Bundeskanzler (Schweiz)

Bundeskanzler
Amtierend
Viktor Rossi
seit dem 1. Januar 2024
Bundeskanzlei
AnredeHerr Bundeskanzler
AmtssitzBundeshaus
Vorsitzender vonBundeskanzlei
Amtszeit4 Jahre
StellvertreterVizekanzlerin Rachel Salzmann
Vizekanzler Andrea Arcidiacono
Letzte Wahl13. Dezember 2023
Ernennung durchBundesversammlung
Schaffung des Amtes1803
Erster AmtsinhaberJean-Marc Mousson
WebsiteBundeskanzler

Der Bundeskanzler ist der Kanzler der Schweizerischen Eidgenossenschaft und leitet die Bundeskanzlei. Der Bundeskanzler ist der Stabschef der Regierung (Bundesrat) und übernimmt für diese verschiedene Aufgaben. Anders als in den Nachbarländern Deutschland und Österreich ist der Bundeskanzler in der Schweiz nicht der Regierungschef – eine Funktion, die es im politischen System der Schweiz nicht gibt bzw. vom Bundesrat als Kollegium wahrgenommen wird. Der amtierende Bundeskanzler ist seit dem 1. Januar 2024 Viktor Rossi.

Dem Bundeskanzler stehen zwei Vizekanzler zur Seite, wobei einer der beiden Vizekanzler zugleich die Funktion des Bundesratssprechers ausübt. Dies sind seit dem 1. Juli 2024 Vizekanzlerin Rachel Salzmann sowie seit dem 1. Oktober 2024 Andrea Arcidiacono, der nach dem Tod von André Simonazzi zum Vizekanzler und Bundesratssprecher gewählt wurde.[1]

Wahl

Der Bundeskanzler wird durch die Vereinigte Bundesversammlung (Parlament) jeweils für die Dauer von vier Jahren gewählt. Die Wahl erfolgt jeweils am selben Tag wie die Gesamterneuerungswahl des Bundesrates, wobei es bei einem vorzeitigen Rücktritt auch in der Zwischenzeit zu einer Neuwahl kommen kann. Stellt sich ein amtierender Bundeskanzler zur Wiederwahl, wird er üblicherweise wiedergewählt – zu einer Abwahl (wie die Nichtwiederwahl umgangssprachlich genannt wird) ist es in der Geschichte des Bundesstaates bislang nicht gekommen.

Der Bundeskanzler ist, wie die Bundesräte, eine sogenannte Magistratsperson[2] und ist damit, anders als etwa die Vizekanzler, die Staatssekretäre oder die Direktoren der Bundesämter, kein Bundesangestellter.

Die Vizekanzler werden nicht durch das Parlament gewählt, sondern durch den Bundesrat ernannt.

Funktion und Kompetenz

Der Bundeskanzler nimmt in seiner Funktion zusammen mit den beiden Vizekanzlern an den wöchentlichen Sitzungen des Bundesrates, der Schweizer Landesregierung, teil. Er hat dabei eine beratende Stimme und kann Anträge stellen. Der Bundeskanzler gilt als Stabschef der Regierung und wird aufgrund seiner bedeutenden Stellung umgangssprachlich zuweilen als «achter Bundesrat» (der Bundesrat besteht aus sieben Mitgliedern) bezeichnet.[3]

In der schweizerischen Konkordanzdemokratie, in der seit den 1940er Jahren in der Regel alle grossen Parteien in der Regierung vertreten sind, nimmt der Bundeskanzler eine überparteiliche Funktion wahr. Die Bundeskanzler sind zwar Mitglieder einer politischen Partei, haben aber vor ihrer Wahl üblicherweise keine wichtigen parteipolitischen Funktionen ausgeübt (auch nicht als Mitglieder des eidgenössischen Parlaments), sondern waren als Chefbeamte in der Bundesverwaltung tätig.

Der Bundeskanzler unterstützt den Bundesrat und insbesondere den amtierenden Bundespräsidenten in der täglichen Arbeit. Die beiden Vizekanzler unterstützen den Kanzler bei dessen Arbeit, planen die Geschäfte des Bundesrates mit, nehmen an den Bundesratssitzungen teil und führen gemeinsam mit dem Kanzler die Bundeskanzlei.

Die Besoldung des Bundeskanzlers ist in der Verordnung der Bundesversammlung über Besoldung und berufliche Vorsorge der Magistratspersonen mit 81,6 Prozent der Besoldung eines Mitgliedes des Bundesrates festgelegt und wird an die Teuerung angepasst.[4] Dies entspricht gegenwärtig rund 360'000 Franken.[5]

In der offiziellen protokollarischen Rangfolge der Schweiz steht der Bundeskanzler an der vierten Stelle.[6] Ihm gehen der Gesamtbundesrat (in der Rangfolge Bundespräsident, Vizepräsident des Bundesrates, übrige Mitglieder des Bundesrates sowie – gleichrangig mit dem Bundesrat, jedoch diesem nachgehend – der General der Schweizer Armee), der Nationalratspräsident sowie der Ständesratspräsident vor.[6]

Geschichte

Der Bundeskanzler ist die älteste, heute noch bestehende Institution der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Bereits 1803 beschloss die Tagsatzung, einen Eidgenössischen Kanzler einzusetzen, der mit der Gründung des Bundesstaates von 1848 zum Bundeskanzler wurde. Dem Kanzler zur Seite stand von Anfang an der Eidgenössische Staatsschreiber (seit 1852 Vizekanzler). Seit 1896 gibt es zudem einen zweiten Vizekanzler.

