Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland

Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland
(BDAJ)
Rechtsformeingetragener Verein
Gründung1994
SitzKöln
VorsitzHelin Tufan, Deniz Kaşal
MitgliederRegionalverbände: Hessen und Nord, Landesverbände: Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern, 130 Mitgliedsvereine
Websitewww.bdaj.de
Bdaj akronym.png

Der Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland e. V. ist ein deutscher Kinder- und Jugendverband. Gleichzeitig ist der BDAJ die eigenständige Jugendorganisation der Alevitischen Gemeinde Deutschland und vertritt die Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen alevitischen Glaubens. Inhaltlich orientiert sich der BDAJ am humanistisch-sozialen Weltbild der Aleviten, das von Gleichberechtigung, Nächstenliebe, Gleichstellung der Geschlechter, Bildung und Wissenschaft geprägt ist.

Geschichte

Die Gründung des heutigen BDAJ erfolgte 1994 unter dem Namen AAGB – nach der türkischen Bezeichnung Almanya Alevi Gençler Birliği. Er war der erste von Migranten selbstorganisierte bundesweite Jugendverband, der in Deutschland die Eintragung in das Vereinsregister erreichte.[1] 2002 wurde der BDAJ als erster von Migranten getragener Anschlussverband[2] in den Deutschen Bundesjugendring aufgenommen. Als Vollmitglied des DBJR wurde der BDAJ auf der 83. Vollversammlung am 28. Oktober 2011 in Ludwigshafen einstimmig aufgenommen. Heute ist der BDAJ die größte Migrantenjugendselbstorganisation Deutschlands. Der Verband geht allerdings kritisch mit diesem Label um und strebt eine „Normalisierung“ in der öffentlichen Wahrnehmung seiner Arbeit an. Die wenigsten der aktuellen Mitglieder haben eine persönliche Migrationsgeschichte, sodass die geteilten Merkmale eher das Alevitentum und das Ehrenamt sind – nicht der so genannte Migrationshintergrund.[3]

Organisation

Die Bundesgeschäftsstelle des BDAJ befindet sich in Köln am Standort der Alevitischen Gemeinde Deutschland. Sie trägt den Namen „Hasret Gültekin Geschäftsstelle“ und ehrt damit den alevitischer Musiker und Saz-Spieler kurdischer Abstammung, der beim Sivas-Massaker ums Leben kamen. In Sivas fand am 2. Juli 1993 ein alevitisches Kulturfestival zu Ehren des Dichters Pir Sultan Abdal statt. Vor dem Madımak-Hotel, in dem alevitische Gäste logierten, versammelte sich eine Menschenmasse (die Zahl wird auf 20.000 Menschen geschätzt) und warf Brandsätze auf das Gebäude. Bei diesem Anschlag kamen 35 Menschen alevitischen Glaubens und zwei Mitarbeitende des Hotels ums Leben.

Der Verband ist Vollmitglied im

Mitglied ist der BDAJ in der

  • Arbeitsgemeinschaft Niedersächsischer Jugendarbeitsgemeinschaften (ANJ)
  • Landesjugendring Niedersachsen
  • im Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit

Der Verband umfasst deutschlandweit aktuell 130 Mitgliedsvereinigungen (Ortsjugenden). Neben dem Bundesverband existieren

  • die zwei eigenständig eingetragenen Regionalverbände Hessen und Norden und
  • die drei Landesverbände Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern.

Der Bundesvorstand besteht aus neun Mitgliedern, die bei der Bundeskonferenz (BuKo) auf zwei Jahre gewählt werden. Wählbar sind die Delegierten aus den Ortsjugenden bis 35 Jahren. Der aktuelle Bundesvorstand (LINK zur Webseite) wurde auf der Bundeskonferenz im November 2019 in Köln gewählt.

