Bundesverwaltungsgericht (Deutschland)

Deutschland
Bundesverwaltungsgericht
— BVerwG —p1
Staatliche EbeneBund
StellungOberster Gerichtshof des Bundes
Aufsichts­organ(e)Bundesministerium der Justiz
Bestehenseit 1952 (BGBl. I S. 625, 635)
HauptsitzLeipzig
LeitungAndreas Korbmacher (Präsident)
Susanne Rublack (Vizepräsidentin)
Websitewww.bverwg.de
Reichsgerichtsgebäude (2024)
Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
Wandelhalle im Bundesverwaltungsgericht Leipzig
Sitzungssaal des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art (Verwaltungsgerichtsbarkeit)[1] und neben dem Bundesarbeitsgericht, Bundesgerichtshof, Bundesfinanzhof und Bundessozialgericht einer der fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes.[2][3] Es hat seinen Sitz im Gebäude des ehemaligen Reichsgerichts in Leipzig.

Als Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht wie der Bundesfinanzhof und der Bundesgerichtshof dem Portefeuille des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) unterstellt und unterliegt dessen allgemeiner Dienstaufsicht. In seiner Tätigkeit als Gericht ist es jedoch unabhängig.

Geschichte

Das Bundesverwaltungsgericht wurde aufgrund von Art. 95 Abs. 1 GG durch Gesetz vom 23. September 1952 (BGBl. I S. 625) errichtet. Der Sitz des Bundesverwaltungsgerichts war zunächst Berlin. Seit dem 8. Juni 1953 war das Bundesverwaltungsgericht in den früheren Räumen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts untergebracht. Die Entscheidung für Berlin als Dienstsitz war unter den Besatzungsmächten umstritten; insbesondere die Sowjetunion stand dem ablehnend gegenüber. Dies hatte zur Folge, dass mit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik die Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts nach München umziehen mussten. Seit dem Umzug des Bundesverwaltungsgerichts von Berlin nach Leipzig in das Reichsgerichtsgebäude residieren auch sie in Leipzig.

Leipzig wurde durch Gesetz vom 21. November 1997 als neuer Sitz des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt. § 2 der Verwaltungsgerichtsordnung wurde entsprechend geändert. Der offizielle Tag des Sitzwechsels des Bundesverwaltungsgerichts von Berlin nach Leipzig und der Wehrdienstsenate von München nach Leipzig wurde durch die Bundesministerin der Justiz durch Rechtsverordnung vom 24. Juni 2002 auf den 26. August 2002 festgelegt.[4] Das jüngste Kapitel in der Geschichte des Bundesverwaltungsgerichts ist somit mit der Nutzung des einstigen Reichsgerichtsgebäudes in Leipzig verbunden – es begann offiziell mit der feierlichen Einweihung des Gebäudes als Bundesverwaltungsgericht am 12. September 2002.[5]

Gerichtsorganisation und Spruchkörper

Gerichtsorganisation des Bundesverwaltungsgerichts (vor Abschaffung des Disziplinarsenats 2015)

Beim Bundesverwaltungsgericht sind derzeit 14 Senate eingerichtet: elf Revisionssenate, zwei Wehrdienstsenate und ein Fachsenat (zu letzterem: § 189 i. V. m. § 99 Abs. 2 VwGO). Früher existierten zudem drei Disziplinarsenate, die 1971, 2004 und 2015 aufgelöst wurden. Bei den Revisionssenaten sind fünf bis sieben Berufsrichter eingesetzt; Entscheidungen ergehen in der Besetzung von fünf Richtern, bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung in der Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 VwGO). Bei den Wehrdienstsenaten sind drei Berufsrichter eingesetzt; sie entscheiden im Falle mündlicher Verhandlung unter Hinzuziehung zweier ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Bundeswehr. Beim Fachsenat sind, parallel zu ihrer Zugehörigkeit zu einem der anderen Senate, vier Berufsrichter eingesetzt; er entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern. Am Bundesverwaltungsgericht sind insgesamt 59 Berufsrichter planmäßig tätig.

