Brunhilde Pomsel

Brunhilde Pomsel (* 11. Januar 1911 in Berlin; † 27. Januar 2017 in München[1]) war eine deutsche Sekretärin, die von 1942 bis 1945 für Propagandaminister Joseph Goebbels tätig war.

Leben

Brunhilde Pomsel wurde am 11. Januar 1911 in Berlin geboren. Ihre Kindheit war prägend, da die strengen preußischen Erziehungsmaßnahmen ihrer Eltern sie lehrten, sich unterzuordnen und ein gewisses Pflichtbewusstsein zu entwickeln.[2] Es kam häufig zu Bestrafungen, damit die Kinder spurten und sie lernten „was man darf und was man nicht darf.“[3] Sie wuchs in einer kinderreichen Familie mit vier jüngeren Geschwistern auf.[4]

Nach dem einjährigen Mittelschulabschluss entschied sich Brunhilde Pomsel gegen den damaligen Haushaltsdienst, da sie nach eigenen Angaben nicht für die Hausarbeit geschaffen war. Brunhilde Pomsel strebte eine Tätigkeit als Sekretärin oder Büroangestellte an. Aufgrund einer Stellenanzeige in der Berliner Morgenpost erhielt sie im Alter von sechzehn Jahren einen zweijährigen Volontärsvertrag bei dem jüdischen Prokuristen Bernblum des Betriebes Kurt Gläsinger und Co.[5] Dort übernahm die junge Frau Arbeiten in Stenografie und an der Schreibmaschine. Abends bildete sich Pomsel fort und besuchte eine Handelsschule, um die Grundlagen der Buchhaltung zu erlernen.[6]

Nach ihrem zweijährigen Volontariat bot der Prokurist Bernblum ihr eine Festanstellung mit einem monatlichen Gehalt von 90 Mark an. Da Pomsel noch nicht mündig war, musste sie ihre Eltern um deren Einverständnis bitten. Ihr Vater bestand jedoch auf einen Lohn von 100 Mark. Diesen Betrag war der Betrieb nicht bereit zu zahlen, sodass Brunhilde Pomsel gekündigt wurde. Im Winter des Jahres 1929 war Pomsel zum ersten Mal arbeitslos und trat nach kurzer Zeit eine Tätigkeit in einer Buchhandlung an, die den Monatslohn von 100 Mark anstandslos zahlte. Schnell stellte sich heraus, dass diese Arbeit für Pomsel zu eintönig war und ihr keine Freude bereitete.

Dieses Mal war es ihr Vater, der Pomsel die neue Anstellung bei dem jüdischen Versicherungsmakler Dr. jur. Hugo Goldberg vermittelte. In dessen Kanzlei konnte sie wieder als Bürodame arbeiten und lernte viel über das Versicherungswesen.[7] Zum Ende des Jahres 1932 kürzte Dr. Goldberg Pomsels Arbeitszeit um die Hälfte, da das Versicherungsgeschäft keine großen Gewinne mehr erzielte.[8]

Zur selben Zeit lernte sie den Nationalsozialisten und späteren Rundfunksprecher Wulf Bley kennen. Bley diktierte Pomsel seine Kriegserinnerungen aus dem Ersten Weltkrieg und bezahlte sie für ihre Schreibtätigkeit. Ende 1932, arbeitete sie demnach für den Juden Dr. Goldberg und den Nationalsozialisten Wulf Bley gleichzeitig. Wulf Bley erlangte einen Bekanntheitsgrad, da er am 30. Januar 1933 im Rundfunk die Machtergreifung Hitlers sowie den Fackelzug der Nationalsozialisten durch das Brandenburger Tor kommentierte.[9]

Wulf Bley wurde nach Hitlers Machtergreifung zum Dramaturgen am Deutschen Theater berufen und versprach Pomsel, sie beruflich beim Rundfunk unterzubringen, wenn auch er dorthin wechseln würde. Kurzdarauf trat Brunhilde Pomsel auf Bleys Anraten der NSDAP bei, um eine größere Chance zu haben, beim Rundfunk angenommen zu werden. Infolgedessen musste sie eine Aufnahmegebühr in Höhe von 10 Mark bezahlen, um Parteimitglied zu werden und wurde dazu aufgefordert, soziale Tätigkeiten zu übernehmen. Die Mitarbeit im Parteibüro oder die Teilnahme an Straßensammlungen waren einige davon.