Amtsinhaber

JahreBundeskanzlerParteiKanton
1803–1830Jean-Marc MoussonparteilosKanton Waadt Waadt
1831–1847Josef Franz Karl AmrhynLiberaleKanton Luzern Luzern
1847–1848Albrecht Weyermann (interimistisch)LiberaleKanton Bern Bern
1848–1881Johann Ulrich SchiessLiberaleKanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden
1882–1909Gottlieb RingierFDPKanton Aargau Aargau
1910–1918Hans SchatzmannFDPKanton Aargau Aargau
1919–1925Adolf von SteigerFDPKanton Bern Bern
1925–1934Robert KäslinFDPKanton Nidwalden Nidwalden
1934–1943George BovetFDPKanton Neuenburg Neuenburg
1944–1951Oskar LeimgruberKVPKanton Freiburg Freiburg
1951–1967Charles OserFDPKanton Basel-Stadt Basel-Stadt
1968–1981Karl HuberCVPKanton St. Gallen St. Gallen
1981–1991Walter BuserSPKanton Solothurn Solothurn
1991–1999François CouchepinFDPKanton Wallis Wallis
2000–2007Annemarie Huber-HotzFDPKanton Zug Zug
2008–2015Corina CasanovaCVPKanton Graubünden Graubünden
2016–2023Walter ThurnherrCVP/Die MitteKanton Aargau Aargau
2024–Viktor RossiGLPKanton Bern Bern

Vizekanzler

Der Bundeskanzler wird durch zwei Vizekanzler unterstützt, die mehrere Abteilungen der Bundeskanzlei leiten. Von 1848 bis 1896 gab es einen Vizekanzler, seither sind es stets zwei.

JahreVizekanzlerParteiKanton
1848–1851Nikolaus von MoosLiberaleKanton Obwalden Obwalden
1852–1872Johann Jakob KernLiberaleKanton Zürich Zürich
1873–1878Johann Luzius Lüscher??
1879–1881Wilhelm GisiLiberaleKanton Solothurn Solothurn
1881–1909Hans SchatzmannFDPKanton Aargau Aargau
1896–1902Georges Wagnière?Kanton Waadt Waadt
1903–1910Charles-Joseph Gigandet?Kanton Bern Bern
1910–1918Heinrich DavidFDPKanton Basel-Stadt Basel-Stadt
1918Adolf von SteigerFDPKanton Bern Bern
1919–1925Robert KäslinFDPKanton Nidwalden Nidwalden
1919–1927Antoine ContatFDPKanton Wallis Wallis
1926–1943Oskar LeimgruberKVPKanton Freiburg Freiburg
1927–1934George BovetFDPKanton Neuenburg Neuenburg
1944–1951Charles OserFDPKanton Basel-Stadt Basel-Stadt
1946–1967Felix WeberFDPKanton Glarus Glarus
1968–1980Jean-Marc SauvantFDPKanton Neuenburg Neuenburg
1968–1981Walter BuserSPKanton Solothurn Solothurn
1981–1991François CouchepinFDPKanton Wallis Wallis
1981–2005Achille CasanovaCVPKanton Tessin Tessin
1991–2005Hanna Muralt MüllerSPKanton Bern Bern
2005–2009Oswald SiggSPKanton Zürich Zürich
2005–2007Corina CasanovaCVPKanton Graubünden Graubünden
2008–2016Thomas HelblingFDPKanton Bern Bern
2009–2024André SimonazziSPKanton Wallis Wallis
2016–2019Jörg De BernardiSPKanton Tessin Tessin
2019–2023Viktor RossiGLPKanton Bern Bern
2024–Rachel SalzmannMitteKanton Wallis Wallis
2024–Andrea ArcidiaconoparteilosKanton Tessin Tessin

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Bundesrat wählt Andrea Arcidiacono zum Vizekanzler und Bundesratssprecher. In: www.admin.ch. Schweizerische Eidgenossenschaft, 20. September 2024, abgerufen am 20. September 2024.
  2. Art. 1 des Bundesgesetzes über Besoldung und berufliche Vorsorge der Magistratspersonen. Abgerufen am 7. August 2024.
  3. Iwan Städler: Bei der Wahl des «achten Bundesrats» kommt es zu einer Premiere. In: Tagesanzeiger. 7. Dezember 2023, abgerufen am 7. August 2024.
  4. Verordnung der Bundesversammlung über Besoldung und berufliche Vorsorge der Magistratspersonen. In: Fedlex - Die Publikationsplattform des Bundesrechts. Bundeskanzlei, 1. Januar 2002, abgerufen am 9. November 2023.
  5. Peter Siegenthaler: Was macht eigentlich der Schweizer Bundeskanzler? In: swissinfo.ch. 31. Dezember 2019, abgerufen am 9. November 2023.
  6. a b Protokollreglement der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Anhang (admin.ch [PDF; abgerufen am 7. August 2024]).

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