Vor 1971 gab es nur zwei Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht, Charlotte Schmitt (1953) und Pauline Hopf (1967). 2013 standen 25 Frauen 247 Männern gegenüber.[6] Im Februar 2024 waren am Bundesverwaltungsgericht 23 Bundesrichterinnen und 36 Bundesrichter tätig.[7]

Die Geschäftsverteilung und Besetzung der 14 Senate bestimmt sich nach dem gültigen Geschäftsverteilungsplan. Derzeit (Stand Februar 2024)[8] bestehen im Groben folgende Zuständigkeiten:

I. Revisionssenate

II. Fachsenat nach § 189 VwGO: In-Camera-Verfahren

III. Wehrdienstsenate

IV. Großer Senat (§ 11 VwGO)

V. Güterichter im Sinne von § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 278 Abs. 5 Satz 1 ZPO

Verfahren

Das Bundesverwaltungsgericht wird hauptsächlich als Revisionsinstanz in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte (OVG), die in manchen Bundesländern „Verwaltungsgerichtshof“ heißen, tätig (§ 49 VwGO). Zu den Voraussetzungen – insbesondere die notwendige Zulassung der Revision durch das OVG oder das BVerwG – siehe §§ 132 ff. VwGO. In Ausnahmefällen wird auch eine Sprungrevision gegen das Urteil eines Verwaltungsgerichts direkt zum BVerwG zugelassen (§ 134 VwGO). Die erfolgreiche Revision setzt das Geltendmachen und Vorliegen eines (oder mehrerer) der in § 137 und § 138 VwGO genannten Revisionsgründe voraus.

Ausnahmsweise wird das Bundesverwaltungsgericht auch in der ersten, dann aber auch letzten Instanz tätig (§ 50 VwGO). Erste Instanz ist das Bundesverwaltungsgericht bei

Durch seine Wehrdienstsenate (1. und 2. Wehrdienstsenat) wird das Bundesverwaltungsgericht zudem als Berufungsgericht gegen Entscheidungen der Truppendienstgerichte tätig.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht herrscht Vertretungszwang (§ 67 VwGO), meist auch verkürzt als Anwaltszwang bezeichnet, was bedeutet, dass sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule (mit Befähigung zum Richteramt) vertreten lassen müssen.

Präsidenten und Vizepräsidenten

Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Nr.NameBeginn der AmtszeitEnde der Amtszeit
1Ludwig Frege (1884–1964)28. März 195331. Dezember 1954
2Hans Egidi (1890–1970)29. April 195530. Juni 1958
3Fritz Werner (1906–1969)18. Juli 195826. Dezember 1969
4Wolfgang Zeidler (1924–1987)15. Juni 19707. November 1975
5Walther Fürst (1912–2009)19. August 197629. Februar 1980
6Horst Sendler (1925–2006)1. März 198030. Juni 1991
7Everhardt Franßen (* 1937)1. Juli 199130. September 2002
8Eckart Hien (* 1942)1. Oktober 200231. Mai 2007
9Marion Eckertz-Höfer (* 1948)1. Juni 200731. Januar 2014
10Klaus Rennert (* 1955)1. Juli 201430. Juni 2021
11Andreas Korbmacher (* 1960)seit 8. September 2022[9]
Nr.NameBeginn der AmtszeitEnde der Amtszeit
1Helmut R. Külz (1903–1985)23. Dezember 197031. Juli 1971
2Walther Fürst (1912–2009)16. November 197118. August 1976
3Horst Sendler (1925–2006)19. August 197629. Februar 1980
4Johannes Oppenheimer (1918–2007)1. März 198031. Juli 1986
5Günter Zehner (1923–2002)1. August 198631. August 1990
6Otto Schlichter (1930–2011)1. September 199030. September 1993
7Ingeborg Franke (1935–2023)1. Oktober 199331. Mai 2000
8Eckart Hien (* 1942)22. Juni 200030. September 2002
9Marion Eckertz-Höfer (* 1948)1. Oktober 200231. Mai 2007
10Michael Hund (* 1946)1. Juni 200731. Oktober 2011
11Klaus Rennert (* 1955)21. November 201230. Juni 2014
12Josef Christ (* 1956)1. Juli 201430. November 2017
13Andreas Korbmacher (* 1960)22. Mai 2019[10]7. September 2022[11]
14Susanne Rublack (* 1962)seit 31. Januar 2023[12]

Amtstracht

Amtstracht

Die Amtstracht für die Richter, den Vertreter des Bundesinteresses und die Urkundsbeamten am Bundesverwaltungsgericht wurde mit der Anordnung des Bundespräsidenten über die Amtstracht bei dem Bundesverwaltungsgericht[13] festgelegt.