Kurz nach ihrem Parteieintritt erhielt Pomsel eine Anstellung beim Rundfunk. Zunächst arbeitete sie im Direktorium und anschließend in der Kanzlei der früheren Direktoren.[10] Aufgrund gesundheitlicher Schwierigkeiten verbrachte Pomsel einen sechsmonatigen Kuraufenthalt in einem Sanatorium auf der Insel Föhr, bei voller Bezahlung ihrer Bezüge. Nach ihrer Genesung wechselte sie in die Presseabteilung des Rundfunks und wurde einige Zeit danach in der Zeitfunkabteilung eingestellt. Dort gefiel ihr die Arbeit unter all den Männern am besten.[11]

Im Jahr 1942 erhielt Brunhilde Pomsel die Aufforderung, das Büro zu wechseln und in Goebbels Ministerium zu arbeiten. Dort wurde sie dem Offizier Kurt Frowein zugeordnet, der ein persönlicher Referent Goebbels war.[12] Bei den Bombardierungen von Berlin im Jahr 1943 verlor sie einen Großteil ihrer Habe.[13] Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 arbeitete Brunhilde Pomsel im „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“[14] als hoch bezahlte Stenotypistin und Sekretärin.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges begannen die sowjetischen Truppen einzumarschieren und Kampfflieger flogen bereits über Deutschland. Brunhilde Pomsel versteckte sie sich in dieser Zeit mit anderen Mitarbeitern im Luftschutzkeller. Während ihres Aufenthalts erfuhr sie vom Tod Hitlers, dem Suizid von Goebbels und seiner Familie und der Kapitulation Deutschlands. Im August 1945 wurde Pomsel von sowjetischen Truppen verhaftet und inhaftiert.

Nachdem sie ihre fünfjährige Haftstrafe verbüßt hatte, erhielt Pomsel eine Anstellung beim Südwestfunk (SWF) in Baden-Baden und stieg zur Chefsekretärin bei der ARD – Programmdirektion Deutsches Fernsehen in München auf. Im Jahr 1971 wurde Brunhilde Pomsel pensioniert. Sie starb im Alter von 106 Jahren in München-Schwabing in der Nacht zum International Holocaust Remembrance Day am 27. Januar 2017.[15]

Tätigkeitsbereich als Sekretärin für Goebbels

Arbeit im Propagandaministerium

Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda war in zahlreiche unterschiedliche Abteilungen gegliedert. Die Sekretärinnen saßen an ihrem zugeordneten Schreibtisch und erhielten ihre Arbeit aus den verschiedenen Abteilungen.[16] Dazu gehörte „alles, was in dem Hause so gemacht wurde an Berichten, Anforderungen und Änderungen […]“.[17]

Darüber hinaus wurden viele Statistiken von der Front beschönigt, Sachverhalte auf Anweisung übertrieben oder überzogen dargestellt und dann veröffentlicht, wie beispielsweise „Vergewaltigungen von deutschen Frauen durch die heranziehenden Russen.“[18]

Darüber hinaus gab es Dokumente, die nicht kopiert werden durften, weil sie die Gerichtsprozesse von Gegnern oder Widerstände gegen das NS-Regime beinhalteten, wie beispielsweise der Fall der „Weißen Rose“.[19]

Solch eine Gerichtsakte wurde Pomsel von ihrem Vorsitzenden unverschlossen übergeben – mit der Bitte, die Akte in den Panzerschrank zu legen und nicht hineinzuschauen. Sie legte die Akte, ohne einen Blick hineinzuwerfen, in den Schrank. Seit ihrer frühen Kindheit war Brunhilde Pomsel äußerst pflichtbewusst und gehorsam.

