gallschen Hirnzentrenlehre, eine Würdigung von Gall und seiner Nachfolger. Schließlich werden die Arbeiten von Huters Vorgänger auf dem Gebiet der Mimik besprochen. In der siebten bis zwölften Lektion des fünften Lehrbriefes legt Huter die Hutersche Psycho-Physiognomik dar. Huter bezeichnet sie als eine wissenschaftliche Lehre und sie hat ihr Fundament in den vielen Entdeckungen Huters über Welt und Mensch. Die Darlegungen enthalten zahlreiche Strichzeichnungen, die er dank seiner Ausbildung zum Portraitmaler eigenhändig erstellt hat. Zum Zweck der praktischen Anwendung wendet Huter das Instrument «Hutersche Psycho-Physiognomik» auf damals allgemein bekannte Menschen an. Die Anwendung ist nachvollziehbar und erlaubt einen Rückschluss auf den Wert und die Leistungsfähigkeit dieses Instruments. Die Darlegungen über die Hutersche Psycho-Physiognomik umfassen in der ersten Auflage nur 125 Buchseiten. Huter kündigte einen Ergänzungsband an. Dieser ist aber nicht erschienen.
  2. Illustriertes Handbuch der Menschenkenntnis, 1910
    Das über 200-seitige Werk im Taschenbuchformat lehnt sich an Huters Hauptwerk an. Es enthält viele Tafeln aus dem zweiten bis fünften Lehrbrief, oftmals ohne nähere Erläuterungen. Sodann enthält es einige neue Strichzeichnungen und Abbildungen, z. B. über die Naturelle. Der Schlussteil «Aus der Werkstatt des Psychologen» enthält praktische Fallbeispiele zu unterschiedlichen psychologischen Themen, die anhand von guten Bildern mittels der Huterschen Psycho-Physiognomik beschrieben werden. Damit wird das Buch zur wichtigen Ergänzung des Hauptwerks.
  3. Das Empfindungsvermögen der Materie, 1909
    Huter legt seine Forschungsergebnisse über das Empfindungsvermögen und die Helioda dar. Das Lehrbuch enthält viele informative Berichte und anerkennende Zeugnisse über Huters Demonstrationsvorträge.
  4. Katechismus der Huterischen Wissenschaft, 1909
    Huter beantwortet 52 Fragen über die Hutersche Welt- und Menschenkenntnis in wenigen Sätzen mittels Erläuterungen und Begründungen. Wer Zweifel hat, ob die Peripherie eine charakterologische Bedeutung besitzt, findet hier Erklärungen.
    Sodann werden zweiunddreissig der wichtigsten Entdeckungen Huters in wenigen Sätzen aufgezählt. Die rund 180-seitige Broschüre wird abgeschlossen durch ein halbes Dutzend Zeugnisse von Drittpersonen über Huters Leistungen in der Charakterdiagnostik und durch Vortragsberichte, die in Zeitungen erschienen sind.
  5. Kernpunkte der Huterschen Lehren, 1911 / 1912
    Dieser 4-seitige Text entspricht dem Bedürfnis nach Übersicht und Ordnung über die vielen Huterschen Entdeckungen und Erkenntnisse. Es ist besonders wertvoll, wenn der Schöpfer dieser Lehren sich dieser Aufgabe stellt. Der Artikel ist im Jahr 1911 oder 1912 entstanden und von Amandus Kupfer im Jahre 1925 erstmals veröffentlicht worden.
  6. Weitere Schriften
    Die Broschüre «Die neue Weltanschauung» enthält die zahlreichen neuen Erkenntnisse Huters über Welt und Mensch in kurzen Gedanken. Sie erfordert Vorkenntnisse, aber auch eine Offenheit für neue Sichtweisen. Längst nicht alle Werke, die Huter angekündigt hatte, sind erschienen, z. B.
    a. Das Lehrbuch über praktische Menschenkenntnis. Es war als Nachtragsband zum Hauptwerk gedacht.
    b. Das Lehrbuch über die Physiognomik der Augen.
    c. Werke über Kallisophie.
    Einzelne Huter-Werke sind posthum erschienen, z. B. Carl Huter: Die innere Erschliessung einer höheren geistigen Welt, 1929, und Carl Huter: Individuum und Universum, 1962. Amandus Kupfer hat mit seinen psycho-physiognomischen Lehrbüchern wichtige Lücken geschlossen, siehe unten.