Der Bundesvorstand setzt sich zusammen aus:

  • zwei Bundesvorsitzenden (Doppelspitze: eine Frau/ein Mann)
  • Generalsekretär
  • stellv. Generalsekretär
  • Finanzvorstand
  • stellvertretendem Finanzvorstand

Dazu gesellen sich aktuell

  • ein Bildungsbeauftragter und
  • zwei Organisationsbeauftragte.

Außerdem gibt es auf Bundesebene die Schiedskommission sowie den Aufsichtsrat, die jeweils mit drei Personen besetzt sind.

Der BDAJ ist als gemeinnützig anerkannt. Der Bundesverband sowie alle Regional- und Landesverbände sind zudem anerkannte freie Träger der Jugendhilfe gemäß § 75 SGB VIII.

Grundsatzprogramm

Das Grundsatzprogramm des BDAJ definiert nicht nur das Selbstverständnis des Verbandes und seine Aufgabenbereiche in Deutschland. Auch die Haltung des Verbandes gegenüber der Türkei, Europa und weltpolitischen Themen wird hier formuliert.

Ziele

Die Ziele des BDAJ sind der Einsatz für ein gerechtes, solidarisches und friedliches Zusammenleben, die Unterstützung und Beratung sowie die Förderung junger Menschen (Schüler/Auszubildende/Studierende), der Erhalt und die Erforschung der alevitischen Lehre, der Einsatz für Menschenrechte, Gleichstellung von Frau und Mann, Freiheit aller Glaubensrichtungen, die Rechte unterdrückter Minderheiten, die Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und den Umweltschutz. Ziel ist es auch, Jugendliche zu kritischem Denken und Handeln sowie zur demokratischen Mitgestaltung aller gesellschaftlichen Lebensbereiche zu motivieren sowie die Interessen alevitischer Kinder, Jugendlicher und junger Menschen in der Gesellschaft zu vertreten und in politische Entscheidungsprozesse einzubringen. Ziel des Bundesvorstandes ist es, die notwendigen Rahmenbedingungen für Jugendarbeit in den Mitgliedsvereinen zu schaffen und diese bei der Gestaltung ihrer Jugendarbeit zu unterstützen.[5] Im Rahmen seiner Projekte arbeitet und kooperiert der BDAJ mit anderen Jugendverbänden, die sich ebenfalls für ein friedliches Zusammenleben aller in Deutschland Lebenden einsetzen.

Schutzkonzept „Prävention sexualisierter Gewalt“

Ziel des Schutzkonzepts zu Prävention sexualisierter Gewalt ist die Erarbeitung und Implementierung einheitlicher Präventionsstandards im BDAJ. Sie sollen Verbandsmitgliedern, die Grenzverletzungen beobachten oder erleben, Unterstützung bieten sowie eine Sensibilisierung für (sexualisierte) Gewalt fördern und die selbstkritische Betrachtung des BDAJ vorantreiben.

Aktivitäten

Der BDAJ ist fast ausschließlich ehrenamtlich organisiert und versteht sich als alevitisch-demokratischer Arbeiterjugendverband, der sowohl klassische als auch innovative Jugendarbeit leistet. Durchgeführt werden Projekte zum transkulturellen und interreligiösen Austausch wie auch kulturelle Veranstaltungen und Bildungsseminare. Das Angebot für die Qualifizierung von Ehrenamtlichen umfasst überwiegend Mentorenprogramme, Qualifikationsschulungen zur Jugendleitercard sowie Präventionsveranstaltungen und Sensibilisierungsarbeit zu den Themen Diskriminierung und Rassismus.

In den Ortsjugenden bilden Musik-, Gesangs- und schulischer Nachhilfeunterricht sowie Sportgruppen und gemeinsame Freizeitgestaltung zentrale Elemente der Verbandsarbeit. Im Rahmen seiner transkulturellen Ausrichtung führt der Verein auch Studienfahrten durch, unter anderem Gedenkstättenfahrten in das KZ Auschwitz-Birkenau und Dachau.

Schwerpunkt der Aktivitäten ist „das Leben der alevitischen (…) Jugendlichen in Deutschland“, daneben findet auch eine „Auseinandersetzung mit dem Alltag der in der Türkei oft unter prekären Lebensbedingungen lebenden (…) alevitischen Menschen“[6] statt.

