Bolustod

Unter dem Bolustod (griech. bolos ‚Klumpen‘) oder Bissentod[1] versteht man einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand, der durch einen im Rachen feststeckenden Fremdkörper und damit einhergehenden Druck auf das Kehlkopf-Nervengeflecht von einem vagalen Reflex, verursacht werden soll. Während der Bolustod in vielen medizinischen Lehrbüchern tradiert wird, herrscht in Fachartikeln Uneinigkeit dazu, ob diese Pathologie existiert, oder viel mehr durch Aspiration in Kombination mit hohen Alkoholblutwerten zu erklären ist[2][3]. Davon abzugrenzen ist die Bolusobstruktion, bei welcher der Patient durch Aspiration eines Fremdkörpers erstickt.

Klinik

Vermutet wird, dass der Druck des Fremdkörpers auf den Vagus-Nerv zu einem Absenken der Herzrate, bis hin zum Herzstillstand führt. Starker Alkoholkonsum oder zerebrale Vorschädigungen wurden in den meisten von Bratzke u. Penning untersuchten Fällen gefunden.

Beim Bolustod bricht der Patient, nachdem der Fremdkörper sich im Rachen verklemmt hat, lautlos zusammen. Dies im Gegensatz zum Ersticken, wo der Patient nach Luft ringt und blau anläuft.

Die Hauptursache ist wie bei der Aspiration nicht oder ungenügend gekaute Nahrung. Daneben kommen auch andere verschluckte Gegenstände als Ursache des Bolustodes in Betracht, beispielsweise Zahnprothesen, kleineres Kinderspielzeug oder Münzen.

In Spanien gibt es den Brauch, zum Jahreswechsel bei jedem Glockenschlag (24:00 Uhr, zwölf Schläge) eine Weinbeere zu essen, was zum Bolustod führen kann. Ähnlich verhält es sich mit der Neujahrsspeise Mochi in Japan.

Vorbeugung

Man beachte die allgemein gültigen Ratschläge, langsam und bedächtig zu essen, die Nahrung gut zu kauen und nicht mit vollem Mund zu sprechen.

Der Bolustod kann durch kräftige Schläge auf den Rücken und/oder die Anwendung des nach Henry Heimlich benannten Heimlich-Handgriffs durch den Ersthelfer verhindert werden. Beim kooperativen oder bewusstlosen Patienten kann der geübtere Ersthelfer auch versuchen, den Fremdkörper durch einen direkten Griff in den Mund zu entfernen. Wenn der Fremdkörper nicht entfernt werden kann und ein Atem- und Herzstillstand hinzutritt, ist für den Ersthelfer die Herz-Lungen-Wiederbelebung das Mittel der Wahl.[4]

Besonders gefährdete Personen

Kleinkinder nehmen sehr oft Fremdkörper in den Mund und sind deshalb der Gefahr des Bolustodes verstärkt ausgesetzt. Bei Kindern unter einem Jahr sollte allerdings von der Anwendung des Heimlich-Manövers abgesehen werden. Stattdessen sollte das Kind mit nach unten zeigendem Kopf auf dem Unterarm gehalten werden und mit kräftigen Schlägen zwischen die Schulterblätter versucht werden, den Fremdkörper zu lösen. Auf keinen Fall darf das Kind an den Füßen festgehalten und nach unten hängen gelassen werden, da hier schwere Schäden an der Halswirbelsäule eintreten können. Auch hier kann ein Griff in den Mund helfen, da dem Ersthelfer nur wenige Sekunden zum Entfernen des Fremdkörpers bleiben. Starke Schläge auf den Rücken können durch die ausgelöste Vibration auch zur Ablösung des Fremdkörpers führen.

Gefährdet, einen Bolustod zu sterben, sind vor allem auch Personen, die zum Teil in unkontrollierter Weise Essen zu sich nehmen, also z. B. stark alkoholisierte Personen oder auch Menschen, die psychische Probleme haben wie z. B. „endogene Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis“. Durch minimale hirnorganische Schädigungen mit Störanfälligkeit von protektiven Reflexen funktioniert unter Umständen in diesem Personenkreis, vor allem nach einem langen chronischen Krankheitsverlauf, die Reflexkoordination beim Schluckvorgang nicht mehr einwandfrei.

Geschichte

Ursprünglich wurde der Begriff ‚Bolustod‘ 1908 von Georg Puppe eingeführt. Er bezeichnete damit einen Erstickungstod durch Speisebrocken. 1913 postulierte Kolisko den Larynx­schock und den damit verbundenen Vagusreflextod. Seither wird der Bolustod als reflektorischer Kreislaufstillstand infolge einer Fremdkörperobstruktion in verschiedenen Publikationen erwähnt.[5]

Einzelnachweise

  1. I. Wirth u. a.: Rechtsmedizin: Grundwissen für die Ermittlungspraxis. (= Grundlagen der Kriminalistik. Band 43). Verlag Hüthig Jehle Rehm, 2012, ISBN 978-3-7832-0021-8, S. 142, (online),
  2. Bratzke H., Penning R.: Bolustod - Ersticken oder Vagusreflex? In: Ersticken. Springer Verlag, 1990 (researchgate.net [PDF]).
  3. Mallach HJ., Oehmichen M.: Bolustod: Reflex oder Erstickung. In: Beiträge zur Gerichtlichen Medizin. Nr. 40, 1982, S. 473–485.
  4. A. J. Handley, R. Koster, K. Monsieurs u. a.: European Resuscitation Council guidelines for resuscitation 2005. Section 2. Adult basic life support and use of automated external defibrillators. In: Resuscitation. 67, Suppl 1, 2005, S. S7–S23. PMID 16321717.
  5. B. Brinkmann, K. Püschel: Ersticken. Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg 1990, ISBN 3-642-75757-X, S. 30–40, Bolustod - Ersticken oder Vagusreflex, abgerufen am 4. März 2016.

Literatur

  • Mohamed Youssry Abdel Aziz: Der Bolustod in der Gerichtlichen Medizin. Dissertation. Universität Tübingen, 1977, DNB 790871408.
  • Katja Doubek: Lexikon der merkwürdigen Todesarten. Seltsame Spielarten und Formen des Exitus von A wie Amoklauf bis Z wie Zyankali. Eichborn, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-8218-1521-3. (Taschenbuchausgabe: Piper 3408 „Ein Eichborn-Lexikon“, München 2002, ISBN 3-492-23408-9 / ISBN 3-492-23280-9, Stichwort „Bolustod“)
  • Frank Marusch: Der Bolustod: Eine Analyse von Literatur und gerichtsmedizinischen Sektionsfällen. Dissertation. Humboldt-Universität zu Berlin, 1990, DNB 911473718.
  • Thomas Maurer: Rechtsmedizinische Untersuchungen zum Bolustod. Dissertation. Münster 1984, DNB 840997523.
  • Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 262., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. de Gruyter, Berlin u. a. 2011, ISBN 978-3-11-021152-8, Stichwort: „Bolustod“.
  • I. Wirth, A. Schmeling: Rechtsmedizin – Grundwissen für die Ermittlungspraxis. 3. Auflage. Kriminalistik Verlag, Heidelberg/ München/ Landsberg/ Frechen/ Hamburg 2012, ISBN 978-3-7832-0021-8. (online abgerufen am 6. März 2016)