CXCR4

CXCR4
CXCR4
3D-Strukturmodell von CXCR4 mit dem Antagonisten IT1t

Vorhandene Strukturdaten: PDB 3OE9, PDB 3ODU, PDB 3OE0, PDB 3OE6, PDB 3OE8

Eigenschaften des menschlichen Proteins
Masse/Länge Primärstruktur352 AS; 39,7 kDa
Sekundär- bis Quartärstruktur7TM
Bezeichner
Gen-NamenCXCR4 , LESTR, Fusin, CD184
Externe IDs
Vorkommen
Übergeordnetes TaxonWirbeltiere

CXCR4 (kurz für CXC-Motiv-Chemokinrezeptor 4, auch Stromal cell-derived factor 1 receptor (SDF-1-Rezeptor), Fusin, Leukocyte-derived seven transmembrane domain receptor (LESTR), CD184) ist ein Rezeptorprotein aus der Familie der Chemokinrezeptoren. CXCR4 ist in vielen Zellen des blutbildenden Systems verbreitet und wird insbesondere von vielen Stammzellen und Tumorzellen exprimiert. Dieser Rezeptor wird durch das Chemokin CXCL12 und das Zytokin Makrophagenmigrationsinhibierender Faktor (MIF)[1] aktiviert. CXCR4 spielt eine Schlüsselrolle bei der Mobilisierung und zielgerichteten Wanderung von Stammzellen in ihre Speicher- (z. B. fötale Leber, Knochenmark) oder ihre Verwendungsorte bei der Bildung von Organen (Organogenese) sowie der Organ- und Wundheilung. Pathophysiologisch ist CXCR4 am Wachstum und an der metastatischen Streuung von Tumoren sowie an Entzündungsprozessen beteiligt. Darüber hinaus ist CXCR4 der primäre Co-Rezeptor für T-Zellen benutzende (T-trope) HI-Viren.

Vorkommen

Verglichen mit anderen Chemokinrezeptoren zeigt CXCR4 eine weite Verbreitung innerhalb des Organismus. Dieser Rezeptor kann innerhalb des blutbildenden Systems in neutrophilen Granulozyten, Monozyten, T-Lymphozyten, B-Lymphozyten, Prä-B-Zellen, dendritischen Zellen, und Makrophagen nachgewiesen werden. Besonders charakteristisch ist die Expression von CXCR4 auf CD34-positiven Vorläuferzellen. Darüber hinaus wird CXCR4 von Zellen des Blutgefäß-Endothels, des Zentralnervensystems und des Magen-Darm-Trakts gebildet. Auch die Mehrzahl aller Tumoren sind CXCR4-positiv.

Biochemie

Struktur

CXCR4 ist ein Transmembranprotein aus der Gruppe der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, das durch ein Gen auf dem Chromosom 2 Genlocus q21 codiert wird. Es sind zwei verschiedene Genprodukte bekannt, die durch alternatives Spleißen entstehen. Das primäre Produkt der Proteinbiosynthese hat eine molare Masse von etwa 40 kDa und unterliegt im Folgenden weiteren Modifizierungen, wie Glycosylierungen und Sulfatierungen. Neuere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass CXCR4 in dimerer oder oligomerer Form vorliegt. An diesen Komplexen können auch andere Rezeptoren beteiligt sein (Heterodimere oder -oligomere).

Mutationen

Für CXCR4 sind Mutationen beschrieben, die sich in einer Veränderung der Rezeptoreigenschaften äußern. Mutationen der codierenden DNA-Sequenz an den Positionen 1000 oder 1013 des Cxcr4-Gens führt zu einem verkürzten CXCR4-Protein, dem große Teile des intrazellulären C-Terminus des Rezeptors fehlen. Durch das Fehlen des C-Terminus verliert CXCR4 die Fähigkeit der Selbstregulation durch Internalisierung nach Aktivierung. Der Rezeptor kann somit dauerstimuliert werden. Diese seltene Mutation wird als eine mögliche Ursache des WHIM-Syndroms angesehen[2]. Natürlich vorkommende Rezeptor-inaktivierende Mutationen, wie beispielsweise für den Chemokinrezeptor CCR5 beschrieben, sind für CXCR4 nicht bekannt.