Pomsel bereitete die Arbeit im Ministerium keinen Spaß, weil sie stumpfsinnig und eintönig war. Als Sekretärin musste sie im Vorzimmer sitzen und häufig Telefonate führen.[20]

Der Minister Joseph Goebbels wurde auf seinen Reisen häufig von Sekretärinnen begleitet, sodass er stets eine Schreibkraft bei sich hatte, um ihr etwas diktieren zu können. Auch Brunhilde Pomsel war eine seiner Schreibkräfte während einer Zugreise nach Posen.

Die Artikel, die vom Rundfunk veröffentlicht wurden, standen unter der strengen Kontrolle des Propagandaministeriums, um die Verbreitung falscher Nachrichten zu unterbinden. In Deutschland gab es ausschließlich einen Rundfunk. Das Hören anderer bzw. fremder Sender war verboten und wurde häufig mit dem Tod bestraft.

Brunhilde Pomsels Verhältnis zu Goebbels

Brunhilde Pomsel beschrieb ihren Arbeitgeber Joseph Goebbels als gutaussehend und gepflegt. Ein enges Verhältnis hatten beide nicht zueinander. Goebbels war seinen Sekretärinnen nicht sehr gesprächig gegenüber, sie dienten lediglich der Ausführung ihrer Aufträge und ihrer Arbeit. Goebbels verwickelte seine Sekretärinnen niemals in Gespräche privater Natur oder stellte ihnen persönliche Fragen. Als Brunhilde Pomsel einmal während einer Theateraufführung gemeinsam mit einer weiteren Sekretärin neben Goebbels saß, hatte dieser mit ihnen kein einziges Wort gewechselt und sie ignoriert. Die Sekretärinnen waren für den Reichsminister Schreibtische und nahezu geschlechtslos.[21]

Sportpalastrede am 18. Februar 1943

Am 18. Februar 1943 hielt der Propagandaminister Joseph Goebbels im Sportpalast in Berlin seine bekannte Sportpalastrede. In dem Moment der Rede erkannte Brunhilde Pomsel zum ersten Mal das wahre Gesicht ihres Vorgesetzten Goebbels, da sie ihn bis zu diesem Zeitpunkt nicht von dieser Seite her kennengelernt hatte. Vorher nahm sie ihn als gepflegten und anständigen Mann wahr, allerdings revidiert Pomsel ihre Meinung und betonte, dass Goebbels ein ausgezeichneter Schauspieler gewesen sei. Das Sportpalastereignis wäre wüst gewesen und der Reichsminister wäre aufgetreten, wie ein „tobender Zwerg.“[22] Diese Rede war ein starker Kontrast zum normalen Büroalltag und der Propagandaminister nicht wiederzuerkennen.[23]

Rezeption

Am 18. April 2016 hatte Ein deutsches Leben, ein Dokumentarfilm über Pomsel, beim Visions du Réel in Nyon Weltpremiere[24] und wurde bald danach beim Filmfest München, beim Jerusalem Film Festival und bei der Diagonale in Graz gezeigt.[25][26][27][28] Der Film wurde von dem österreichischen Regisseur Christian Krönes zusammen mit Olaf S. Müller, Roland Schrotthofer und Florian Weigensamer gedreht.[29] Die Regisseure ließen Brunhilde Pomsel von ihrem Leben, ihren Erfahrungen, ihrem Streben nach Wohlstand und ihrer Tätigkeit als Sekretärin im Propagandaministerium berichten.[30] Am 6. April 2017 kam er in die Kinos.[31] Die Süddeutsche Zeitung reflektiert die Schilderungen von Goebbels’ Sekretärin kritisch: „Sie machen sichtbar, wie rasant man in Nazi-Deutschland Karriere machen konnte, wenn man den richtigen Stammbaum und wenig Skrupel hatte. Dass diese intelligente, eloquente und sympathische alte Dame in ihren jungen Jahren den Staatsumbau in eine Diktatur nur im Halbschlaf erlebt haben will, kann man im Nachhinein kaum glauben.“[32]

Zum Film erschien das Begleitbuch von Thore D. Hansen Ein Deutsches Leben: Was uns die Geschichte von Goebbels’ Sekretärin für die Gegenwart lehrt. Das Buch wurde im Jahr 2017 erstmals veröffentlicht. In dem Buch geht es darum, dass Brunhilde Pomsel von ihrem Leben als frühere Sekretärin des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels berichtet und von den Geschehnissen dieser Zeit spricht.

