Buchli-Antrieb

Buchli-Gelenkhebelantrieb

Der Buchli-Antrieb ist ein nach seinem Erfinder, dem Schweizer Ingenieur Jakob Buchli, benannter Gelenkantrieb zwischen Fahrmotor und Radsatzwelle von Lokomotiven mit Einzelachsantrieb und elektrischer Kraftübertragung. Er wurde vorwiegend bei Schnellzuglokomotiven in der Schweiz und in Frankreich verwendet. Dieser Gelenkantrieb überträgt das Drehmoment zwischen dem im Rahmen gelagertem und damit vollständig zur gefederten Masse gehörenden Großrad und der Radsatzwelle derart, dass sich die vertikal geführte Radsatzwelle ungehindert auf- und abbewegen kann. Der Fahrmotor und sämtliche Übertragungsteile gehören ebenfalls zur gefederten Masse, während neben dem Radsatz nur die Lenkerstangen und ein Teil der Zahnschwingen zu den ungefederten Massen zu zählen sind.

Der Antrieb war in den 1930er Jahren sehr erfolgreich, wurde danach aber von kleineren und leichteren Antrieben abgelöst, die auf Grund kleinerer Unwuchten höhere Drehzahlen ermöglichten und keine Zentralschmierung benötigen.

Konstruktion

Buchli-Gelenkhebelantrieb
Funktion des Buchli-Antriebs

Jede Triebachse hat einen eigenen Fahrmotor, der im gefederten Teil des Fahrzeugs angeordnet ist. Der Fahrmotor ist somit nicht den von den Schienen ausgehenden, auf den Radsatz wirkenden Stössen und Schlägen ausgesetzt.

Buchli-Antrieb der SNCF 2D2 5516, hellblau gekennzeichnet

Das Grossrad ist im Lokomotivkasten drehbar gelagert und über je zwei mitrotierende Kurbeln und Koppeln mit dem auf den Schienen befindlichen Radsatz verbunden. Diese beiden Mechanismen übertragen das Drehmoment auf die Radsatzwelle ohne deren vertikale Bewegungsfreiheit einzuschränken. Die Kurbeln sind an ihren gegenüberliegenden Verlängerungen gegeneinander verzahnt und auf diese Weise gegeneinander zwangläufig beweglich. Dieser Koppelmechanismus erlaubt die zweidimensionale Bewegungsfreiheit (f=2) zwischen dem drehenden Großrad und dem auf- und abgehenden Radsatzwellen-Lager.

Die Gelenke an den beiden Koppeln sind Kugelgelenke, so dass sie auch bei einseitigem Einfedern der Radsatzwelle (geneigtes Laufrad) klemmfrei funktionieren.

Nachteile

Der Schwachpunkt des Buchli-Antriebes ist seine Asymmetrie und die damit zusammenhängende ungleichmässige Massenverteilung zwischen der linken und der rechten Seite der Lokomotive. Bei Anwendung eines einseitigen Buchli-Antriebes müssen im Lokkasten die schweren Geräte der Antriebsseite gegenüber angeordnet werden, damit das linke und rechte Rad des Radsatzes jeweils denselben Raddruck aufweisen. Die Lokomotiven wiesen deshalb meist nur einen Gang durch den Maschinenraum auf, der auf der Antriebsseite der Wand entlang führte.

Weiter führen die Kugelzapfen im Rad zu einer Unwucht im Radsatz, die Gegenmassen erforderlich macht, welche aber in Folge der beweglichen Teile die Unwucht nie vollständig aufheben können.

Normale Ausführung

Der Buchli-Antrieb wurde meistens als einseitiger Einzelachsantrieb mit Innenrahmen ausgeführt.

Der Lokomotivrahmen mit den Radsatzlagern befindet sich innerhalb der Radscheiben des Radsatzes. Auf einer Seite des Radsatzes ist das Grossrad in einem Hilfsrahmen ausserhalb des Radsatzes gelagert. Es ist von einem auffälligen Radschutzkasten umgeben. Jedes Grossrad wird von einem eigenen Motor oberhalb des Grossrades im Lokkasten angetrieben. Bei dieser Ausführung entsteht im Fahrwerk durch die aussenliegenden Grossräder eine stark einseitige Gewichtsverteilung. Damit der Schwerpunkt der Lokomotive auf der Längsachse bleibt, müssen die schweren Geräte im Maschinenraum gegenüber der Seite mit den Antrieben angeordnet werden. Die Lokomotiven haben das für den Buchli-Antrieb typisch asymmetrische Erscheinungsbild: Auf der einen Seite sind die Radsterne der Triebräder sichtbar, auf der anderen Seite werden sie fast vollständig durch die Zahnradschutzkästen der Grossräder abgedeckt.

