Kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens

Klassifikation nach ICD-10
Q55.4[1]Sonstige angeborene Fehlbildungen des Ductus deferens, des Nebenhodens, der Vesiculae seminales und der Prostata
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Eine kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens (CBAVD, engl. congenital bilateral aplasia of vas deferens für ‚angeborenes beidseitiges Fehlen des Samenleiters‘; kurz auch CAVD für congenital aplasia of vas deferens) kann isoliert oder als eine milde Form der Mukoviszidose auftreten. Die Krankheit wird autosomal-rezessiv vererbt und durch eine Mutation im CFTR-Gen verursacht. Im Gegensatz zur klassischen Form der Mukoviszidose beschränkt sich das Krankheitsbild von CBAVD meist auf ein Fehlen der Samenleiter. Bei Patienten mit CBAVD verläuft die Bildung der Samenzellen im Hoden normal. Da jedoch die Samenleiter fehlen, können die im Hoden gebildeten Samenzellen nur bis in den Nebenhoden und nicht weiter nach außen gelangen.

Ursache

Bei CAVD kann nach Anzahl der defekten Samenleiter zwischen einer bilateralen (CBAVD) und einer unilateralen (CUAVD) Form unterschieden werden. Einer kongenitalen einseitigen oder beidseitigen Aplasie liegt in 75–90 % der Fälle eine Mutation im CFTR-Gen (cystic fibrosis transmembran conductance regulator) zugrunde. Menschen mit einer solchen Mutation weisen meist eine milde Form der Mukoviszidose (Zystische Fibrose) auf, bei der nur der Samenleiter betroffen ist. Ob eine Mutation zur Mukoviszidose oder zu CAVD führt hängt von der Schwere der Mutation in beiden Allelen ab.

Pathogenese

Man weiß noch nicht, wie eine CFTR-Mutation zum Fehlen des Samenleiters führt. Vermutlich wird während der fetalen Entwicklung eine Störung des Samenleiters verursacht. Bei untersuchten Föten mit CFTR-Mutation aus der 12. und 18. Schwangerschaftswoche wurden allerdings keine Anomalien bezüglich des Samenleiters festgestellt. Deswegen ist eher als Ursache eine Verstopfung der Kanäle durch zähflüssige Sekrete sehr wahrscheinlich.

Reproduktion

Betroffene mit einer genitalen Mukoviszidose sind Überträger der klassischen Form. Ihre Nachkommen haben ein erhöhtes Risiko an der Mukoviszidose zu erkranken. Deswegen sollte der Partner/die Partnerin auf eine mögliche CFTR-Mutation getestet werden. Ist der Test negativ, bleibt ein Restrisiko, da lediglich auf die häufigsten vorkommenden Mutationen getestet wird und die Testsensitivität nur 90 % beträgt.

Klinische Diagnostik

Eine CAVD kann mit Hilfe einer Spermauntersuchung nachgewiesen werden. Durch die CFTR-Mutation wird den Sekreten aufgrund des osmotischen Effekts Wasser entzogen. Dadurch hat das Sperma der CAVD-Patienten im Vergleich zur normalen Samenflüssigkeit einen niedrigeren pH-Wert, weniger Volumen und auch einen geringeren Fructoseanteil.

Behandlung

Eine operative Behandlung ist nicht möglich. Einem Kinderwunsch kann durch künstliche Befruchtung (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) nachgekommen werden.

Literatur

  • M. Claustres: Molecular pathology of the CFTR locus in male infertility. In: Reproductive biomedicine online. Band 10, Nummer 1, Januar 2005, S. 14–41, ISSN 1472-6483. PMID 15705292. (Review).
  • H. Cuppens, J. J. Cassiman: CFTR mutations and polymorphisms in male infertility. In: International journal of andrology. Band 27, Nummer 5, Oktober 2004, S. 251–256, ISSN 0105-6263. doi:10.1111/j.1365-2605.2004.00485.x. PMID 15379964. (Review).
  • G. Phillipson: Cystic fibrosis and reproduction. In: Reproduction, fertility, and development. Band 10, Nummer 1, 1998, S. 113–119, ISSN 1031-3613. PMID 9727601. (Review).
  • W. B. Guggino, B. A. Stanton: New insights into cystic fibrosis: molecular switches that regulate CFTR. In: Nature reviews. Molecular cell biology. Band 7, Nummer 6, Juni 2006, S. 426–436, ISSN 1471-0072. doi:10.1038/nrm1949. PMID 16723978.
  • T. Dörk, B. Dworniczak, C. Aulehla-Scholz, D. Wieczorek, I. Böhm, A. Mayerova, H.H. Seydewitz, E. Nieschlag, D. Meschede, J. Horst, H.J. Pander, H. Sperling, F. Ratjen, E. Passarge, J. Schmidtke, M. Stuhrmann: Distinct spectrum of CFTR gene mutations in congenital absence of vas deferens. In: Human genetics, Band 100, Nummer 3–4, September 1997, S. 365–377. doi:10.1007/s004390050518. PMID 9272157

Weblinks

Kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens. In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)

Einzelnachweise

  1. Alphabetisches Verzeichnis zur ICD-10-WHO Version 2019, Band 3. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Köln, 2019, S. 263