Das Buch basiert auf den Inhalten des österreichischen Dokumentarfilms „Ein deutsches Leben“ aus dem Jahr 2016. Thore D. Hansen ordnet in seinem Buch die Aussagen sowie Erinnerungen Brunhilde Pomsels aus dem Jahr 2013 chronologisch. Während seiner Arbeit stellt er erschreckende Übereinstimmungen zwischen der damaligen und heutigen Zeit fest.[33]

Christopher Hampton schrieb das Ein-Personen-Stück A German Life, das 2019 im Londoner Bridge Theatre mit Maggie Smith als Brunhilde Pomsel seine Weltpremiere hatte.[34]

Meinungsbilder zu Brunhilde Pomsel

Persönliche Beurteilung ihres Wirkens

Brunhilde Pomsel betonte zu Lebzeiten, sie habe nur eine kleine Rolle im Propagandaministerium innegehabt und kein großes Wirken, da der Reichsminister und dessen Referenten den Sekretärinnen übergeordnet gewesen seien.[35] Alle Sekretärinnen vor Ort waren lediglich „hoch bezahlte Stenotypistinnen und Sekretärinnen“. Sie mussten nur verschriftlichen, was ihre Vorgesetzten diktierten ohne Sachverhalte oder Anweisungen zu hinterfragen.[36] Aufgrund der Tatsache, dass Pomsel nur für den Reichsminister Joseph Goebbels getippt hatte, empfand sie auch kein Schuldbewusstsein, da sie nichts von den perfiden Aktionen des NS-Regimes wusste. Pomsel erklärte ferner, sie treffe keine Schuld, weil sie von der Judenverfolgung niemals etwas mitbekommen habe.[37]

Beurteilung durch Thore D. Hansen

Am Ende seines Buches äußert sich der Autor Thore D. Hansen differenziert zu den Aussagen von Brunhilde Pomsel im Hinblick auf ihre Glaubwürdigkeit.

Er ist der Meinung, dass man Brunhilde Pomsel sehr wohl vorhalten könne, Kenntnis von der Judenverfolgung gehabt zu haben, wenn sie aufmerksam gewesen wäre. Schließlich habe sie einen wichtigen Posten als Sekretärin im Propagandaministerium ausgeübt. Als Argument führt Hansen auf, dass sich bereits ab 1942 Gerüchte im Deutschen Reich verbreitet hätten, dass Juden in Konzentrationslager gebracht wurden. Dies lässt sich anhand von Umfragen aus den 1990er Jahren belegen, da anonyme Umfragen unter Zeitzeugen ergaben, dass „bis zu 40 Prozent der deutschen Bevölkerung vor Kriegsende vom Holocaust gewusst hätten.“[38]

Des Weiteren hätte Brunhilde Pomsel die ihr übergebenen, unverschlossenen Akten jederzeit lesen können. Unter anderem lag ihr die Gerichtsakte der Organisation „Weiße Rose“ vor, die sie in dem Panzerschrank des Ministeriums deponieren sollte. Da Pomsel das Vertrauen ihrer Vorgesetzten nicht ausnutzen habe wollen und der Drang nach Anerkennung einen großen Platz in ihrem Leben einnahm, habe sie nicht in die Akten geschaut, habe sich in ihrer Wahrnehmung pflichtbewusst sowie loyal gezeigt.

