Bundeszentralbehörde

Die Bundeszentralbehörde (auch Bundes-Zentralbehörde; bis 1838 Zentraluntersuchungsbehörde oder Zentral-Untersuchungsbehörde genannt) war eine Behörde des Deutschen Bundes. Sie hatte ihren Sitz in Frankfurt am Main und bestand von 1833 bis 1848, stellte ihre Tätigkeit aber bereits 1842 ein. Sie stand für die zweite Welle der Demagogenverfolgungen im Vormärz.[1]

Hintergrund und Aufgabe

Der Frankfurter Wachensturm (1833) führte zur Gründung der Bundeszentralbehörde
Der österreichische Staatskanzler Metternich als Initiator der Behörde

Nach den Karlsbader Beschlüssen war 1819 die Mainzer Zentraluntersuchungskommission entstanden. Zu Beginn der 1830er Jahre kam es im Gefolge der Julirevolution auch im Gebiet des deutschen Bundes zur Wiederbelebung der liberal und national orientierten Oppositionsbewegung. Besonders das Hambacher Fest (1832) und der Frankfurter Wachensturm (1833) waren für die Regierungen der Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes und die Bundesversammlung Anlass, die politische Repression wieder zu verstärken, die nach dem Höhepunkt der Demagogenverfolgung nach der ersten Hälfte der 1820er Jahre allmählich nachgelassen hatte. Der österreichische Staatskanzler Metternich gab den Kurs mit seiner Äußerung vor: „Wir werden in Deutschland zum Zuschlagen kommen.“[2] In der Folge wurde das gemeinsame Vorgehen gegen die Opposition der beiden Großmächte Preußen und Österreich koordiniert. Selbst aus den konstitutionellen südwestdeutschen Staaten kamen Forderungen nach einer besseren Zusammenarbeit der Polizeibehörden über einzelstaatliche Grenzen hinweg. Außerhalb der Bundesorgane bildete sich 1832 ein südwestdeutscher „Sicherheitsverein“ aus Vertretern Badens, Hessen-Darmstadts und Württembergs. Kurz darauf wurde auch der Bundestag aktiv und erließ am 5. Juli 1832 das sogenannte Maßregelgesetz. Dieses führte strengere Zensurmaßnahmen gegen die Presse ein, Verbot alle politischen Vereine und Parteien sowie alle entsprechenden Symbole. Hinzu kamen Bestimmungen, die sich gegen die Abgeordneten in den Landesparlamenten richteten. Noch verschärft wurden diese Beschlüsse durch die Beratungen der Wiener Ministerkonferenzen von Januar bis Juli 1834. Ihr Ergebnis waren die „Wiener Geheimen Sechzig Artikel,“ die so brisant waren, dass sie die Bundesversammlung nur teilweise veröffentlichen ließ.

Zur Umsetzung der Beschlüsse der Bundesversammlung und der Ministerkonferenz wurden in den Einzelstaaten die politische Polizei ausgebaut und in Frankfurt im Juni 1833 die Zentraluntersuchungsbehörde eingerichtet. Anlass war der Frankfurter Wachensturm am 3. April 1833, den sie untersuchen sollte. Sie bestand aus fünf Richtern und ihren Ministerialreferenten, die die fünf Mitgliedstaaten entsandten: das Kaisertum Österreich, die Königreiche Preußen, Bayern und Württemberg und das Großherzogtum Hessen.[3] Die Behörde hatte die Aufgabe „die näheren Umstände, dem Umfang in den Zusammenhang des gegen den Bestand des Bundes und gegen die öffentliche Ordnung in Deutschland gerichteten Komplott“ aufzudecken.[4] Die Einrichtung war kein Gericht, sondern eine staatspolizeiliche Verfolgungsbehörde, die vor allem Informationen über Oppositionelle sammelte und sie zur Verhaftung und Aburteilung an die Einzelstaaten weiterleitete. Umgekehrt erhielt sie Informationen von den Gerichten in den Bundesstaaten und gewann so ein Gesamtbild der politischen Situation. Kein politisches Landesgerichtsverfahren in den Einzelstaaten konnte beendet werden, bevor sie nicht das Ergebnis ihrer Ermittlungen nach Frankfurt weitergemeldet hatte. Untersuchungshäftlinge durften nicht auf freien Fuß gesetzt werden, ehe die Zentraluntersuchungsbehörde selbst ihre Ermittlungen eingestellt hatte.

Im Streit um die Vorherrschaft in Deutschland war sie bald ein Zankapfel unter den beteiligten Staaten. Bereits 1835 versuchten das Großherzogtum Baden, dann auch Bayern und Hessen-Darmstadt, die zu teure Behörde wieder aufzulösen. Metternich schlug stattdessen die Einrichtung eines Zentralinformationsbüros nach dem Mainzer Muster vor. Die Pläne scheiterten am Einspruch Preußens, das die Arbeit der Behörde noch nicht als erledigt ansah, und am Attentat auf den französischen König Louis-Philippe I. am 28. Juli 1835.

1836 versuchte Badens neuer Außenminister Friedrich von Blittersdorf statt der Behörde eine zentrale Bundespolizei einzurichten. Metternich stimmte zu, scheiterte aber wieder an der Ablehnung Preußens. 1838 warb Metternich für eine „Justizkommission“; im Grunde aber hatte sein Lieblingsprojekt nur einen neuen Namen bekommen. Preußen stimmte in der Hoffnung zu, bei der auf drei Amtsträger verkleinerten Behörde mit Österreich den Ton angeben zu können. Hingegen hatte sich Bayern bereits 1837 gegen jede Veränderung an der Behörde gestellt; aus Furcht vor Ausgrenzung blockierte es die Initiative.

