Boris Borissowitsch Piotrowski
Boris Borissowitsch Piotrowski (russisch Борис Борисович Пиотровский, wiss. Transliteration Boris Borisovič Piotrovskij; * 14. Februar 1908 in Sankt Petersburg; † 15. Oktober 1990 ebenda) war ein russischer Archäologe und Direktor der Eremitage in Leningrad.
Leben
Piotrowski entstammte einer Familie des polnischen Kleinadels, die jedoch bereits russifiziert war. Seine Großväter waren Generäle, sein Vater Lehrer an einer Militärschule. 1915 zog die Familie nach Orenburg, wo Boris Piotrowski von seiner Mutter eine schulische Grundausbildung erhielt; 1921 erfolgte der Umzug von Orenburg zurück nach Sankt Petersburg (das mittlerweile Petrograd hieß). Bereits zu seinen dortigen Schulzeiten interessierte Boris sich für Ägyptologie und unterstützte Natalja Dawidowna Flittner bei der Herausgabe eines Museumsführers für die Eremitage. Ab 1925 studierte er an der Universität Leningrad Archäologie, Ägyptologie und weitere altertumswissenschaftliche Fächer; zu seinen akademischen Lehrern gehörten Alexander A. Miller, Wassili Wassiljewitsch Struwe und Nikolai Jakowlewitsch Marr. Schon während seines Studiums nahm er an archäologischen Exkursionen Millers in den nördlichen Kaukasus und nach Transkaukasien teil und wurde Mitarbeiter an der Staatlichen Akademie für Geschichte der Materiellen Kultur. Später leitete er eine Grabungsexpedition in das armenisch-ostanatolische Grenzgebiet. Für seine bis dahin erschienenen Aufsätze erhielt Piotrowski den Grad eines Kandidats der Wissenschaften. Seit 1931 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Eremitage.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Boris Piotrowski als Partisanenkämpfer ausgebildet, kam jedoch wegen der Leningrader Blockade nicht als solcher zum Einsatz und wurde im belagerten Leningrad stattdessen zum Verantwortlichen für die Abwehr der Bombenangriffe auf die Eremitage. Im Jahr 1942 konnte er jedoch aus der unmittelbaren Kriegszone nach Armenien gebracht werden, wo er seine Monographie zum Urartäischen Reich fertigstellte und 1944 als Dissertation verteidigte. Nach Kriegsende kehrte er nach Leningrad zurück, wo er 1948 stellvertretender Direktor der Eremitage und 1953 auch Leiter des Leningrader Abteilung des archäologischen Instituts der sowjetischen Akademie der Wissenschaften wurde. Von 1961 bis 1963 leitete er die sowjetischen Ausgrabungen am Assuan-Staudamm. Im Jahre 1964 wurde er als Nachfolger von Michail Illarionowitsch Artamonow zum Direktor der Eremitage bestellt und gab im gleichen Jahr die Leitungsfunktion am Archäologischen Institut der Akademie auf. Ab 1965 lehrte er auch an der Leningrader Universität, an der er dem Lehrstuhl für den Alten Orient vorstand. Zeit für wissenschaftliche Forschungen blieb ihm mit seinen neuen Funktionen in den folgenden Jahren nur noch wenig. Zudem übte er verschiedene politische Funktionen, etwa als Mitglied des städtischen Sowjets von Leningrad, und Verbandsposten aus.
1970 wurde er zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR gewählt.[1] Neben zahlreichen anderen Ehrungen wurde Piotrowski am 5. Juni 1984 in den Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste als ausländisches Mitglied aufgenommen.[2] Seit 1967 war er korrespondierendes Mitglied der British Academy[3] und seit 1968 der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Er war verheiratet mit der armenischen Archäologin Hripsime Dschanpoladjan. Ihr Sohn Michail Borissowitsch Piotrowski (* 1944) ist seit 1992 Direktor der Ermitage.
Forschungen

Boris Piotrowskis Forschungen widmeten sich vorrangig den Kulturen der Skythen, den vorderasiatischen sowie den zentralanatolischen Völkern der frühen Antike. Sein besonderes Augenmerk galt dabei der bis dahin weitgehend unerforschten Geschichte des Urartäischen Reiches, eines in der Zeit vom 9. bis zum 6. vorchristlichen Jahrhundert um das Gebiet des Vansees blühenden Staates. Er entdeckte und beschrieb die Kultur dieses Reiches und schilderte dessen Einfluss und Ausstrahlung auf den Vorderen Orient und die frühgriechische mediterrane Welt. Bei der Leitung der Eremitage und seinen Forschungsergebnissen wahrte er trotz der in der Welt herrschenden ideologischen Spannungen absolute wissenschaftliche Objektivität.
Weblinks
- Literatur von und über Boris Borissowitsch Piotrowski im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Boris Piotrowkij beim Orden Pour le Mérite
Literatur
- Leo S. Klejn: Das Phänomen der sowjetischen Archäologie. Geschichte, Schulen, Protagonisten. Aus dem Russischen von D. Schorkowitz (= Gesellschaften und Staaten im Epochenwandel. Band 6). Peter Lang, Frankfurt 1997, ISBN 3-631-30646-6, S. 340–347.
Einzelnachweise
- ↑ Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724: Пиотровский, Борис Борисович. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 30. November 2021 (russisch).
- ↑ Der Orden „Pour le Mérite“ für Wissenschaft und Künste (Hrsg.): Die Mitglieder des Ordens. Bd. 3: Die Verstorbenen der Jahre 1953–1992. Lambert Schneider-Verlag, Gerlingen 1994, ISBN 3-7953-0374-5, S. 196.
- ↑ Deceased Fellows. British Academy, abgerufen am 17. Juli 2020.
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Piotrowski, Boris Borissowitsch |
| ALTERNATIVNAMEN | Piotrovskij, Boris Borisovič; Пиотровский, Борис Борисович (russisch) |
| KURZBESCHREIBUNG | russischer Archäologe und Direktor der Eremitage in Leningrad |
| GEBURTSDATUM | 14. Februar 1908 |
| GEBURTSORT | Sankt Petersburg |
| STERBEDATUM | 15. Oktober 1990 |
| STERBEORT | Sankt Petersburg |
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(c) Bundesarchiv, B 145 Bild-F078401-0011 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA 3.0
Boris Borissowitsch Piotrowskij (UdSSR)
Archäologe und Kunsthistoriker
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Բորիս Պիոտրովսկու դիմաքանդակ-հուշաքար