Rezeptoraktivierung

CXCR4 wird durch seinen Liganden CXCL12 aktiviert, wodurch der Rezeptor eine intrazelluläre Signaltransduktionskaskade startet. Die Bindung und Aktivierung von CXCL12 an CXCR4 wird als zweistufiger Prozess angenommen. In einem ersten Schritt bindet CXCL12 an den extrazellulären N-Terminus des Rezeptors. Daraufhin kann das N-terminale Ende des Chemokins in die Bindungstasche von CXCR4, welche innerhalb der Transmembrandomänen des Rezeptors liegt, eintauchen und ihn aktivieren.[3][4]

Nachfolgend aktiviert der stimulierte Rezeptor eine Signaltransduktionskaskade, an der unter anderen G-Proteine der Gi-Familie beteiligt sind.

Funktion

Stammzellmobilisierung und -verankerung

Die Hauptfunktion von CXCR4 ist die Steuerung der Wanderung von Stammzellen zu Quellen von CXCL12, wie beispielsweise Knochenmark, Lunge und Leber. Damit verbunden spielt CXCR4 auch eine entscheidende Rolle bei der Verankerung von Stammzellen an ihren Speicherorten und bei der Organogenese. Knockout-Mäuse, denen CXCR4 oder sein Ligand CXCL12 fehlt, sind auf Grund schwerer Organschäden nicht lebensfähig.[5][6][7] Nach der Geburt spielt CXCR4 eine wichtige Rolle bei der Angiogenese, bei der Wundheilung und bei der Reparatur von Organen.

Entzündungen

Eine vermehrte Synthese von CXCL12 in entzündeten Geweben und eine chemotaktische Wirkung auf CXCR4-exprimierende Lymphozyten wird mit einer Rolle bei entzündlichen Erkrankungen in Verbindung gebracht.

Krebs

Da die große Mehrheit aller Tumoren CXCR4 exprimieren, zeigt CXCL12 eine chemotaktische Wirkung auf die meisten Tumorzellen. Diese chemotaktische Wirkung ist eine der Hauptursachen für die Bildung von Metastasen, die insbesondere Orte mit hoher CXCL12-Produktionrate betreffen, speziell Knochenmark, Lunge und Leber. Darüber hinaus ist die CXCR4-CXCL12-Achse über eine Förderung der Angiogenese auch am Tumorwachstum beteiligt.

HIV

CXCR4 ist neben dem Chemokinrezeptor CCR5 der wichtigste Co-Rezeptor für das Andocken und Eindringen von HIV in menschliche Zellen. Für den körpereigenen CXCR4-Agonisten CXCL12 konnte eine hemmende Wirkung auf HI-Viren nachgewiesen werden. Diese wird auf eine CXCL12-induzierte Internalisierung von CXCR4 zurückgeführt.[8]

Pharmakologie

Dank seiner Rolle als HIV-Co-Rezeptor und seiner möglichen Beteiligung bei der Entstehung und/oder Ausbreitung von Krebs und entzündlichen Erkrankungen ist CXCR4 ein attraktives Ziel für die Entwicklung neuer Arzneimittel. Bereits zu Beginn der 1990er Jahre gelang dank eines Screenings nach HIV-hemmenden Substanzen die Entwicklung des selektiven CXCR4-Antagonisten und HIV-Blockers Plerixafor (AMD3100), noch bevor CXCR4 identifiziert und charakterisiert werden konnte. Plerixafor ist inzwischen als Arzneistoff zur Freisetzung von Stammzellen in die Blutbahn und anschließender autologer Stammzelltransplantation zugelassen. Weiterführende Entwicklungen führten zu Substanzen mit einer besseren Bioverfügbarkeit (z. B. AMD070). Unabhängig davon führte die Aufklärung der pharmakologischen Wirkung von Polyphemusin II der Pfeilschwanzkrebse zur Entwicklung selektiver peptidischer CXCR4-Antagonisten. Diese werden jedoch bisher noch nicht therapeutisch genutzt.

