Bundesregierung Streeruwitz

Die Bundesregierung Streeruwitz war vom 4. Mai 1929 bis zum 25. September 1929 eine kurzlebige österreichische Bundesregierung.

Vorgeschichte

Die Umstände für eine neue Regierung waren nicht ideal: Österreich hatte einen der strengsten Winter hinter sich – in Innsbruck wurden am 12. Februar 1929 minus 31,5 Grad gemessen. Teilweise fielen Kohlelieferungen aus der Tschechoslowakei aus. Dazu kam die beginnende Weltwirtschaftskrise mit sprunghaft steigenden Arbeitslosenzahlen. In Wien stellte das Bundesheer auf der Straße mobile Suppenküchen auf.[1]

Nach dem Rücktritt Ignaz Seipels am 3. April 1929 wurde vom Hauptausschuss des Nationalrates Ernst Streeruwitz mit der Bildung der Bundesregierung betraut.[2]

Mitglieder

AmtAmtsinhaberPartei
BundeskanzlerErnst StreeruwitzCSP
VizekanzlerVinzenz SchumyLBd
Bundesminister für JustizFranz SlamaGDVP
Bundesminister für UnterrichtEmmerich CzermakCSP
Bundesminister für soziale VerwaltungJosef ReschCSP
Bundesminister für FinanzenJohann Josef MittelbergerCSP
Bundesminister für Land- und ForstwirtschaftFlorian FödermayrCSP
Bundesminister für Handel und VerkehrHans SchürffGDVP
Bundesminister für das HeereswesenCarl VaugoinCSP

Wirken

Durch seine Ansage in der Regierungserklärung, den „Ausgleich schwebender Meinungsverschiedenheiten denjenigen“ zu überlassen, „die vom Volk gewählt sind“ (also den Parlamentsabgeordneten), macht sich Ernst Streeruwitz sofort die Heimwehr zum Gegner.[1]

Zu den Erfolgen der Regierung gehörte ein neues Mietengesetz, eine Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz und das Kleinrentnergesetz.[3][4][5] Bundeskanzler Streeruwitz verhandelte geschickt mit der sozialdemokratischen Opposition und war für seine zielorientierte und pragmatische Politik geschätzt.[6]

Eine blutige Auseinandersetzung im August 1929 zwischen dem sozialistischen Schutzbund und der zunehmend faschistisch eingestellten Heimwehr in Sankt Lorenzen im Mürztal veranlasste den Landbund, bei Bundeskanzler Streeruwitz eine Verfassungsreform zu fordern. Streeruwitz ging darauf ein und setzte ein Komitee ein, um einen Entwurf dafür zu erarbeiten.[7] Der Landeshauptmann von Tirol Franz Stump und der Bundesführer der Heimwehr Richard Steidle attackierten Streeruwitz, dass er dem „Marxismus“ gegenüber zu viel „Duldsamkeit“ gezeigt hätte. Die Heimwehren drohten den immer wieder angekündigten „Marsch auf Wien“ nun tatsächlich durchzuführen. Am 20. September erschien im Organ des niederösterreichischen Heimatschutzverbandes eine „letzte Warnung!“ Darin wurde vor einer Verwässerung der Verfassungsreform und vor „faulen Kompromissen mit den Marxisten“ gewarnt. Ein Putsch der Heimwehr stand im Raum, an den Börsen fielen die Kurse und ein Wertverfall der Währung war vorauszuahnen. Streeruwitz erklärte daraufhin am 25. September, in Anbetracht der politischen Situation die Verfassungsreform einer anderen Regierung zu überlassen und trat zurück. Als Nachfolger schlug er den Polizeipräsidenten Johann Schober vor.[8][9] Der Verfassungsentwurf wurde nach Überarbeitung durch die Bundesregierung Schober III Basis für die Verfassungsnovelle 1929.[7]

Streeruwitz wurde noch mit der Fortführung der Regierungsgeschäfte bis 26. September betraut, bevor Schober erneut Bundeskanzler wurde.

Einzelnachweise

  1. a b Hugo Portisch: Österreich I: Die unterschätzte Republik. Kremayr & Scheriau, Wien 1989, ISBN 978-3-218-00485-5, S. 340 f.
  2. Vor der Wahl der neuen Bundesregierung. In: Wiener Zeitung. Band 226, Nr. 104, 4. Mai 1929, S. 1 (Online auf ANNO – AustriaN Newspapers Online).
  3. Gesetz: Wohnbauförderungs- und Mietengesetz. In: BGBl. Nr. 200/1929. Wien 21. Juni 1929 (Online auf ALEX).
  4. Gesetz: XXIII. Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz. In: BGBl. Nr. 223/1929. Wien 16. Juli 1929 (Online auf ALEX).
  5. Gesetz: Kleinrentnergesetz. In: BGBl. Nr. 251/1929. Wien 26. Juni 1929 (Online auf ALEX).
  6. Robert Kriechbaumer, Hubert Weinberger, Franz Schausberger (Hrsg.): „Dieses Österreich retten“. Protokolle der Christlichsozialen Parteitage der Ersten Republik (= Schriftenreihe des Forschungsinstitutes für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek. Band 27). Böhlau, Wien 2006, ISBN 978-3-205-77378-8, S. 369 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. a b Dietrich Derbolav: Österreich, eine "halbpräsidentiale" Republik? In: Der Standard. 24. November 2016, abgerufen am 17. November 2017.
  8. Hugo Portisch: Österreich I: Die unterschätzte Republik. Kremayr & Scheriau, Wien 1989, ISBN 978-3-218-00485-5, S. 364 f.
  9. Streeruwitz zurückgetreten. Sein Nachfolger – Schober! In: Arbeiter-Zeitung. Band 42, Nr. 266, 26. September 1929, S. 1 (Online auf ANNO – AustriaN Newspapers Online).

Auf dieser Seite verwendete Medien

Austria Bundesadler.svg
Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.