Camp Century

Camp Century (Grönland)
Bauplan
Reaktorbereich

Camp Century ist eine verlassene Militärbasis der Vereinigten Staaten in Grönland. Sie befindet sich 240 km östlich der US-amerikanischen Thule Air Base und wurde ab Ende 1958 im Rahmen des Projekts Project Iceworm errichtet.[1] Camp Century sollte einer von mehreren Standorten in Grönland für Abschussbasen von Atomraketen werden. „Tausende Kilometer Schienen sollten in Röhren unter’s Eis gebaut werden für Atomraketen und ein paar Hundert Startrampen“ für 600 Raketen mit Atomsprengköpfen, sagt der Historiker Kristian Hvidtfelt Nielsen von der Universität Aarhus.[2]

Die Basis besteht aus 21 Tunneln im Eis mit einer Gesamtlänge von 3000 m. Das Camp besaß einen Kernreaktor zur Energieversorgung. Die 0,5 Quadratkilometer große Anlage wurde 8 Meter unter Firneis gebaut und bekam unerwartete Probleme mit dem Fließen des Eises und dem Absinken des Abfalls wegen der entstandenen Abwärme bei Außentemperaturen von durchschnittlich minus 23 Grad Celsius. Die Station wurde 1966 aufgegeben. Zurückgelassen wurden die gesamte Infrastruktur in 21 Tunneln, mit zirka 9200 Tonnen Baumaterial, 200 m³ Diesel und polychlorierte Benzole (PCB), 240 m³ Abwasser und leicht radioaktivem Kühlwasser des Kernreaktors. Mitgenommen wurde nur der Kernreaktor. Die fast 10.000 Tonnen Müll liegen heute 30 bis 70 m unter der Oberfläche.

Dank ihres Verbindungsmanns und Spions Erik Jørgen-Jensen erhielt die dänische Regierung ab 1960 nähere Informationen über das Camp Century.[3] Der Öffentlichkeit wurde das Projekt erst 1997 bekannt.[4][5] Der kanadische Klimawissenschaftler William Colgan und der Glaziologe Horst Machguth von der Universität Zürich machten 2016 darauf aufmerksam, dass die Anlage infolge der Eisschmelze, die durch die globale Erwärmung verursacht wird, in 70 Jahren an die Eisoberfläche kommen und ins Nordpolarmeer fließen könnte. Es bestehe das Risiko, dass belastetes Schmelzwasser das Meer mit seinen Ökosystemen nachhaltig verschmutzen und schädigen könne. Sie veröffentlichten ihre Studie in den renommierten Geophysical Research Letters, die Beachtung fand und eine Debatte auslöste.[6][7][8] Um beim Camp Century das Klima genauer zu erforschen, gründete die dänische Regierung 2017 das Camp Century Climate Monitoring Programme.[9] Im Rahmen dieses Projekts fand im Sommer 2017 eine erste Expedition statt, bei der ein internationales Forscherteam verschiedene permanente Messstationen installierte.[10]

Paläoklima

2021 wurde eine Arbeit veröffentlicht, nach der die Gegend im frühen Pleistozän eisfrei war, zeitweise sogar besonders reich an Vegetation, und einer Tundra glich. Die Ergebnisse beruhen auf der Untersuchung eines Eisbohrkerns, der 1966 bei Camp Century genommen wurde. Dies bestätigt frühere Untersuchungen an Eisbohrkernen aus Zentralgrönland, wonach auch dort der Eisschild phasenweise verschwunden war. Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass der grönländische Eisschild im Pleistozän gänzlich oder zumindest in großen Teilen verschwunden war – und dafür, dass der Eisschild empfindlicher reagiert als bisher angenommen.[11][12]

Film

  • Peter Bardehle (Regie): Die Stadt unter dem Eis - Kalter Krieg auf Grönland. Dokumentation Deutschland, 2019, 53 Min. (Farbaufnahmen des US-Militärs aus der Bauphase. Darin geht es neben dem Bauprojekt im Gletschereis um die Kenntnisse der dänischen Regierung von den Hinterlassenschaften des US-Projekts in der sich bewegenden Eismasse. Interviewt werden u. a. Kristian Hvidtfelt Nielsen von der Universität Aarhus als Zeitzeuge und Aleqa Hammond, ehemalige Ministerpräsidentin Grönlands, Abgeordnete im dänischen Parlament (Folketing). Sie spricht dabei von Vertuschung (cover up).)
  • Der Film Secret Base Greenland Base of Project Iceworm schildert den Aufbau der Station.

Weblinks

Commons: Camp Century – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Elmer F. Clark: Technical Report 174: Camp Century Evolution of Concept and History of Design Construction and Performance bei dtic.mil (Oktober 1965; .pdf)
  2. Peter Bardehle (Buch und Regie): „Die Stadt unter dem Eis. Kalter Krieg auf Grönland“, Doku ZDF / VIDICOM2019; Zitat im Film bei 9 min:17 sec. Abgerufen am 9. Januar 2020.
  3. SWR Zeitgeschichte Sendung vom 30. April 2019
  4. Daniela Zeibig: Eisschmelze könnte Schadstoffe aus dem Kalten Krieg auftauen bei spektrum.de (5. August 2016)
  5. Klimawandel legt US-Militärbasis in Grönland frei im Focus (2. Oktober 2016)
  6. Martin Läubli: Die geheime Stadt im Eis. Die Eisschmelze in Grönland könnte ein vergessenes US-Nuklearprojekt zum Vorschein bringen. Der Zürcher Horst Machguth war bei der Untersuchung dabei und ist von der ausgelösten politischen Debatte überrascht. Tages-Anzeiger, Zürich 31. Oktober 2016, S. 40.
  7. https://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2016/Camp-Century.html
  8. William Colgan, Horst Machguth, Mike MacFerrin, Jeff D. Colgan, Dirk van As, Joseph A. MacGregor: The abandoned ice sheet base at Camp Century, Greenland, in a warming climate. In: Geophysical Research Letters. 43, 2016, S. 8091, doi:10.1002/2016GL069688.
  9. The Camp Century Climate Monitoring Programme bei campcenturyclimate.dk
  10. Österreichische Gletscherexperten bei Expedition zu verlassener US-Militärbasis in Grönland bei zamg.ac.at (19. September 2017)
  11. Grönland: Spuren einstiger Eisschmelze. 16. März 2021. Auf: wissenschaft.de (abgerufen: 2. April 2021)
  12. Andrew J. Christ, Paul R. Bierman u. a.: A multimillion-year-old record of Greenland vegetation and glacial history preserved in sediment beneath 1.4 km of ice at Camp Century. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 118, 2021, doi:10.1073/pnas.2021442118.


Koordinaten: 77° 10′ 0″ N, 61° 8′ 0″ W

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Autor/Urheber: Zygerth, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Derived from: Technical report 174 (PDF), fig. 26, p. 34 (in the public domain)

Camp Century Evolution of Concept and History of Design Construction and Performance, U.S. Army Materiel Command PDF

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