Andere Ausführungen

Neben der oben genannten normalen Ausführung gab es noch folgende Varianten:

Ausführung mit Aussenrahmen

Der Lokomotivrahmen mit den Radsatzlagern befindet sich ausserhalb der Radscheiben des Radsatzes. Der Radsatz wird von einer im Lokkasten gelagerten Hohlwelle umschlossen, auf der das Grossrad sitzt.

Beispiele: Pennsylvania Railroad O1b, DR ET 11 01

Ausführung mit zweiseitigem Antrieb

Der Radsatz ist mit zwei Grossrädern gekuppelt. Der Motor hat auf beiden Seiten ein Ritzel. Die Zapfen in der Radscheibe sind um 180° gegeneinander verdreht, wodurch die Unwucht des Antriebes verringert werden kann. Gegenüber der einseitigen Ausführung lassen sich bei der zweiseitigen Ausführung grössere Antriebskräfte übertragen. Bei dieser Anordnung besteht aber die Gefahr von mechanischen Verspannungen in den Antriebsteilen. Um diese von den Fahrmotorwellen fernzuhalten, wurden die Ritzel gefedert ausgeführt.

Beispiele: Französische Schnellzuglokomotiven: SNCF 2D2 5400, SNCF 2D2 5500, SNCF 2D2 9100

Ausführung mit zwei Motoren pro Achse

Zwei Fahrmotoren arbeiten auf ein gemeinsames Grossrad, das mit einem Radsatz verbunden ist.

Beispiele: Pennsylvania Railroad O1b

Bewährung

Der Buchli-Antrieb ermöglichte in den 1920er Jahren erstmals den Bau leistungsstarker, schnell fahrender Lokomotiven mit Einzelachsantrieb. Die möglichen Übersetzungen erlaubten auch den Einbau grosser Motoren, die aber dank der vollen Abfederung gegenüber den Radsätzen auch bei schneller Fahrt die Gleise nicht übermässig beanspruchten.

Nachteilig waren die vielen beweglichen Teile, die nach einer aufwändigen Ölumlaufschmierung verlangten und einen sorgfältigen Unterhalt nötig machten. Der Buchli-Antrieb setzte sich deshalb nur bei Schnellzuglokomotiven hoher Leistung durch, wo es keine Alternativen gab. Bei den SBB waren 240 Lokomotiven mit Buchli-Antrieb über 60 Jahre im Einsatz. Die Ae 3/6I waren von 1921 bis 1994 sogar 73 Jahre lang in Betrieb. Die französischen Bahnen hatten 100 Schnellzuglokomotiven 50 Jahre lang im Einsatz, wobei der Antrieb bis Anfang der 1950er Jahre eingebaut wurde. Der Buchli-Antrieb wird heute nicht mehr verwendet, weil kleinere, schnelllaufende Fahrmotoren zur Verfügung stehen, die leichtere Antriebe ermöglichen. Ausserdem wurden bei Buchli-Antrieben ab Geschwindigkeiten über 140 km/h die durch die Antriebsteile verursachten Unwuchten zu gross – ein Nachteil, der schon beim unmittelbar auf den Buchli-Antrieb folgenden Entwicklungsschritt mit dem SLM-Universalantrieb beseitigt wurde.

Fahrzeuge mit Buchli-Antrieb

LandBahngesellschaftBaureiheAnzahlBaujahrHerstellerAchsformelEinsatzBild
Schweiz SchweizSBBFb 2/511918SLM, BBC1’(1Bo)1’VersuchslokomotiveSBB CFF FFS Be 25 BBC SLM 1.jpg
Schweiz SchweizSBBAe 4/811922SLM, BBC(1’Bo1’)(1’Bo1’)VersuchslokomotiveSBB Ae 4 8 11000 Grossmutter Anfangs der 1920er Jahren.jpg
Schweiz SchweizSBBAe 3/6I1141920–1929SLM, BBC,

