Buchschließe

Metallschließen: Band mit alchemistischen Abhandlungen (gebunden in Straßburg um 1568, Sammlung der Chemical Heritage Foundation, Philadelphia)
(c) Science History Institute, CC BY-SA 3.0
Metallschließen:
Band mit alchemistischen Abhandlungen (gebunden in Straßburg um 1568, Sammlung der Chemical Heritage Foundation, Philadelphia)
Lederschließen: Sachsenspiegel (Handschrift um 1385, Stadtbibliothek Duisburg)
Lederschließen:
Sachsenspiegel (Handschrift um 1385, Stadtbibliothek Duisburg)

Buchschließen sind lederne oder metallene Konstruktionselemente vor allem des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bucheinbands, die dazu dienten, den Buchblock vor dem Sperren und damit dem Eindringen von Staub und Licht zu schützen. Ebenso kann das Buch daran aus dem Regal gezogen werden, wenn der Rücken, wie im Mittelalter und teilweise der frühen Neuzeit üblich, nach hinten zeigt. Auch konnte damit ein Buch vor unberechtigter Einsichtnahme durch abschließbare Schließen beziehungsweise Schlösser,[1] im Buchdeckel untergebracht oder als Vorhängeschloss, geschützt werden.

Geschichte

Geschmiedete Schließe nach altem Vorbild
Geschmiedete Schließe nach altem Vorbild
Gesägte und gefeilte Schließe nach altem Muster
Gesägte und gefeilte Schließe nach altem Muster

Mittelalterliche Bucheinbände besaßen feste Rücken, das heißt, der Buchblock und das Einbandmaterial waren an dieser Stelle fest miteinander verbunden. Trotz des Gewichtes der hölzernen Buchdeckel ließ es sich nicht vermeiden, dass Einband und die meist immer noch pergamentenen Lagen eine Spannung aufbauten, die dazu führte, dass das liegend aufbewahrte Buch regelrecht aufklaffte. Als das Pergament durch Papier als Buchseiten ersetzt wurde, blieb die Notwendigkeit der Schließen weiterhin erhalten, da die sich leicht krümmenden Holzdeckel und die Zugkraft der Überzugsmaterialien stets die Neigung zum Aufsperren des Buches fördern. Die Buchschließen wurden daher aus der logischen Konsequenz entwickelt, einen entsprechenden Gegendruck durch ihre Zugkraft aufbauen zu müssen. Ebenso wie bei den Buchbeschlägen trat jedoch zur schützenden schnell auch eine schmückende Funktion.

Bis ins 16. Jahrhundert blieben die Schließen ein wesentlicher Bestandteil vieler Bücher. In Italien und Frankreich entwickelten sich zu dieser Zeit bereits Bucheinbände ohne Schließen, die in ihrer Gesamtgestaltung einen besonderen Ausdruck des gebildeten Bürgertums darstellten. Während in Mitteleuropa zwei Schließen am Vorderschnitt üblich waren, fügte man in Italien oder in von italienischem Einbandschaffen beeinflussten Regionen je eine zusätzliche an Kopf- und Fußschnitt hinzu. Die Möglichkeiten der Gestaltung von Schließen waren dabei vielfältig. Luxuseinbände wurden meist mit kostbar gearbeiteten Metallschließen verziert, die sich in ihrer Dekoration an den Beschlag anlehnten. Gebrauchseinbände hingegen wiesen meist schlichte Messingschließen mit Leder- oder Metallscharnieren auf, die, besonders aus Nürnberg kommend, in weiten Teilen des deutschsprachigen Kulturraums vertrieben wurden.

Mit dem Aufkommen von Pappdeckeln ging man dazu über, metallene Schließen gelegentlich durch Lederriemen oder Stoffbänder zu ersetzen. Aber diese Handhabe überlebte sich schnell. Die sich immer mehr durchsetzende stehende Lagerung der Bücher in Regalen ließ Schließen oder verwandte Elemente spätestens ab dem 17. Jahrhundert überflüssig werden. Zusammen mit den Beschlägen wurden sie zwecks einer rationelleren Aufbewahrung in der Neuzeit daher oft entfernt. Nur wenige Bücher wurden noch mit Schließen versehen, so etwa zur Mitnahme auf Reisen bestimmte Gebetbücher und Ähnliches; an vielen Büchern dieser Art, insbesondere aus der Zeit des Historismus, überwog zudem die Schmuckfunktion.

Schließen existieren heute nur noch in Ausnahmefällen zum Beispiel bei Tagebüchern. Hier steht eher der Schutz des Inhaltes vor unbefugter Rezeption und nicht der des Materials des Buchblocks im Vordergrund.