Der BDAJ organisiert Bildungsseminare zu verschiedenen Themen (u. a. zur alevitischen Kultur, politischen und gesellschaftlichen Themen.), Podiumsdiskussionen und Jugendsendungen. Außerdem werden internationale Begegnungen mit anderen Jugendverbänden, Bildungsreisen sowie diverse Workshops für verschiedene Altersgruppen durchgeführt. Zudem werden Freizeitaktivitäten gefördert, dazu gehören Theateraufführungen und musikalische Darbietungen (Musikabende, Konzerte). In Kooperation mit dem Geistlichenrat der Alevitische Gemeinde Deutschland ging im September 2014 erstmals der Youtube-Channel aleviTV auf Sendung. In den Videos des alevitischen Jugendkanals nehmen sich Experten verschiedenen Fragen zum Alevitentum an und erläutern diese jugendtauglich.

Projekte

Tacheles – Klare Kante gegen Extremismus – Das Kooperationsprojekt der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands e.V. (KLJB) und dem Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland e.V. förderte im Zeitraum 2016 bis 2019 Projekte, die zu einer toleranten und weltoffenen Gesellschaft beitragen, insbesondere zum Themenbereich Extremismus und Antisemitismus. Diese Projekte konnten von BDAJ- und KLJB-Gruppen aller Ebenen sowie anderen interessierten Jugendgruppen eigenständig umgesetzt werden. Tacheles wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Von April 2015 bis September 2016 führte der BDAJ zusammen mit der Naturfreundejugend Deutschland das Projekt FreiRaumEroberung durch. Im Zentrum stand die Frage: Wo fangen wir an beim Wandel der Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit – sozial wie ökologisch? Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und das Umweltbundesamt (UBA) gefördert.

Arbeitsgemeinschaften

Seit 2014 gibt es beim BDAJ eine Arbeitsgemeinschaft Rainbow, die es sich zur Aufgabe genommen hat, homosexuelle, transsexuelle und intersexuelle Aleviten im Verbandswesen zu vertreten und dort aktiv und selbstbewusst hinsichtlich Genderthemen, Homo-, Trans- und Intersexualität aufzuklären.

JAF (Junge Alevitische Frauen) NRW ist eine Arbeitsgemeinschaft des BDAJ, die sich in erster Linie darum bemüht, das Selbstbewusstsein von jungen alevitischen Frauen in NRW zu stärken.

Die TUN (Tierschutz und Natur) Arbeitsgemeinschaft des BDAJ NRW ist eine auf alevitischen Werten basierende Arbeitsgemeinschaft, die zum einen erforscht, wie genau die Tierethik im Alevitentum definiert ist und zum anderen klären sie auf, wie defizitär die gesamte Gesellschaft im Umgang mit der Natur und ihren Folgen wie dem Klimawandel sind.

Ziel der bundesweiten AG Inklusion ist es, Menschen mit jeglicher Form der Behinderung Zugang zu den Räumlichkeiten der Alevitischen Gemeinden zu verschaffen und ihnen damit zu ermöglichen, an der Verbandsarbeit teilzunehmen. Dazu sollen einerseits die Gemeinden barrierefrei gestaltet werden. Andererseits betreibt die AG Inklusion auch Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit in Form von Seminaren und Workshops.

Ziel der Arbeitsgruppe Gesundheit ist es, die gesundheitliche Aufklärung in den eigenen Reihen als auch darüber hinaus fortzuentwickeln.