Es besteht einzig eine Sekundärliteratur über die Hutersche Psycho-Physiognomik, nicht aber über die anderen Bereiche der Huterschen Erkenntnisse und Entdeckungen.

Wirkungsgeschichte

Die Huterschen Lehren fanden durch Huters Vorträge, seine Büchern, Broschüren und Zeitschriften und später durch die Lehrbücher und Schriften von Amandus Kupfer, seines Schülers, große Verbreitung in Deutschland, ab ca. 1907 auch in Österreich und ab ca. 1930 in der Schweiz.

Huter hielt von 1886 bis 1911 Hunderte von Vorträgen in fast allen größeren Städten Deutschlands. Mehr als 300 der angesehensten Tageszeitungen haben darüber berichtet. Hervorragende Männer der Wissenschaft und des öffentlichen Lebens haben seine Vorträge gut besprochen und empfohlen. Viele dieser Dokumente sind im Original oder als Kopie erhalten geblieben. Die Besucherzahl seiner Vorträge und Kurse lag weit über 10'000.

Seit Huters Zeit gibt es Personen, die im Hauptberuf seine Lehre weiterverbreiten und anwenden, durch Vorträge, Schriften, Gutachten, letzteres zumeist für den betreffenden Huter-Freund und seine Familienmitglieder. Huter hat mehrere Schüler und Schülerinnen ausgebildet, teils zu Psycho-Physiognomen, teils zu Berufspersonen im Bereich seines Heilsystems. Erst seit ca. 1980 bestehen wieder Ausbildungsmöglichkeiten, gegenwärtig in Zürich (seit ca. 1978), München (seit. ca. 1995) und Solothurn (seit ca. 2005).

Seit den 1920er Jahren bis heute sind stets 10 bis 20 männliche und weibliche Personen hauptberuflich für die Hutersche Psycho-Physiognomik tätig. Ihre Arbeitsfelder sind Vorträge, Lehrkurse, Beratungen, Verfassen von Artikeln und Lehrbüchern sowie verlegerische Tätigkeiten. Ein Teil dieser Personen verfügt über eine höhere Fachausbildung im medizinischen, naturwissenschaftlichen, psychologischen oder pädagogischen Bereich. Weitere 20 bis 40 Personen betreiben diese Tätigkeiten nebenberuflich.

In Deutschland wurde die öffentliche Verbreitung und Tätigkeit ab 1933 zunehmend schwierig, es gab Verbote, Beschlagnahmung, Büchervernichtung, Gefängnisstrafen etc.

Gegenwärtig stehen vermutlich 2 bis 4'000 Personen der Huterschen Psycho-Physiognomik nahe, namentlich in München, Nürnberg, Wiesbaden, Düsseldorf, Hannover und Hamburg, und in der deutschsprachigen Schweiz, hier vor allem in Basel, Zürich, Bern, Solothurn und Luzern.

Die im Jahre 2006 errichtete Carl-Huter-Stiftung mit Sitz in der Nähe von Zürich (Lachen, SZ) verbreitet die Huterschen Lehren und die Huterschen Schriften, insbesondere auf ihrer Internetsite.

Nachwirken / Resonanz in wissenschaftlichen Kreisen

Die Huterschen Lehren haben bisher bei akademischen Forschern und bei wissenschaftlichen Einrichtungen fast keine Beachtung gefunden. Wer in der deutsch- oder fremdsprachigen Fachliteratur nach dem Namen Carl Huter sucht, wird ihn nur mit größter Mühe finden.

In den Theorien einzelner Psychiater und Psychologen findet man punktuelle Einflüsse der Huterschen Psycho-Physiognomik:

  • Ernst Kretschmer (1888–1964) hat eine Dreitypentheorie geschaffen (1921), die eine Ähnlichkeit mit der Huterschen Naturelltypen-Lehre besitzt, die er in seinem Hauptwerk (V. Lehrbrief, 1906) erstmals ausführlich beschrieben hat.
  • Carl Gustav Jung (1875 – 1961) hat eine Theorie entwickelt, in denen er den Menschen nach introvertiert und extrovertiert klassiert (1921). Huter hat den Menschen in seinem Hauptwerk (V. Lehrbrief, 1906) erstmals in dieser Hinsicht typologisiert.