MFO, SAAS

2’Co1’UniversallokomotiveAe 3-6-I buchli.jpg
Schweiz SchweizSBBAe 4/71271927–1934SLM, BBC,

MFO, SAAS

2’Do1’ oder 2’Co(A1)Universallokomotive11026Ae47BaumaI.png
Schweiz SchweizSBBAe 8/14

11801

11931SLM, BBC(1A)A1A(A1)+(1A)A1A(A1)GüterzuglokomotiveSBB Ae 8 14 11801 Rail Top.jpg
Deutschland DeutschlandDRE 16211926–1927

1932–1933

Krauss, BBC1’Do1’Schnellzüge116 010-0 München Hbf (1970).jpg
Deutschland DeutschlandDRET 11 0111935ME, BBCBo’2’+2’Bo’TriebwagenET 11 01 23-11-57 Reutlingen.jpg
Frankreich FrankreichÉtat

SNCF

Etat E 501–523

2D2 5400

231936–1938Fives-Lille, CEM2’Do2’SchnellzügeSNCF 2D2 5413 b.jpg
Frankreich FrankreichPO

SNCF

E 501–502

2D2 5501–5502

21925SLM, BBC2’Do2’SchnellzügeE-502 PO.jpg
Frankreich FrankreichPO

SNCF

E 503–537

2D2 5503–5537

351933–1935Fives-Lille, CEM2’Do2’Schnellzüge2D2-5525 Versailles-a.jpg
Frankreich FrankreichPO

SNCF

E 538–545

2D2 5538–5545

81938Fives-Lille, CEM2’Do2’SchnellzügePO-Midi E 543.jpg
Frankreich FrankreichSNCF2D2 5546–555051942–1943Fives-Lille, CEM2’Do2’SchnellzügeSNCF 2D2 5546.jpg
Frankreich FrankreichSNCF2D2 9100351950–1951Fives-Lille, CEM2’Do2’Schnellzüge2D2-9108-a2.jpg
Indien IndienGIPREC/111928Hawthorn Leslie, BBC2’Co’2SchnellzügeGIPR EC1 4002.jpg
Indonesien IndonesienESS300021924SLM, BBC(1A)Bo(A1)SchnellzügeESS3002-1940.jpg
Japan JapanJGR7000–7001 später ED5421926SLM, BBC(1A)Bo(A1)SchnellzügeJNR ED 54-2.jpg
Tschechien TschechienČSDE 46521927Breitfeld-Daněk, BBC1’Do1’PersonenzügeCSD E465 0.jpg
Brasilien BrasilienPaulista-Bahn32011932SLM, BBC1’Do1’SchnellzügeCP 320 Brown Boveri Buchli.jpg
Vereinigte Staaten Vereinigte StaatenPRRO1b21931PRR, BBC2’Bo2’PersonenzügePRR O1.jpg

O1 7850 mit GE-Antrieb

Patente

  • Patent US1298881: Shaft-Coupling. Veröffentlicht am 1. April 1919, Erfinder: Jacob Buchli.
  • Patent DE304997: Kupplung. Angemeldet am 7. Dezember 1916, veröffentlicht am 19. April 1918.
  • Patent US1683674: Locomotive structure. Angemeldet am 18. August 1926, veröffentlicht am 11. September 1928, Erfinder: Karl Howard.

Literatur

  • Günter Kästner: Lokomotiven mit Buchli-Antrieb. In: Wolfgang Messerschmidt (Hrsg.): Lok Magazin. Nr. 59. Franckh’sche Verlagshandlung, W. Keller & Co., 1973, ISSN 0458-1822, S. 158–163.
  • Gustav Nagel: Hierzulande ein Exot. Der Buchli-Antrieb. In: LOK MAGAZIN. Nr. 253/Jahrgang 41/2002. GeraNova Zeitschriftenverlag GmbH München, ISSN 0458-1822, S. 64–65.
  • Werner Nef: Buchli-Oldtimer der Schweiz, 2003, ISBN 3-7654-7125-9.
  • Karl Sachs: Elektrische Triebfahrzeuge, 1953, Band I, S. 298–301.
  • Hans Schneeberger: Die elektrischen und Dieseltriebfahrzeuge der SBB, Band 1: Baujahre 1904–1955. Minirex, Luzern 1995, ISBN 3-907014-07-3
  • Peter Willen: Lokomotiven der Schweiz, Normalspur Triebfahrzeuge. 3. Auflage, Orell Füssli Verlag, Zürich 1975, ISBN 3-280-00800-X