In einem Rückblick auf ihr Leben erwähnte Pomsel, dass sie jegliche Schuld von sich weisen würde, da sie keinen persönlichen Einfluss auf das Geschehen gehabt habe. Ihrer Meinung nach müsste dem gesamten deutschen Volk vorgeworfen werden, dass es selbst dazu beigetragen habe, dass die NSDAP an die Macht gekommen sei und die Regierung tätig werden konnte. Pomsels Aussage veranlasst Hansen zu der Schlussfolgerung, dass diese nicht ganz Unrecht hat: Denn ohne die politische Zustimmung eines Großteils der deutschen Bevölkerung wäre es nicht zur Macht- und Regierungsübernahme der NSDAP gekommen. Ein weiteres Kriterium dafür ist nach Hansen das weit verbreitete Desinteresse an politischen Vorgängen innerhalb der Bevölkerung in den 1930er Jahren. Im moralischen Hinblick sei diese Ignoranz als Schuld verwertbar, da das deutsche Volk weggesehen habe. Aus heutiger Sicht sei es unwichtig, ob Brunhilde Pomsel eine überzeugte Nationalsozialistin war oder nicht, da sie ihr Handeln als dumm und naiv bezeichnete.

Brunhilde Pomsel erzählte im Interview, dass Joseph Goebbels ausschließlich mit seinen Referenten über weitere Vorkehrungen gegenüber Juden gesprochen habe. Die Sekretärinnen im Propagandaministerium hätten von diesen Maßnahmen nichts mitbekommen. Heutzutage liegen nur sehr wenige Informationen darüber vor, wer von den Plänen hätte wissen können. Hansen betont, es sei äußerst unglaubwürdig, dass Pomsel als Sekretärin in hoher Position nichts von der Judenvernichtung mitbekommen habe.[39]

In ihren jüngeren Jahren hatte Brunhilde Pomsel eine Freundin. Sie hieß Eva Löwenthal und war jüdischer Abstammung. Sie lebte mit ihrer Familie in armen Verhältnissen und traf sich in ihrer Freizeit regelmäßig mit Brunhilde Pomsel. Im Jahr 1943 verschwand Eva Löwenthal plötzlich. Pomsel schilderte, nichts über deren Verbleib gewusst zu haben. Die junge Sekretärin hätte erkennen können, dass Juden in Konzentrationslager gebracht wurden. Konzentrationslager waren längst keine Einrichtungen mehr, die der Umerziehung von Menschen dienten, die sich öffentlich kritisch gegenüber dem NS-Regime äußerten.[40]

Beurteilung Pomsels durch die Medien

In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2017 werden die Aussagen von Brunhilde Pomsel beurteilt. Jedoch äußert die Tageszeitung auch Kritik an ihren Schilderungen, da sie unglaubwürdig seien. Es sei kaum zu glauben, „Dass diese intelligente, eloquente und sympathische alte Dame in ihren jungen Jahren den Staatsumbau in eine Diktatur nur im Halbschlaf erlebt haben will“. Der Mangel an Pomsels Glaubwürdigkeit entstammt ihrer hohen Position im Propagandaministerium. In ihrem näheren Umfeld gab es Gründe und Anzeichen dafür, dass die NSDAP nicht nur positive Pläne schmiedete, diese hätte Pomsel erkennen können: So wurde zum Beispiel ein Mitarbeiter aus dem Propagandaministerium aufgrund seiner sexuellen Vorliebe gegenüber dem gleichen Geschlecht in ein Konzentrationslager überführt. Oder aber ihre damalige jüdische Freundin, die von einem Tag auf den anderen spurlos verschwand. Pomsel erklärte später, sie habe erst nach ihrer eigenen Gefangenschaft von der Judenvernichtung erfahren; was unglaubwürdig erscheint.[41]

Ein weiteres wichtiges Zeugnis, das Auskunft über Brunhilde Pomsel liefert, ist ein Interview aus dem Jahr 2017, welches in der „Deutschen Welle“ erschien. In dem Interview mit einem der Regisseure des Dokumentarfilms „Ein deutsches Leben“, Florian Weigsamer, betont dieser, Pomsels einzige Schuld sei gewesen, weggesehen und ein starkes Desinteresse für die damalige Politik gehabt zu haben. Sie solle nicht als Nazi dargestellt werden. In der Dokumentation ginge es viel mehr darum, dass Brunhilde Pomsel eine Mitschuld trage, weil sie nicht realisiert habe, was in ihrer Umgebung passierte und sie weder eingreifen noch die Pläne im Hinblick auf die Judenvernichtung durchschauen konnte.[42]