Preußens neuer (liberalerer) König Friedrich Wilhelm IV. schränkte 1840 die Demagogenverfolgung ein und erließ im August 1840 eine Kabinettsorder, die Behörde schnellstmöglich aufzulösen. Österreich war gegen die Auflösung, weil die Umtriebe fortbestünden und sich eine nur vertagte Behörde im Bedarfsfall schnell wieder einrichten ließe. Die Bundesversammlung entschied zwei Jahre später zu Gunsten Österreichs. Die Bundeszentralbehörde wurde im August 1842 vertagt, blieb formell aber bis 1848 erhalten.[3]

Bekannte Personen

Präsident Adolf Pratobevera von Wiesborn

Das Präsidium lag für die ganze Dauer der Behörde bei Österreich. Die beiden Präsidenten waren:

  • 1833–1838: Friedrich Moritz von Wagemann (1778–1855)
  • 1838–1842: Adolf Pratobevera von Wiesborn (1806–1875)

Aus den Ländern entsandte Richter der Bundeszentralbehörde, sog. Demagogenverfolger:

  • Bayern
    • 1833–1838: Arnold von Heinrichsen († 1838)
    • 1838–1842: Oberappellationsgerichtsrat von der Becke (Schwiegersohn von Sebastian von Schrenck)
  • Hessen:
    • 1833: Karl von Preuschen (1781–1856)
    • 1833–18??: Oberappellations- und Kassationsgerichtsrat von Hombergk
Kommissar Franz August Eichmann
  • Preußen:
    • 1833–1835: Franz August Eichmann (1793–1879), Kommissar
    • 1835–1838: Kammergerichtsrat Matthis
    • 1838–1840: Heinrich von Strampff (1800–1879)
    • 1840–1842: Kammergerichtsrat von Brauchitsch
  • Württemberg:

Weitere Personen, die in der Bundeszentralbehörde gearbeitet haben:

Nachlass

Erhalten sind 315 Sitzungsprotokolle mit über 7.300 Paragraphen und das Gesamtinkulpatenverzeichnis; das „Schwarze Buch“.

Das Schwarze Buch

Titelblatt des Schwarzen Buches

Das Schwarze Buch trägt den ausführlichen Titel Alphabetisches Verzeichnis derjenigen Personen, gegen welche nach den Acten der Centralbehörde bezüglich revolutionärer Umtriebe im Untersuchungswege eingeschritten worden ist. Abgeschlossen den 8. August 1838 durch die Bundes-Zentralbehörde in Frankfurt a. M., vervollständigt bis 5. Sept. 1842 und wird im Bundesarchiv[5] aufbewahrt. Das Schwarze Buch erschien 1838 und umfasst mit seinem Nachtrag (1842) insgesamt 2.140 Personen, die von 1830 bis 1842 wegen politischer Vergehen gerichtlich in Erscheinung getreten waren. Das Verzeichnis ging nie in den praktischen Gebrauch der Polizeibehörden über.[3]

Unter jeder Nummer wurden festgehalten: Namen und Stand, Alter, Geburtsort, Aufenthaltsort, Verhaftung, Untersuchungsbehörde, Gegenstand sowie Lage der Untersuchung.

Eintrag Nr. 1455: Der verfolgte Friedrich Schlutter war wegen seiner Teilnahme an der Jenaer Burschenschaft auf der Flucht.
Eintrag Nr. 209: Der Tod des Revolutionärs Georg Büchner in Zürich 1837 wurde festgehalten.

Bekannte Personen mit Eintrag im Schwarzen Buch (Auswahl):

Literatur

  • Wolfram Siemann: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806–1871. München, 1995. S. 349–353
  • Leopold Friedrich Ilse: Geschichte der politischen Untersuchungen, welche durch die neben der Bundesversammlung errichteten Commissionen, der Central-Untersuchungs-Kommission zu Mainz und der Bundes-Central-Behörde zu Frankfurt in den Jahren 1819 bis 1827 und 1833 bis 1842 geführt sind. Frankfurt am Main 1860.
  • Heinz F. Friederichs: Das „Schwarze Buch“ der Bundes-Zentralbehörde über revolutionäre Umtriebe 1838–42, in: Hessische Familienkunde, Bd. 1, 1948.
  • Theodor Adolf Löw: Die Frankfurter Bundeszentralbehörde von 1833–1842. Gelnhausen 1933 (Zugleich Dissertation an Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main 1931).
  • Werner Kowalski: Vom kleinbürgerlichen Demokratismus zum Kommunismus, Bd. 2: Die Hauptberichte der Bundeszentralbehörde in Frankfurt am Main von 1838 bis 1842 über die deutsche revolutionäre Bewegung. Topos Ruggell, Vaduz 1978, ISBN 978-3-289-00161-6 (= Archivalische Forschungen zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Band 5/2 GoogleBooks).
  • Manuel Kuck: Die Frankfurter Bundeszentralbehörde 1833–1842. Eine Ermittlungsbehörde zwischen deutscher Gründlichkeit und zwischenstaatlichem Ränkespiel. aventinus nova Nr. 14 (Winter 2009), in: aventinus, URL: [1] (abgerufen am 10. August 2012)
  • Jürgen Angelow: Der Deutsche Bund. Darmstadt, 2003, S. 49–51
  • Edgar Süss: Die Pfälzer im 'Schwarzen Buch' : ein personengeschichtlicher Beitrag zur Geschichte des Hambacher Festes, des frühen pfälzischen und deutschen Liberalismus. Winter, Heidelberg 1956, urn:nbn:de:0128-1-49634.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Harald Lönnecker (2011)
  2. zit. nach Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 349.
  3. a b c M. Kuck, 2009
  4. zit. nach Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 351.
  5. Das Schwarze Buch digitalisiert im Bundesarchiv.

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