Die Amtstracht besteht aus einer Amtsrobe und einem Barett. Zur karmesinroten Robe wird eine breite weiße Halsbinde mit herabhängenden Enden getragen. Die Urkundsbeamten tragen eine einfache weiße Halsbinde. Der Besatz an der Amtsrobe und am Barett ist abhängig von der Funktion. Bei den Richtern ist der Besatz aus Samt, beim Vertreter des Bundesinteresses und den für ihn auftretenden Beamten ist der Besatz aus Seide und das Urkundspersonal trägt Roben mit Besatz aus Wollstoff. Am Barett trägt der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts drei Schnüre in Gold, der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht zwei Schnüre in Gold und der Richter am Bundesverwaltungsgericht zwei karmesinrote Schnüre in Seide. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht trägt am Barett drei Schnüre in Gold, die für ihn auftretenden Beamten eine karmesinrote Schnur in Seide.

Bibliothek

Das Bundesverwaltungsgericht verfügt über eine juristische, verwaltungsrechtliche Spezialbibliothek mit etwa 230.000 Bänden und etwa 390 laufenden Fachzeitschriften. Als Gerichtsbibliothek steht diese in erster Linie den Richtern und Mitarbeitern des Gerichts zur Verfügung. Darüber hinaus können auch ausgewählte Externe die Bibliothek im Rahmen der Benutzungsordnung die Bibliothek nutzen, wobei die Zahl der externen Benutzer stark begrenzt ist.[14]

Siehe auch

Literatur

Commons: Bundesverwaltungsgericht – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Viola Pettau: Verwaltungsgerichtsbarkeit. In: Website des Bundesverwaltungsgerichts. Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, abgerufen am 13. Dezember 2023.
  2. Linda Dietze: Die Bundesgerichte. In: Website des Bundesjustizministeriums (inkl. des Bundesopferbeauftragten). Bundesminister der Justiz, abgerufen am 13. Dezember 2023.
  3. Peter Frank, Waltraud Hakenberg, Christiane König et al. (Bearb.); Otto Model (Begründer des Werks) ; Carl Creifelds (Forts.): Staatsbürger-Taschenbuch: alles Wissenswerte über Europa, Staat, Verwaltung, Recht und Wirtschaft; mit zahlreichen Schaubildern. 33., neu bearb. Auflage. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-62769-9, S. 252.
  4. Die Bundesministerin der Justiz Däubler-Gmelin: Verordnung über den Zeitpunkt der Verlegung des Sitzes des Bundesverwaltungsgerichts von Berlin nach Leipzig vom 24. Juni 2002. In: Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 43, ausgegeben zu Bonn am 2. Juli 2002. Bundesministerium der Justiz, 24. Juni 2002, abgerufen am 5. Januar 2024.
  5. Vermerk im Impressum in: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.): Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Restaurierung und Umbau des ehemaligen Reichsgerichtsgebäudes. Leipzig 2002, DNB 965669998.
  6. Michael Stolleis: Hundertundfünfzig Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit. In: BDVR-Rundschreiben 4/2013. Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungs- richterinnen (BDVR), 2013, S. 180–218;184, abgerufen am 14. Mai 2022.
  7. Richter und Senate | Bundesverwaltungsgericht. Abgerufen am 14. Mai 2022.
  8. Geschäftsverteilungsplan des Bundesverwaltungsgerichts für das Geschäftsjahr 2019 Stand 2. September 2019 (PDF, 167 kB; abgerufen am 24. Oktober 2019).
  9. Pressemitteilung Nr. 57/2022 | Bundesverwaltungsgericht. Abgerufen am 8. September 2022.
  10. Pressemitteilung 22. Mai 2019. In: bverwg.de. Bundesverwaltungsgericht, abgerufen am 22. Mai 2019.
  11. Pressemitteilung Nr. 57/2022 | Bundesverwaltungsgericht. Abgerufen am 8. September 2022.
  12. Pressemitteilung Nr. 10/2023 | Bundesverwaltungsgericht. Abgerufen am 12. Mai 2023.
  13. Text der Anordnung über die Amtstracht beim Bundesverwaltungsgericht (PDF; 21 kB).
  14. Hannes Berger: Der Zugang zu Gerichtsbibliotheken: Eine kulturrechtliche Untersuchung am Beispiel der obersten Gerichtshöfe des Bundes. In: Zeitschrift für Landesverfassungsrecht und Landesverwaltungsrecht (ZLVR) 2/2021, S. 34–45 (online).

Koordinaten: 51° 19′ 59″ N, 12° 22′ 11″ O

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Interne Gerichtsorganisation des Bundesverwaltungsgerichts

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