Boris Wladimirowitsch Assafjew

Grabstein Assafjews auf dem Nowodewitschi-Friedhof in Moskau

Boris Wladimirowitsch Assafjew (russisch Борис Владимирович Асафьев, Pseudonym Igor Glebow (russisch Игорь Глебов); * 17. Julijul. / 29. Juli 1884greg. in Sankt Petersburg; † 27. Januar 1949 in Moskau) war ein russischer Musikwissenschaftler und Komponist.

Leben

Assafjew studierte am Sankt Petersburger Konservatorium bei Nikolai Rimski-Korsakow und Anatoli Ljadow. 1910 wurde er Ballettkorrepetitor am Petersburger Mariinski-Theater. Seit 1921 leitete er die Abteilung für Musik des Staatlichen Instituts für Kunstgeschichte. 1925 gründete er die Musikwissenschaftliche Fakultät des Konservatoriums in Leningrad. Ab 1943 leitete er das Kunsthistorische Institut in Moskau.

Assafjew komponierte zehn Opern, zahlreiche Ballette, drei Sinfonien, zwei Kantaten und Lieder. Er trat außerdem als Autor musikwissenschaftlicher Werke (u. a. Die musikalische Form als Prozess, Die Musik in Russland) hervor.

Nach ihm ist der Assafjew-Gletscher in der Antarktis benannt.

Boris Asaf'ev über das Genre Romanze (sub nom de plume Igor Glebov)

Der im April 1916 im Fachheft „Der musikalische Zeitgenosse“ erschienene Aufsatz Igor Glebovs über verschiedene Romanzen Sergej I. Taneevs ist in der "Russischen Bibliothek Zürich" aufgefunden worden. Er analysiert aus kompositorischem Blickwinkel, wenn er schreibt:

"Wollte man sich speziell dem Wesen des russischen Sologesangs mit Begleitung des Pianoforte von Sergej I. Taneev vollständig widmen, so mag mit seinem op. 26 begonnen werden. Diese Romanze besaß noch nicht die unmittelbare, geistlich-geistige Ausdruckskraft, weist aber ein Maximum seelisch-spiritueller Anspannung auf. Mir scheint, dass es ohne die Bewertung der Bedeutung des lyrischen oder musikalischen Inhalts, ohne die Würdigung auch der Grenzen seines Beitrags zur Gattung Romanze, das Gesamtschaffen des Komponisten als solchem nicht ausreichend erschöpfend charakteristisch zur Darstellung gelangt." (…) Sergej I. Taneevs Bedeutung als Komponist von kammermusikalischer Ensemblemusik war an historischen Vorbildern der Gattung zwar satztechnisch orientiert, aber auch von schöpferisch neuen Ideen durchzogen gewesen. Doch insbesondere erlangte Sergej I. Taneev als Komponist von Vokalmusik die Bedeutung eines Ideals, - und dass bereits mit ein paar ungelungenen Kompositionsversuchen nur. Das mag an der klassischen Ausbalanciertheit, der organischen Zielgerichtetheit der zyklischen Formdisposition, seiner Streichquartett- und Streichquintettkonzeptionen gelegen haben, die es als Besonderheit zu erwähnen gibt. Das Textprofil, die poetischen Metaphern und Inhalte, die Entwicklung der lyrischen Sujets, von denen der Komponist erzählt, bezogen sich auf die intim-lyrischen Verse Afanassij Fets, auf den feinlinigen, spirituell unmittelbar wirkenden Metaphernreichtum des Schriftstellers Aleksej Tol'stoj, auf eine plagiierende Rezeption westlicher Vorbilder durch Schelling-Balmont ("Immortellen", hrsg. von Ellis'), auf die komplex vergeistigte Poesie der geistlichen Dichtung von Jaroslav Polonskij; sie bewiesen die Zielstrebigkeit, die Intention, ein Gleichgewicht zwischen Leben und Werk zu halten, das musikalisch inspiriertes Schaffen bedeutete, aber auch den Kampf um musikalisches Schöpfertum."[1]