Zitate über Carl Huters praktische Arbeit

„Es handelt sich bei Herrn Huter um ein ganz aussergewöhnliches Denkergenie, das ausserdem über ein geradezu fabelhaftes Wissen verfügt. man muss die unfehlbare Sicherheit dieses Herrn in der physiognomischen Beurteilung wiederholt in ganz unanfechtbaren Fällen gesehen haben, um den Wert dieses eigenartigen Mannes und den Wert seiner ungeheuren Lebensarbeit richtig schätzen zu können.“

N. Quehl, Wiesbaden, 1899

„Ich hatte von Ihrer Psycho-Physiognomik gehört und wollte mich durch ein an mir selbst veranstaltetes Experiment davon überzeugen, ob es bei völliger Unbekanntheit mit der Person möglich ist, mit dieser Methode eine richtige Charakteristik zu erzielen. Zu diesem Zwecke musste ich Herrn Dr. N-H bitten, sich bei meiner Einführung eines Pseudonyms zu bedienen, da sonst der Zufall es hätte fügen können, dass Sie irgendetwas von meinen Schriften kennen und dadurch Anhaltspunkte besässen. Der Erfolg hat dieses Vorgehen gerechtfertigt. Denn die Charakteristik meiner wissenschaftlichen Tendenzen auf dem Grenzgebiet von Staatswissenschaften und Geschichte trifft so genau zu, dass ich, wenn ich jene Vorsicht nicht befolgt hätte, wohl mit Bestimmtheit hätte annehmen müssen, dass Ihnen mein Entwicklungsgang bekannt sei.“

Ignaz Jastrow, Privatdozent für Staatswissenschaften an der Universität Berlin, 1902

„Auf Grund eingehender Prüfung verschiedener wissenschaftlicher Arbeiten von Herrn Director Huter in Detmold über Krankenpflege, Hygiene und psycho-physiologische Naturheilkunde bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass Herr Huter sowohl in der Anatomie und Physiologie, als auch in der Chemie und Hygiene nebst Krankenpflege in vollstem Masse genügende theoretische und technische Kenntnisse besitzt, die ihn im hohen Grade befähigen, eine grössere Heilanstalt, Kuranstalt oder Krankenpensionat selbstständig und mit Erfolg zu leiten.“

Paczkowski, Spezialarzt für physikalisch-diätetische Therapie, Köln a. Rh., 1899

„Herr Carl Huter hat uns hier in Freiburg in Baden vor einem zahlreichen Publikum einen höchst interessanten Vortrag über seine durch Selbstforschung und scharfe Beobachtung gefundene Lehre über Psycho-Physiognomik gehalten, die er an verschiedenen Personen mit staunenswerter Correktheit demonstrierte, indem er nicht nur Charakterzüge, Neigungen, Krankheitsanlagen nachwies, sondern auch angab, welche Heilmethode und Ernährung den Betreffenden zusagt.“

