Burkart Lutz

Das Grab von Burkart Lutz auf dem evangelischen Laurentiusfriedhof in Halle

Burkart Lutz (* 27. Mai 1925 in München; † 17. Mai 2013 in Halle (Saale)) war ein deutscher Soziologe mit den Arbeits- und Forschungsschwerpunkten in der Industriesoziologie.

Leben

Im Zweiten Weltkrieg wurde Burkart Lutz zur Wehrmacht eingezogen. Ab 1947 war er, gemeinsam mit Theo Pirker, Siegfried Braun und Ernst Schumacher, einer der Hauptautoren der linkskatholischen Zeitung Ende und Anfang in Augsburg.[1]

Er promovierte 1958 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. zum Dr. phil., arbeitete als industriesoziologischer Forscher im Wirtschaftswissenschaftlichen Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sodann von 1954 bis 1965 in München als freiberuflicher Sozialforscher.

1965 bis 1990 war er Geschäftsführender Direktor des dortigen Institutes für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. 1967 erhielt er eine Honorarprofessur der Universität München. Er wurde 1990 Mitbegründer und Forschungsdirektor des Zentrums für Sozialforschung Halle an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Lutz war langjähriger Fachgutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft für empirische Sozialforschung (1971–1979) und für das erste industriesoziologische Schwerpunktprogramm in den 1970er Jahren. Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie wählte ihn, als ersten Nicht-Ordinarius, von 1983 bis 1986 zu ihrem Vorsitzenden.

Laut Ludwig von Friedeburg hat sich Lutz „in einem außerordentlichen Maß (...) um die Industriesoziologie im besonderen und die Soziologie in der Bundesrepublik im allgemeinen“ verdient gemacht.[2]

Lutz starb am 17. Mai 2013 nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 87 Jahren in Halle.[3]

Werk

Burkart Lutz’ wichtigste Arbeitsgebiete sind Technik und Arbeit, Mitbestimmung und Arbeitsmarkt, Aus- und Berufsbildung und soziale Wandel industrieller Gesellschaften.

Im Zusammenhang mit empirischen Forschungsarbeiten zur Arbeits- und Berufssoziologie entwickelte Lutz (1983) seine These von der „Abschlussinflationierung“ zur Kennzeichnung des „Prozesses der relativen Entwertung von Bildungseinrichtungen und -gängen, deren Mechanismen zur Zugangs- und Abgangsrationierung nicht mehr ausreichend gut funktionieren, so daß nunmehr lediglich notwendige Bedingung einer privilegierten gesellschaftlichen Position ist, was bisher hinreichende Bedingung war.“ Und 1988 bilanzierte Lutz, dass die bisherige Bildungs- und Qualifikationsoffensive mit ihrer Schlüsselforderung „Lernen lernen“ auf falschen Grundlagen beruhe, weil sie eine quasi naturgesetzliche Logik industrieller Entwicklung unterstellt habe. Diese Kritik(en) eröffneten mit ihrem Plädoyer für eine zukunfts- und reproduktionsfähige deutsche Gegenwartsgesellschaft die Perspektive einer erweiterten, subjektzentrierten Qualifikationssoziologie.

Auszeichnungen

  • 1997: Schader-Preis
  • 2000: Ehrendoktorwürde der Universität Halle
  • 2008: Ehrung für sein Lebenswerk auf dem 34. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Jena. Die Laudatio hielt Michael Schumann, der besonders auf die prognostischen Fähigkeiten des geehrten Gelehrten hinwies: So habe Lutz bereits in den 1980er Jahren ausweislich seines Buchtitels Der kurze Traum immerwährender Prosperität (von 1984) erkannt, dass die Nachkriegsprosperität des Kapitalismus eine Ausnahmesituation gewesen sei.
  • 2011: Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland[4]

Publikationen (Auswahl)