Bedeutung

Als Analytiker und Kritiker gilt Assafjew als Begründer der russischen/sowjetischen Musikwissenschaft. Er prägte unter anderem den Begriff Simfonizm, der für die „... spezifische sowjetische Handhabung der zyklischen Sonatenform, der Gattung Symphonie schlechthin“ stehe.[2] Durch ihren konstruktivistischen Charakter war die Musikwissenschaft der frühen Sowjetzeit eng mit der Musikpraxis verbunden – Assafjew ist so unter anderem der Widmungsträger der 1. Symphonie von Sergei Prokofjew.

Werke

Opern

  • Aschenbrödel („Cinderella“), 1906,
  • Die Schneekönigin, 1907
  • Die Frau des Kämmerers, 1935
  • Minin und Posharski, 1936–1938
  • Altyn-Tschetsch („Das Mädchen mit den goldenen Haaren“), 1938
  • Der eherne Reiter, 1939
  • Das Gewitter, 1939–1940
  • Das Gelage während der Pest, 1940
  • Die slawische Schönheit („Das Zauberschloß“), 1940
  • Klaretta's Karriere, Operette, 1940
  • Herkules, Operette, 1941

Ballette

  • Die weiße Lilie („Dichterträume“), 1910–1914,
  • Das Geschenk der Fee, 1910
  • König Karneval, 1914
  • Das Eismädchen („Solveig“), 1918
  • La Carmagnola, 1918
  • Die Flamme von Paris, 1932
  • Die Fontäne von Bachtschissarai, 1933/34
  • Verlorene Illusionen, 1934
  • Partisanen, 1935
  • Der Gefangene im Kaukasus, 1936
  • Die Nacht vor Weihnachten, 1937
  • Die schöne Radda, 1937
  • Iwan Bolotnikow, 1938
  • Stepan Rasin, 1939
  • Aschik-Kerib, 1939/40
  • Porträts der Ballettkünstler - Ballettsuite, 1940
  • Sulamith, 1940/41
  • Schneeflöckchen, 1941
  • Graf Nulin, 1941–1943
  • Der Totengräber, 1943
  • Der Steinerne Gast, 1943
  • Lada, 1943
  • Francesca da Rimini, 1943
  • Die Prinzessin als Bäuerin, 1945
  • Frühlingsmärchen, 1946
  • Ein Frühlingsmärchen, 1946
  • Die Familie, 1947
  • Miliza, 1942–47

Ausgewählte Werke, Monographien

  • Symphonische Etüden. Petersburg 1922 (russ.)
  • Die musikalische Form als Prozess. - Verlag Neue Musik, 1976. ISBN 978-3-7333-0040-1
  • Alexander Borodin - Sein Leben, seine Musik, seine Schriften. - Verlag Ernst Kuhn, 1992. ISBN 978-3-928864-03-9
  • Programmheft Die Fontäne von Bachtschissarai. Ballett von Boris Assafjew. - Druckkombinat Berlin, 1970
  • Igor Glebov', Die Romanzen S. I. Taneevs, in: "Der musikalische Zeitgenosse", April (Bd. VIII) Petrograd 1916, S. 94–114.
  • Die Musik in Russland: (Von 1800 bis zur Oktoberrevolution 1917). Entwicklungen - Wertungen - Übersichten. - Verlag Ernst Kuhn, 1996. ISBN 978-3-928864-12-1

Auszeichnungen

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. N. Rimskij-Korsakov (Hrsg.): Die Romanzen S.I. Taneevs. VIII April Petrograd 1916, S. 94.
  2. Vladimír Karbusický: "Simfonizm", "Tematizm" und "Vokal'nost" als ästhetische Kategorien im Schaffen Schostakowitschs. In: Kölner Beiträge zur Musikforschung: Internationales Dmitri-Schostakowitsch-Symposion Köln 1985. Regensburg 1986, S. 166.
  3. a b c d e f Boris Assafjew - Biografie. Abgerufen am 13. April 2018 (russisch).

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