Weblinks

Commons: Buchli-Antrieb – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Flag of Switzerland within 2to3.svg
Die quadratische Nationalfahne der Schweiz, in transparentem rechteckigem (2:3) Feld.
Flag of Indonesia.svg
bendera Indonesia
JNR ED 54-2.jpg
Werkbild der von BBC und SLM an die Japanese Government Railways gelieferte Lokomotive Nr. 7001, später ED54-2
PRR O1.jpg
PRR O1 7850 locomotive in a promotional photo by the Pennsylvania Railroad. The locomotive was built in May 1930 in the Altoona Works of PRR with the construction No. 4220. Electrical equipment was from Westinghouse. Scrapped in February 1948.
ESS3002-1940.jpg
Locomotive ESS 3002 of the Elektrische Staatsspoorwegen of Java
PO-Midi E 543.jpg
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PO-Midi E 543, next SNCF 2D2 5543
SBB Ae 8 14 11801 Rail Top.jpg
SBB Ae 8/14 11801 in switzerland with freight Train
SBB Ae 4 8 11000 Grossmutter Anfangs der 1920er Jahren.jpg
Elektrische Lokomotive Ae 4/8 11000 ab 1929 11300 der Schweizerische Bundesbahnen (SBB). Probelokomotive für die Einzelachsantriebe von Jakob Buchli und Otto Tschanz mit der Achsfolge (1‘Bo1‘)(1‘Bo1‘).
CP 320 Brown Boveri Buchli.jpg
Werksfoto der 1'Do1' Schnellzuglokomotive für die Ferrovia Paulista SA (FEPASA)
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SNCF 2D2 5413 in Le Mans
SBB CFF FFS Be 25 BBC SLM 1.jpg
Elektrische Lokomotive Be 2/5 11001 der Schweizerische Bundesbahnen (SBB) Be 2/5 11001 nach dem Umbau. Ursprünglich elektrische Lokomotive E 3301 der Chemins de Fer du Midi.
ET 11 01 23-11-57 Reutlingen.jpg
Elektrotriebwagen der Baureihe ET 11 der Deutschen Bundesbahn im Reutlingen Hauptbahnhof.
Ae 3-6-I buchli.jpg
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Ae 3/6 I auf der Drehscheibe in Brig anlässlich des 100jährigen Jubiläums des Simplontunnels. Beachtenswert sind die drei Buchli-Antriebe mit ihren Abdeckungen.
GIPR EC1 4002.jpg
1500 V 2-Co-2 Gleichstrom-Versuchslokomotve der Great Indian Peninsular Eisenbahn. BB/Hawthorn, Leslie.
CdT - 2D2 écorchée.jpg
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Vue des équipements de traction de la 2D2 5516 écorchée à la Cité du train.
CSD E465 0.jpg
CSD E465.0
Buchli-Antrieb-de.jpg
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Diagram of Buchli-drive as used in railway locomotives
SNCF 2D2 5546.jpg
Locomotive SNCF type 2D2 5546 surnommée Waterman en raison de la ressemblance de son capot moteur polygonal avec les bouteilles d'encre de ce stylo.
E-502 PO.jpg
Carte postale ancienne éditée par F. Fleury n°D 35, de la locomotive prototype E-502 du PO, équipée de frotteurs latéraux sur ses bogies pour la prise de courant par troisième rail.
2D2-9108-a2.jpg
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La 2D2-9108 au dépôt de Villeneuve-St-Georges, encadrée par la CC 6562 et la BB 7389 le 2 juin 1985.
116 010-0 München Hbf (1970).jpg
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Class E 16 (later 116) was one of the first electric locomotives in Germany. They were built in 1926-1933, 21 in all, for express train service. They had top speed of 120 kph (75 mph). This photo was taken in the Munich station.
11026Ae47BaumaI.png
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Locomotive Ae 4/7 11026 im Bahnhof Bauma.
Animation of Buchli Drive.gif
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An animation which shows how Buchli drive absorbs the movement of the driving wheel
2D2-5525 Versailles-a.jpg
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La 2D2 5525 aux Journées Portes Ouvertes du 5ème Régiment du Génie de Versailles le 19 juin 2005.