Dr. med. Georg von Langsdorff, Freiburg, 1900

Psycho-Physiognomik heute

Bis heute gibt es weder eine plausible Theorie der Psycho-Physiognomik noch eine empirische Evidenz aus einer empirischen Studie, die beispielsweise den Zusammenhang zwischen der Größe der Ohrläppchen und dem wirtschaftlichen Erfolg der Ohrläppchenträger belegt. Stattdessen beschränken sich moderne Physiognomen darauf, den Zusammenhang einfach zu behaupten oder verweisen auf jahrhundertealtes Erfahrungswissen, welches oft in Tradition von Lavater oder Lombroso steht. So analysiert z. B. ein zeitgenössischer Psychophysiognom ausführlich den Schädel eines berühmten Rennfahrers und nimmt anschließend eine Interpretation vor, die wohl den meisten Lesern plausibel erscheinen wird: konzentriert, fleißig, willensstark etc. Im Rahmen der praktischen Anwendung der Psycho-Physiognomie, wie auch der verwandten Schädellehre, kommt als „Messinstrument“ allein das Augenmaß des Deuters zum Einsatz. Ob ein Ohrläppchen als groß, mittelgroß oder klein zu gelten hat, entscheidet er allein, ohne den Einsatz eines Maßbandes oder ähnlicher Hilfsmittel. Inwieweit z. B. die sieben Areale oberhalb eines Auges gewölbt oder flach sind, muss er selbst festlegen. Technische Apparaturen oder klare Vergleichsmodelle existieren nicht. Hinzu kommt, dass sich dutzende der Deutungspunkte unter der Kopfbehaarung verbergen und daher gar nicht in die Untersuchung einfließen können. Auch bleibt das Problem, wie die ungeheure Vielzahl der Einzelinformationen, die sich allein aus der Betrachtung von Augen, Nase, Ohren und Mund ergeben, zu einem diagnostischen Urteil integriert werden soll. Auch hierzu gibt es keinerlei verbindliche Regeln.

„Alles in allem erweist sich die Psycho-Physiognomik mithin als eine jahrhundertealte Glaubenslehre, die es bis heute nicht einmal geschafft hat, eine plausible, in sich schlüssige Theorie aufzustellen. An die Stelle empirischer Belege treten Behauptungen und Scheinbeweise.“

Uwe Kanning, Dipl.- Psych., Professor für Wirtschaftspsychologie an der Fachhochschule Osnabrück

Dennoch scheint die Psycho-Physiognomie in den letzten Jahren in Unternehmerkreisen und auch in Seminaren für Privatpersonen großen Aufwind bekommen zu haben.[3]

Publikationen

  • Aus Poesie und Liebe, 1894 (Gedichtband)
  • Der Wert von Ruhe und Schlaf, 1897
  • Die neueste Heilwissenschaft, 1898
  • Die Glocken aus dem Cheruskerwald, 1899 (Dichtungen)
  • Der Gebildete auf der Höhe, 1903
  • Menschenkenntnis, 1904–1906 (Hauptwerk in fünf Bänden)
  • Die Neue Ethik, 1907
  • Die Naturelllehre, 1907
  • Die Neue Weltanschauung, 1908
  • Das Empfindungsvermögen der Materie, 1909
  • Huter und Haeckel – Der Kampf zwischen zwei Weltanschauungen, 1910
  • Grundlegende Entdeckungen für die wissenschaftliche Psychophysiognomik, 1910
  • Illustriertes Handbuch der praktischen Menschenkenntnis, 1910
  • Aus eigener Kraft – Von Pinsel und Palette zur Naturwissenschaft und Philosophie, Psychophysiognomik und Kallisophie, 1911

Literatur

  • Amandus Kupfer: Memoiren aus dem Leben Carl Huters [Auf Grund persönlicher Erlebnisse, eigenhändiger Niederschriften und brieflicher Dokumente aus Huters Nachlaß wahrheitsgemäß als Urkunde niedergelegt]. Verlag der Original-Huterwerke, Schwaig bei Nürnberg 1928.
  • Amandus Kupfer (Hrsg.): Der gute Menschenkenner. Verlag für Carl Huters Werke, Schwaig bei Nürnberg. Illustrierte Zeitschrift erschienen 1932–1941, ab 1961 wieder aufgelegt von Siegfried Kupfer und Hermann Bürkler.

Weblinks

Wikisource: Carl Huter – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. a b Uwe Kanning: Jenseits aller Vernunft. Von Schädeldeutern und Scharlatanen der Psychodiagnostik. Hrsg.: Skeptiker. März 2010, S. 1–9.
  2. W. Alispach war der Leiter des Helioda-Instituts und -Verlags (Form und Geist) in Zürich, wo auch einige Werke von Amandus Kupfer erschienen.
  3. Florian Freistetter: Schädelkunde: Erfolg kommt mit der richtigen Form des Kopfes. In: derStandard.at. 18. März 2015 (derstandard.at [abgerufen am 6. Februar 2018]).

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Carl Huter (1861-1912)

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Heinde, Bust of Carl Huter