Austritt aus der Projektkommission „Forum Muslime und Christen“

Im Oktober 2020 hat der Bundesvorstand des Bundes der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland e.V. beschlossen, seiner Berufung in die Projektkommission „Forum Muslime und Christen“ zum Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt nicht nachzukommen und ist aus der Projektkommission ausgetreten. Grund dafür ist die Zusammensetzung der Projektkommission, die auch Vertreter des Zentralrats der Muslime in Deutschland und des Islamrates beinhaltet. Dabei geht es nicht um individuelle Mitglieder der Kommission, sondern um die Verbände und die entsprechenden abwertenden und menschenfeindlichen Ideologien, die sie vertreten. Von diesen Verbänden gehe eine Gefahr für Aleviten und andere Minderheiten in Deutschland aus.[7]

Mitarbeit im Deutschen Bundesjugendring (DBJR)

Die BDAJ-Bundesvorsitzende Özge Erdoğan wurde auf der 94. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) am 10. und 11. September 2021 in Magdeburg zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Bei den Vorstandswahlen stand ein Generationenwechsel an: Nur drei der amtierenden stellvertretenden Vorsitzenden hatten sich zur Wiederwahl gestellt. Von den neuen Kandidaten wurde Özge Erdoğan mit dem besten Ergebnis aller weiblichen Kandidaten auf ein Amt als stellvertretende Vorsitzende gewählt. Auf Initiative des BDAJ wurde auf der 88. DBJR-Vollversammlung am 30./31. Oktober 2015 in Heidelberg die Position „Perspektiven der Jugendverbände auf Erinnerungsarbeit, -kultur und – politik in der Einwanderungsgesellschaft“ beschlossen.

Bund der Alevitischen Studierenden in Deutschland (BDAS)

Der Bund der Alevitischen Studierenden in Deutschland (BDAS) wurde in Folge der 2010 gestarteten Hochschulgruppen-Initiative des BDAJ im Jahr 2013 in Kassel gegründet und ist eine Untergliederung des Bundes der Alevitischen Jugendlichen (BDAJ). Das Ziel der Initiative bestand darin, alevitische Studierende an Hochschulen zu organisieren, die bis dato nicht in alevitischen Strukturen organisiert waren, da sich entweder in ihrer Stadt kein alevitisches Cem-Haus befand oder sie erst während des Studiums ihr Interesse am alevitischen Glauben entdeckten. Von einer ursprünglichen Initiative hat sich der BDAS innerhalb kurzer Zeit zu einer selbstständigen Studierendenorganisation entwickelt.

Deutscher Engagementpreis

2010 erhielt der BDAJ hat mit seinem ehemaligen Bundesvorsitzenden Ali Dogan den Publikumspreis des Deutschen Engagementpreises.[8]

Siehe auch

Weblinks

Commons: Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sechster Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland. (PDF; 3,2 MB) Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, 2005, S. 94, abgerufen am 4. Februar 2009 (Bundestagsdrucksache 15/5826, Berlin).
  2. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Kinder- und Jugendpolitik, Kinder- und Jugendhilfe in der Bundesrepublik Deutschland, 2008, ISBN 978-3-924053-52-9, S. 318.
  3. Im Gespräch: Kristina Schröder. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Abgerufen am 23. Juni 2010.
  4. Hessischer Jugendring – Unsere Mitgliedsverbände (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
  5. Dirk Hänisch: Kinder- und Jugendpolitik, Kinder- und Jugendhilfe in der Bundesrepublik Deutschland. Hrsg.: IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. Bonn 2008, ISBN 978-3-924053-52-9, S. 318.
  6. Birgit Jagusch: Anerkennung von Selbstrepräsentation als Baustein der interkulturellen Öffnung. In: Überblick. Band 3/2006, 2006, ISSN 1611-9703, S. 9 (ida-nrw.de (Memento vom 14. Oktober 2007 im Internet Archive) [PDF; abgerufen am 4. Februar 2009]).
  7. Frederik Schindler: Kirchentag: Aleviten fühlen sich durch Islamverbände bedroht. In: DIE WELT. 26. Oktober 2020 (welt.de [abgerufen am 26. Januar 2022]).
  8. Deutscher Engagementpreis – Publikumspreis. Abgerufen am 9. Februar 2022.

Koordinaten: 51° 31′ 3,2″ N, 7° 28′ 14,2″ O

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