Bei Porphyromonas gingivalis, dem Markerkeim für schwere und aggressive Formen der Parodontitis, der damit für den Verlust von Zähnen verantwortlich ist, assoziieren sich die akzessorischen Fimbrien (Fim C, D, und E) mit den langen Fimbrien und spielen eine Rolle bei der Bindung an Matrixproteine des Wirts und der Wechselwirkung mit dem CXCR4. Experimentell konnte nachgewiesen werden, dass der Verlust der akzessorischen Fimbrien die Virulenz des Erregers deutlich abschwächt.[9]

Einzelnachweise

  1. J. Bernhagen, R. Krohn, H. Lue, J. L. Gregory, A. Zernecke, R. R. Koenen, M. Dewor, I. Georgiev, A. Schober, L. Leng, T. Kooistra, G. Fingerle-Rowson, P. Ghezzi, R. Kleemann, S. R. McColl, R. Bucala, M. J. Hickey, C. Weber: MIF is a noncognate ligand of CXC chemokine receptors in inflammatory and atherogenic cell recruitment. In: Nat. Med. 13. Jahrgang, Nr. 5, Mai 2007, S. 587–596, doi:10.1038/nm1567, PMID 17435771.
  2. Hernandez PA, Gorlin RJ, Lukens JN, et al: Mutations in the chemokine receptor gene CXCR4 are associated with WHIM syndrome, a combined immunodeficiency disease. In: Nat. Genet. 34. Jahrgang, Nr. 1, Mai 2003, S. 70–74, doi:10.1038/ng1149, PMID 12692554.
  3. Gupta SK, Pillarisetti K, Thomas RA, Aiyar N: Pharmacological evidence for complex and multiple site interaction of CXCR4 with SDF-1alpha: implications for development of selective CXCR4 antagonists. In: Immunology letters. 78. Jahrgang, Nr. 1, August 2001, S. 29–34, doi:10.1016/S0165-2478(01)00228-0, PMID 11470148.
  4. Crump MP, Gong JH, Loetscher P, et al: Solution structure and basis for functional activity of stromal cell-derived factor-1; dissociation of CXCR4 activation from binding and inhibition of HIV-1. In: The EMBO journal. 16. Jahrgang, Nr. 23, Dezember 1997, S. 6996–7007, doi:10.1093/emboj/16.23.6996, PMID 9384579, PMC 1170303 (freier Volltext).
  5. Ma Q. et al. Impaired B-lymphopoiesis, myelopoiesis, and derailed cerebellar neuron migration in CXCR4- and SDF-1-deficient mice. Proc. Natl. Acad. Sci. 95: 9448–9453, 1998.
  6. Nagasawa T. et al. Defects of B-cell lymphopoiesis and bone-marrow myelopoiesis in mice lacking the CXC chemokine PBSF/SDF-1. Nature 382: 635–637, 1996.
  7. Zou Y.R. et al. Function of the chemokine receptor CXCR4 in haematopoiesis and in cerebellar development. Nature 393: 595–599, 1998.
  8. Bleul C.C. et al. The lymphocyte chemoattractant SDF-1 is a ligand for LESTR/fusin and blocks HIV-1 entry. Nature 382: 829-833, 1996.
  9. D. L. Pierce, S. Nishiyama u. a.: Host adhesive activities and virulence of novel fimbrial proteins of Porphyromonas gingivalis. In: Infection and immunity. Band 77, Nummer 8, August 2009, S. 3294–3301, doi:10.1128/IAI.00262-09, PMID 19506009, PMC 2715668 (freier Volltext).

Auf dieser Seite verwendete Medien

3OE9 (CXCR4).png
Autor/Urheber: S. Jähnichen, Lizenz: CC BY-SA 3.0
3D structure model of the CXCR4 chemokine receptor in complex with the small molecule antagonist IT1t. The stucture model was rendered using PyMol 0.99 based on the X-ray crystal structure data from a CXCR4-T4 lysozyme fusion protein in complex with IT1t (PDB 3OE9; Wu B, Chien EY, Mol CD, et al. (October 2010). "Structures of the CXCR4 Chemokine GPCR with Small-Molecule and Cyclic Peptide Antagonists". Science. DOI:10.1126/science.1194396. PMID 20929726.).