  • Zukunftsperspektiven der Berufsausbildung in den neuen Ländern und die Rolle der Bildungsträger, Halle: ZSH 2006
  • Personalmanagement und Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelständischen Unternehmen, Halle: ZSH 2005
  • Neue Aufgaben an der Schnittstelle von Ingenieur- und Sozialwissenschaften, Halle: ZSH 2002
  • Entwicklungsperspektiven von Arbeit, Berlin: Akademie-Verlag, 2001
  • Le mirage de la croissance marchande, Paris: Ed. de la Maison des Sciences de l'Homme 1990
  • Der kurze Traum immerwährender Prosperität, Frankfurt am Main; New York: Campus, 2. Auflage, 1989. Online (PDF; 12 MB)
  • Technik in Alltag und Arbeit, Berlin: Sigma, 1989
  • Expertensysteme und industrielle Facharbeit, Frankfurt am Main: Campus, 1989
  • Welche Qualifikationen brauchen wir? in: Jens Joachim Hesse (Hg.), Zukunftswissen und Bildungsperspektiven. Baden-Baden: Nomos, 1988 [=Forum Zukunft], S. 55–66
  • Technik und sozialer Wandel, Frankfurt am Main: Campus, 1987
  • Soziologie und gesellschaftliche Entwicklung, Frankfurt am Main: Campus, 1985
  • Der kurze Traum immerwährender Prosperität, Frankfurt am Main: Campus, 1984
  • Bildungsexpansion und soziale Ungleichheit; in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen: Otto Schwartz, 1983 [= „Soziale Welt“ Sonderheft 2], S. 221–245
  • Flexible Fertigungssysteme und Personalwirtschaft, Frankfurt am Main: Campus 1982
  • (mit Norbert Altmann), Betrieb, Technik, Arbeit, Frankfurt am Main: Campus, ²1978
  • Das Ende des graduierten Ingenieurs?, Frankfurt am Main/Köln: Europäische Verlagsanstalt, 1975
  • Arbeitsmarktstrukturen und öffentliche Arbeitsmarktpolitik, Göttingen: Schwartz, 1974
  • Überlegungen zur sozioökonomischen Rolle akademischer Qualifikation, Hannover: Hochschul-Informations-System, 1971
  • Zur Situation der Lehrlingsausbildung, Stuttgart: Klett, 1970
  • Mathematiker und Naturwissenschaftler an Gymnasien, München: Hanser, 1970
  • Der zwischenbetriebliche Arbeitsplatzwechsel, Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt, 1966
  • Technischer Fortschritt und Gesellschaft. In: Marianne Feuersenger (Hrsg.): Gibt es noch ein Proletariat? Dokumentation einer Sendereihe des Bayerischen Rundfunks. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1962, S. 44–54.

Übersetzungen

Aus dem Französischen:

  • Georges Friedmann: Der Mensch in der mechanisierten Produktion, Bund, Köln 1952
  • Jean Fourastié: Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts, Bund, Köln 1954
  • Georges Friedmann: Grenzen der Arbeitsteilung, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1959

Literatur über Burkart Lutz

  • ISF München (Hg.): 1965-1990 - Vorträge zum 25jährigen Bestehen des ISF und zum 65. Geburtstag von Burkart Lutz. München: ISF 1990. Online (PDF; 3,3 MB)
  • Zehn aus Achtzig - Burkart Lutz zum 80., Berlin: Berliner Debatte Verlag 2005
  • Eintrag Burkart Lutz, Der kurze Traum der immerwährenden Prosperität. In: Georg W. Oesterdiekhoff (Hg.): Lexikon der soziologischen Werke. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2001, S. 427f

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Doris von der Brelie-Lewien: Abendland und Sozialismus. In: Detlef Mehnert, Klaus Megerle (Hrsg.): Politische Teilkulturen zwischen Integration und Polarisierung. Westdeutscher Verlag, Opladen 1990, S. 199, 208.
  2. Ludwig von Friedeburg: Burkart Lutz unter den Soziologen der Bundesrepublik. In: Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (Hrsg.): Vorträge zum 25jährigen Bestehen des ISF und zum 65. Geburtstag von Burkart Lutz. ISF, München 1990, S. 37.
  3. Nachruf Burkart Lutz (Memento vom 21. Januar 2019 im Internet Archive) auf den Seiten der Universität Jena
  4. Ingo Wiekert: Burkart Lutz mit Bundesverdienstkreuz geehrt, Pressemitteilung des Zentrums für Sozialforschung Halle e. V. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in: Informationsdienst Wissenschaft vom 22. Februar 2011, abgerufen am 23. Februar 2011

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Autor/Urheber: Harvey Kneeslapper, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Das Grab des deutschen Soziologen Burkart Lutz auf dem evangelischen Laurentiusfriedhof in Halle.