Die „Neue Zürcher Zeitung“ veröffentlichte im Jahr 2017 einen Artikel über Brunhilde Pomsel und den Dokumentarfilm über ihr Leben als Sekretärin von Goebbels. Der Text wurde von Christina Tilman verfasst. Die Presse äußert sich kritisch gegenüber Pomsel, da es unglaubwürdig sei, dass Pomsel erst nach ihrer Entlassung aus der Gefangenschaft von der Judenvernichtung erfahren habe. Darüber hinaus deutet die Zeitung an, dass die Sekretärin typische Erklärungsmuster und Ausreden verwende von Deutschen, die ihren Anteil zum Nationalsozialismus beigetragen hätten. Darunter würden zum Beispiel die strenge Erziehung und die Oberflächlichkeit als Jugendliche fallen. In dem Artikel wurde die Meinung geäußert, dass die Widersprüche der Erzählungen Pomsels ausgereicht hätten, einen Film über die Mitläufer dieser verheerenden Zeit zu drehen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass man nicht allzu viele Antworten auf all die anfallenden Fragen erhalte, da der Film sie offenlasse und die Sekretärin sie teils umgehe. Brunhilde Pomsel hatte eine jüdische Jugendfreundin, die sie sogar begleitete, als Pomsel der NSDAP beitrat. Ihr Name war Eva Löwenthal und Pomsel besuchte sie zuletzt im Jahr 1942, nachdem Löwenthals Familie alle Sozialleistungen gestrichen wurden. Sie wurde im Jahr 1943 nach Auschwitz deportiert und zwei Jahre später ermordet. In der „Neuen Zürcher Zeitung“ wurde kritisiert, dass die Sekretärin sich erst sechzig Jahre nach der Ermordung, im Jahr 2005, beim Informationszentrum des Berliner Holocaust nach ihrer ehemaligen Freundin erkundigte.[43]

In einem weiteren Internetartikel von „FR Kultur“ wurde Brunhilde Pomsels Wirken als Sekretärin verharmlost und als nicht allzu groß betrachtet. In dem Text wird über den Dokumentarfilm und „von ihrer Zeit als winziges Rädchen im Machtgetriebe der Nazis“ geschrieben. Der Artikel bezeichnet Pomsel als eine „Mitläuferin und Opportunistin“ und eine direkte Schuld wird ihr nicht zugesprochen. Am Ende wird noch einmal erwähnt, dass sie lediglich mitgemacht habe.[44]

Gefangenschaft

Im Jahr 1945 wurde Brunhilde Pomsel von sowjetischen Truppen und Alliierten im Luftschutzkeller des Propagandaministeriums festgenommen und vorerst in dem Speziallager Nummer 2 einquartiert. Es befand sich in dem ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald und diente der Internierung von Nationalsozialisten sowie deren Mitläufern. Die Inhaftierten hatten keinen Kontakt zur Außenwelt. Allerdings erhielten sie die Möglichkeit an Theatervorstellungen teilzunehmen und sich im Orchester einzubringen. Auch Brunhilde Pomsel wirkte als Hauptdarstellerin bei dem Stück „Die Meisterschülerin“ mit.[45] Brunhilde Pomsel verbüßte ihre Haftstrafe in zwei weiteren Einrichtungen „Hohenschönhausen und Sachsenhausen“.[46] Im Januar 1950 wurde Brunhilde Pomsel aus der Haft entlassen.[47]

Literatur

  • Georg Seeßlen: Der Enkelblick. Filmrezension, in: konkret, April 2017, S. 50 f.
  • Thore D. Hansen: Ein Deutsches Leben : was uns die Geschichte von Goebbels' Sekretärin für die Gegenwart lehrt. Mit Brunhilde Pomsel. Europa-Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-95890-098-1.

