Bornholmisch

Bornholmisch (Bornholmsk) ist ein ostdänischer Dialekt, der auf der dänischen Insel Bornholm gesprochen wird und sowohl mit der dänischen als auch schwedischen Sprache nah verwandt ist.

Da Bornholmisch als nordischer Dialekt betrachtet wird, lehnt die dänische Regierung einen Status als Minderheitensprache ab.[1]

Geschichte

Als Folge der schwedischen Besetzung von Schonen, Halland und Blekinge im Jahr 1658 isolierte sich der Dialekt zunehmend und ist auf dem Gebiet des heutigen Dänemark die einzig erhaltene Variante des Ostdänischen, welches in Südschweden seinerseits stark von der schwedischen Sprache beeinflusst wurde.

Aufgrund von Zuwanderung aus Dänemark und Einfluss der Massenmedien schwindet der Bornholmer Dialekt seit der Mitte des 20. Jahrhunderts, wie die meisten der dänischen Dialekte, vor allem bei der jüngeren Generation, die zunehmend die Kopenhagener Variante des Standarddänischen spricht, weil sie damit ein höheres Sozialprestige verbindet. So behaupten Dänen aus dem restlichen Teil des Landes gerne, die Bornholmer würden Schwedisch sprechen, und verunglimpfen den Dialekt als reservesvensk („Ersatzschwedisch“).

Um das Prestige zu erhöhen und dem Aussterben des Dialektes entgegenzuwirken, hat sich KulturBornholm, der Dachverband für Kulturvereine auf der Insel, zum Ziel gesetzt, Bornholmisch als lebende Sprache zu bewahren, indem er durch Publikationen und Medienarbeit zum Erhalt des Dialektes beiträgt.

Klassifizierung: Dänisch oder Schwedisch

Bornholmisch gehört zu den Dialekten, die für Dänen am schwersten zu verstehen sind. Daher wird er oft auch als eigene Sprache angesehen, wenn man eine Sprache als die Summe der Dialekte definiert, die gegenseitig verständlich sind, wobei die Grenze zwischen Dialekt und Sprache fließend und subjektiv ist. So verstehen Schweden und Norweger den Bornholmer Dialekt weitaus besser als die Dänen.

Jedoch kann die Frage, ob der Bornholmer Dialekt (wie in dem Fall der nah verwandten schonischen Sprache) eher dem Dänischen oder dem Schwedischen, das in Südschweden gesprochen wird, entspricht, nicht von politischen oder ideologischen Leitgedanken getrennt werden, wenn man Sprache als ethnologisches Merkmal versteht.

Aus linguistischer Sicht bilden die skandinavischen Sprachen ein Dialektkontinuum, bei denen Schonisch und Bornholmisch eine Brücke zwischen sjællandsk („Seeländisch“), dem Dialekt von der dänischen Insel Seeland, und götamål („Götasprache“), dem Dialekt des südschwedischen Landesteils Götaland, bilden.

Bornholmisch teilt sich mit dem Dänischen die Schwächung von Explosivlauten (Plosiven) mit bestimmten Lautwandeln und bestimmte Neuerungen im Wortschatz. Zudem verwendet der Dialekt Standarddänisch als seinen geschriebenen Standard, was beim Schonischen nicht der Fall ist, wobei aus dänischer Sicht auch die südschwedischen Dialekte Schonisch, Halländisch und Blekingisch zum Ostdänischen gerechnet werden.[1]

Merkmale

Wortschatz

Der Dialekt kennt neben Lehnwörtern aus dem Deutschen, Niederländischen und Französischen auch viele eigene inseltypische Wörter. Außerdem besitzt der Dialekt im Gegensatz zum Reichsdänischen (Rigsdansk) noch viele sonst veraltete Wörter (Archaismen) aus der altnordischen Sprache, was durch die isolierte Lage bedingt ist. Dort, wo sich der Wortschatz zwischen dem Dänischen und dem Schwedischen unterscheidet, wird die Nähe des Bornholmischen zur dänischen Sprache sichtbar.

Aussprache

In der Aussprache hat der Bornholmer Dialekt viele Merkmale mit dem Schwedischen gemeinsam, wie z. B. die zwei tonalen Akzente in den skandinavischen Sprachen, deren Gegensatz den typisch schwedischen „Singsang“ erzeugt. Auch den dänischen Stoßton (stød) gibt es im Bornholmer Dialekt nicht.

Orthographie

Es existiert keine standardisierte Rechtschreibung des Bornholmischen. Daher wird der Dialekt im Allgemeinen eher gesprochen als geschrieben, abgesehen von verschiedenen Wörterbüchern und Artikeln in lokalen Zeitungen. Auch Wörter, die es nicht im Standarddänischen gibt, orientieren sich nach der dänischen Orthographie.

Beispiele

Flexion der Artikel

Ein auffälliger Unterschied zum Standarddänischen ist, dass der Dialekt drei grammatische Geschlechter (Genera) kennt, ähnlich wie in der deutschen, norwegischen, isländischen und altschwedischen Sprache.

Adjektive werden nach den drei Geschlechtern gebeugt.