Varianten

Buchschließe als Knebelverschluss:
Codex Forster III, Notizbuch des Leonardo da Vinci im Originaleinband (um 1493–1496, Victoria and Albert Museum, London)

Die Einbandforschung unterscheidet sieben verschiedene Typen der Schließenkonstruktion:

  • Langriemenschließen aus Leder, die um das Buch herumgeführt und dort befestigt werden.
  • Als Variante der ersten Konstruktion: Langriemenschließen, die an übergreifenden Pergament- oder Lederklappen befestigt sind (üblich bei Kopert- oder Aktenbänden).
  • Leder- oder Pergamentriemen, die das Buch durch Umwickelung und Verknotung in sich selbst verschließen.
  • Leder- oder Pergamentbänder, die um auf dem Vorderdeckel oder Rücken befindliche Knöpfe geschlungen werden (besonders bei Koperten verbreitet).
  • Geflochtene Lederriemenschließen (Griechenland, Spanien und Italien)
  • Lederschließen mit Metallbeschlag oder Lederscharnier.
  • Metallschließen mit Metallscharnier.
  • Schließen mit Schloß

Literatur

  • Georg Adler: Handbuch Buchverschluss und Buchbeschlag : Terminologie und Geschichte im deutschsprachigen Raum, in den Niederlanden und Italien vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart. Wiesbaden : Reichert, 2010, ISBN 978-3-89500-752-1.
  • Claus Maywald: Die Buchverschlüsse, Buchbeschläge und sonstigen Metallteile am Buch. Die Terminologie. Wiegner, Königswinter 2005, ISBN 3-931775-10-0.
  • Eike Barbara Dürrfeld: Die Erforschung der Buchschließen und Buchbeschläge. Eine wissenschaftsgeschichtliche Analyse seit 1877. Dissertation, Mainz 2002, online (PDF; 12,8 MB).
  • Agnes Bettina Hokyong Scholla: Libri sine asseribus. Zur Einbandtechnik, Form und Inhalt mittelalterlicher Koperte des 8. bis 14. Jahrhunderts. Dissertation, Leiden 2001.
  • Otto Mazal: Einbandkunde. Die Geschichte des Bucheinbandes (= Elemente des Buch- und Bibliothekswesens 16). Ludwig Reichert Verlag, Wiesbaden 1997, ISBN 3-88226-888-3, S. 23.
  • J. Vezin: Buchschließen. In: Severin Corsten (Hrsg.): Lexikon des gesamten Buchwesens. Band 1: A – Buch. Hiersemann, Stuttgart 1987, ISBN 3-7772-8721-0, S. 633.
  • Hellmuth Helwig: Einführung in die Einbandkunde. Hiersemann, Stuttgart 1970, ISBN 3-7772-7008-3. S. 35f.
  • Roland Hartmann: Verschließbare Einbände des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Festschrift Otto Schäfer zum 75. Geburtstag am 29. Juni 1987, hg. von Manfred von Arnim, Stuttgart 1987, S. 427–436.
Commons: Buchschließe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Marco Heiles: Liste abschließbarer Handschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. 17. September 2016, abgerufen am 4. November 2016.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Sachsenspiegel.jpg
Autor/Urheber: Britta Lauer; Stadtbibliothek Duisburg, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Sachsenspiegel-Handschrift von 1385 (Schwesterhandschrift des Harffer Sachsenspiegels), Fotografiert von Britta Lauer
Leonardo da vinci, taccuino forster III, 1490 ca. 02.JPG
(c) I, Sailko, CC BY-SA 3.0
Leonardo da vinci, taccuino forster III, 1490 ca.
Sammelband CHF edge view.jpg
(c) Science History Institute, CC BY-SA 3.0
Sammelband containing Bernard of Trevisan, ϖερἰ χημείας opus historicum & dogmaticum (Strasbourg: Samuel Emmel, 1567); Zadith ben Hamuel (i.e., Muhammed ibn Umayl), De chemia senioris antiquissimi philosophi, libellus, ut brevis, ita artem discentibus, & exercentibus, utilissimus, & verè aureus (Strasbourg: Samuel Emmel, 1560); and Ars Chemica (Strasbourg: Samuel Emmel, 1566). The cover bears the date 1568.

Exquisite Sammelband of extremely rare alchemical treatises printed by Samuel Emmel.

This is the only copy of the first printing of Bernard of Trevisan in a North American library, and the earliest printed edition of the work of Zadith ben Hamuel, held in one other North American library. The Ars Chemica is noted for Isaac Newton’s many references to it. It is held in three other North American libraries.
Schliesse 1.jpg
Autor/Urheber:

D. Dornheim (Dagdor)

, Lizenz: CC-by-sa 2.0/de

Neu angefertigte, geschmiedete Schließe nach mittelalterlichem Vorbild.

Schliesse 2.jpg
Autor/Urheber:

D. Dornheim (Dagdor)

, Lizenz: CC-by-sa 2.0/de

Gesägte und gefeilte Schließe, gearbeitet nach einem mittelalterlichen Vorbild.