Einzelnachweise

  1. Emily Langer: Brunhilde Pomsel, secretary to Nazi propaganda minister Joseph Goebbels, dies at 106. The Washington Post, 29. Januar 2017, abgerufen am 30. Januar 2017 (englisch).
  2. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. 2017, ISBN 978-3-95890-422-4, S. 24.
  3. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 19.
  4. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 18.
  5. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 23.
  6. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 24.
  7. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 26.
  8. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 27.
  9. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 31–32.
  10. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 41–45.
  11. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 46.
  12. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 59–61.
  13. Brunhilde Pomsel: Ein deutsches Leben : was uns die Geschichte von Goebbels' Sekretärin für die Gegenwart lehrt. Berlin 2017, ISBN 978-3-95890-098-1.
  14. Dietmar Pieper: Hitlers Mephisto. In: Der Spiegel. 16. Februar 2003, ISSN 2195-1349.
  15. Goebbels' Sekretärin. Abgerufen am 23. April 2023.
  16. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 62.
  17. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 89.
  18. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 90.
  19. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 62.
  20. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 88–90.
  21. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 69–71.
  22. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 86.
  23. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 85–86.
  24. Ein deutsches Leben. Blackbox Film- und Medienproduktion, 2016 (pdf; 1,8 MB).
  25. Mourad Moussa: A German Life. In: Visions du Réel. Festival international de cinéma Nyon, April 2016, archiviert vom Original am 16. August 2016; abgerufen am 30. Januar 2017.
  26. Festivals – A German Life. In: a-german-life.com. www.a-german-life.com, abgerufen am 31. Januar 2017 (amerikanisches Englisch).
  27. Filmfest München 2016, Brunhilde Pomsel: Ein deutsches Leben. YouTube, 4:16 Min. Veröffentlicht am 14. Juli 2016, abgerufen am 30. Januar 2017.
  28. Susanne Hermanski: „Ich könnte keinen Widerstand leisten, ich bin zu feige“. Süddeutsche Zeitung, 1. Juli 2016, abgerufen am 30. Januar 2017.
  29. Dominik Kamalzadeh: „A German Life“: Erinnerungen von Goebbels’ Sekretärin. derStandard.at, 18. April 2016, abgerufen am 30. Januar 2017.
    Brunhilde Pomsel – Goebbels-Sekretärin stirbt mit 106 Jahren. AFP-Meldung bei T-online.de, 30. Januar 2017, abgerufen am 30. Januar 2017.
  30. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 8.
  31. Goebbels Sekretärin: Kino-Doku über die jetzt gestorbene Brunhilde Pomsel. dpa-Meldung in der Badischen Zeitung, 31. Januar 2017, abgerufen am 31. Januar 2017.
  32. Anna Fastabend: Im Halbschlaf in die NS-Diktatur. sueddeutsche.de, 7. April 2017, abgerufen am 24. April 2022.
  33. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 7–9.
  34. Maggie Smith is returning to the stage for a one-woman play. 13. Februar 2019, abgerufen am 5. Juni 2019 (englisch).
  35. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 68.
  36. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 91.
  37. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 113–115.
  38. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 142.
  39. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 140–144.
  40. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 157.
  41. Süddeutsche de GmbH, Munich Germany: Aktuelle Nachrichten, Hintergründe und Kommentare – SZ.de. Abgerufen am 24. April 2023.
  42. Deutsche Welle (www.dw.com): Goebbels Sekretärin hat nichts gewusst: „Ein deutsches Leben“ | DW | 30. Januar 2017. Abgerufen am 24. April 2023 (deutsch).
  43. Ein deutsches Leben: Eine Mitläuferin, die nichts gewusst haben will. Abgerufen am 9. März 2023.
  44. Lieber hat sie nicht zugehört. Abgerufen am 24. April 2023.
  45. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 117.
  46. Ich war die Sekretärin von Joseph Goebbels: „Er war unnahbar!“ BILD hat die Zeitzeugin Brunhilde Pomsel (100) in Schwabing besucht. Abgerufen am 24. April 2023.
  47. Thore D. Hansen: Ein deutsches Leben. ISBN 978-3-95890-422-4, S. 119.