ArtikelBornholmskDänischSchwedischDeutsch
unbestimmter Singular, männlichejn horraen drengen pojkeein Junge
unbestimmter Singular, weiblichen peiaen pigeen flickaein Mädchen
unbestimmter Singular, sächlichet húzet husett husein Haus
bestimmter Singular, männlichhorrijndrengenpojkender Junge
bestimmter Singular, weiblichpeianpigenflickandas Mädchen
bestimmter Singular, sächlichhúzedhusethusetdas Haus
bestimmter Plural, männlichhorranadrengenepojkarnadie Jungen
bestimmter Plural, weiblichpeijarnapigerneflickornadie Mädchen
bestimmter Plural, sächlichhúzenhusenehusendie Häuser

Zahlwörter

ZahlBornholmskDänischSchwedischOrdnungszahlBornholmskDänischSchwedisch
1enenen1.fårsta/fåstaførsteförsta
2tototvå2.an(d)raandenandra
3tretretre3.treðe (, treðje)tredjetredje
4firafirefyra4.fjærefjerdefjärde
5fæmfemfem5.fæmtefemtefemte
6sajs (sæks)sekssex6.sjætesjettesjätte
7sjusyvsju7.sjuenesyvendesjunde
8åtaotteåtta8.åteneottendeåttonde
9nininio9.nieneniendenionde
10tititio10.tienetiendetionde
11ælevaelleveelva11.ælvuteellevteelfte
12taltolvtolv12.taltetolvtetolfte
13trætantrettentretton13.trætenetrettendetrettonde
14fjaurtanfjortenfjorton14.fjaurtenefjortendefjortonde
15fæmtanfemtenfemton15.fæmtenefemtendefemtonde
16sajstansekstensexton16.sajstenesekstendesextonde
17søtansyttensjutton17.søtenesyttendesjuttonde
18atanattenarton18.ateneattendeartonde
19nøtannittennitton19.nøtenenittendenittonde
20kyvetyvetjugo20.kyvenetyvendetjugonde
30træðuatredivetrettio30.træðevtetredivtetrettionde

Beispielsätze

BornholmskDänischDeutsch
God awtan liden Elna, gods freddGod aften, lille Elna, guds fredGuten Abend, kleine Elna, (in) Gottes Frieden
God awtan, min deilia rosa!God aften, min dejlige rose!Guten Abend, meine schöne Rose!
Ad gubbajn hajn vill freia, jâ vedd;At gubben vil fri, ved jegdass der Greis (dich) freien will, ich weiß
Men toustuijn, vastu jo tosa.Men tog du ham, var du jo en tosseAber nähmst du ihn, wärst du ja ein Narr
Te öfröl ded lakkar vell snarara, du,Til gravøl lakker det nok snarere, duZum Leichenschmaus passt das schon eher, du
En konna – ded bler nokk for sijlla;En kone – det bliver nok for sildeEine Frau – es wird wohl zu spät (sein)
Men jâ går å stjärnar på piblana nu,Men jeg går og kigger på pigerne nu,Aber ich gehe und schaue jetzt auf die Mädchen
Forr jâ e nå nu så vijlla.For nu er jeg næsten i stand dertil (til at gifte mig)Denn jetzt bin ich fast dazu imstande (zu heiraten)
Hvad, liden Elna,Hvad, lille Elna,Was, kleine Elna,
Hvad, min deilia rosa?Hvad, min dejlige rose?Was, meine schöne Rose?

Beispielwörter

BornholmskDänischSchwedischDeutsch
bellabørnbarnKinder
fiskafiskefiskarFische
gjårhegn/stengærde/GørstaketZaun, Steinwall, aber auch "Tu!" oder "Mach!"
jylkatpindsvinigelkottIgel
PiblaPigerflickaMädchen
prøvaprøveprövaproben, versuchen
pæng-apengepengarGeld
sjiltskiltskyltSchild
tjovlkjoleklänningKleid
Tjør!Kør!Kör!Fahr!
TjøvenhavnKøbenhavnKöpenhamnKopenhagen
tovtogtognahmen u. Ä.
tåg (g wird betont)togtågZug
vaejtavinkevinkawinken

Subdialekte

Man zählt fünf verschiedene Subdialekte auf Bornholm. So besteht ein deutlicher Unterschied in der Aussprache der Wörter ædja oder ævja (statt dänisch: tang für „Zange“ oder „Seetang“) oder Pibel oder Peia (statt pige für „Mädchen“) in den Dörfern Gudhjem im Norden und Pedersker im Süden. In Rønne, der größten Stadt der Insel, wird Rønne-fint gesprochen, eine Variante des Bornholmer Dialektes, bei der viele Beugungsformen fehlen und die schnell und unartikuliert gesprochen wird, weshalb sie dadurch der dänischen Standardsprache näher steht. Der Norden der Insel ist wiederum stärker vom Schwedischen beeinflusst, weil dort in den vorigen Jahrhunderten viele Schweden einwanderten. Daher wird der Dialekt in der Gegend von Allinge als Âlinga-svænsk (dänisch: Allinge-svensk, deutsch: „Allinge-Schwedisch“) bezeichnet. Der Dialekt in seiner „unverdorbenen“ Art wird tykt bornholmsk (etwa „dickes Bornholmisch“) genannt.

Literatur

  • Hanssaage Bøggild: Gyldendals bog om Bornholm. Gyldendal, Kopenhagen 2004, ISBN 9788702017465.
  • J.C.S. Espersen: Bornholmsk Ordbog. Kopenhagen 1908, neu aufgelegt vom Verlag Hardy Larsen 1994, ISBN 8798089382.

Weblinks

  • Erik Jensen: Bornholmske bella synger videre. In: Folkevirke. Mai 2007, archiviert vom Original am 23. November 2011; (dänisch).
  • Ud med Sproget om Bornholmsk. In: Danmarks Radio P1. Archiviert vom Original am 6. Januar 2013; (dänisch).

Fußnoten

  1. a b Nordisk Forskningsinstitut an der Universität Kopenhagen auf Anfrage des staatlichen Dansk Sprognævn, der dänischen Sprachkommission, siehe: Indenrigs- og Sundhedsministeriet: Bornholmsk in Danmarks tredje rapport i henhold til den europæiske pagt om regionale sprog eller mindretalssprog (PDF; 233 kB), Seite 7, April 2010 (dänisch), abgerufen im Juli 2010.