Boccaccio (Suppè)

Die Operetten-Sängerin Löwy in der von Suppè bewusst als Hosenrolle komponierten Titelfigur des „Boccaccio“ (Foto: Atelier „Fernande“, Wien. Inhaber: August Leutner (1848–1927), Aus: „Photographische Rundschau“. 1892).
Werkdaten
Titel:Boccaccio
Form:Operette
Originalsprache:Deutsch
Musik:Franz von Suppè
Libretto:Camillo Walzel und Richard Genée
Literarische Vorlage:Motive aus Boccaccios „Decamerone“
Uraufführung:1. Februar 1879
Ort der Uraufführung:Wien
Ort und Zeit der Handlung:Florenz 1331
Personen
  • Fiametta, Lambertuccios Ziehtochter (Sopran)
  • Giovanni Boccaccio, ihr Liebhaber (Alt)
  • Scalza, Barbier (Bassbuffo)
  • Beatrice, dessen Gattin (Mezzosopran)
  • Leonetto, Student, Beatrices Liebhaber (Bariton)
  • Lotteringhi, Fassbinder (Tenorbuffo)
  • Isabella, dessen Frau (Alt)
  • Pietro, Prinz von Palermo, ihr Liebhaber (Tenor)
  • Lambertuccio, Gewürzkrämer (Tenorbuffo)
  • Petronella, seine Frau (Alt)
  • Majordomus des Herzogs (Bariton)
  • Checco, ein Bettler (Bass)
  • Ein fahrender Buchverkäufer (Bariton)
  • Sieben Studenten (Sopran und Alt)
  • Sechs Gesellen (Tenor und Bass)
  • Haushofmeister des Herzogs (Sprechrolle)
  • Ein Lehrjunge (Sprechrolle)
  • Drei Mägde (Sprechrollen)
  • Bettler, Volk, Hofgesellschaft, Pagen, Gesellen (Chor, Ballett und Statisterie)

Boccaccio, oder Der Prinz von Palermo ist eine komische Oper bzw. Operette in drei Akten von Franz von Suppè. Das Libretto schrieben Camillo Walzel alias Friedrich Zell und Richard Genée, wobei allerdings Fiamettas Arie Hab ich nur deine Liebe, die Treue brauch ich nicht, die Vertonung eines bereits 1857 veröffentlichten Gedichtes von Suppès Freund Heinrich von Littrow ist.[1] Die Operette, deren Libretto Suppè bereits seit Herbst 1876 vorlag,[2] wurde am 1. Februar 1879 am Carltheater in Wien uraufgeführt und gilt als das erfolgreichste Bühnenwerk des Komponisten. Es handelt von Giovanni Boccaccio, dem berühmten Dichter des Decamerone, der hier selbst Held einer Liebesgeschichte wird.

Orchester

Zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, vier Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen, großes Schlagwerk und Streicher

Handlung

Erster Akt

Bild: Platz mit Kirche und dem Hause Scalzas

Ausgelassen feiert das Volk von Florenz das Fest des Schutzpatrons der Stadt auf den Straßen und Plätzen. Vor der Kirche preist ein Buchhändler die neuesten Novellen Giovanni Boccaccios an, die das lockere Leben der Florentiner Frauen zum Gegenstand haben. Darüber sind die Ehemänner sehr erbost, glauben sie doch fest an die Treue ihrer Gattinnen. Sie warten nur auf die Gelegenheit, des Dichters habhaft zu werden, um ihn verprügeln zu können. Drei ehrbare Bürger, der Fassbinder Lotteringhi, der Gewürzkrämer Lambertuccio und der Barbier Scalza sind die Wortführer. Letzterer ist gerade von einer Reise in seine Heimatstadt zurückgekehrt, sehr zur Überraschung seiner Frau Beatrice, die ihn noch in der Fremde wähnte. Sie hat gerade Besuch von dem Studenten Leonetto, der sie sehr verehrt. Ihm hat sich dessen Freund Boccaccio angeschlossen. Beatrice gaukelt nun ihrem Mann vor, zwei sich streitende Studenten hätten sich gewaltsam Einlass in ihr Haus verschafft. Um Beatrices Bericht glaubhaft erscheinen zu lassen, kämpfen die „Eindringlinge“ zum Schein mit ihren Degen und beschimpfen sich wüst. Scalza fürchtet, in den Streit hineingezogen zu werden, und ergreift die Flucht.

Boccaccio ist in Fiametta, die Pflegetochter der Lambertuccios, verliebt. Die Schöne erwidert seine Liebe, ohne zu wissen, dass er der berühmte Dichter ist. Er macht sich auf die Suche nach ihr. Dabei trifft er auf Pietro, einen Prinzen aus Palermo. Der Herzog von Palermo möchte ihm gerne seine nichteheliche Tochter, die in Florenz lebt, zur Frau geben, und hat ihn deshalb zur Brautwerbung nach dort entsandt. Als Pietro erkennt, dass der junge Mann der von ihm so hoch geschätzte Dichter Boccaccio ist, will er gleich sein Schüler werden.

Die Ehemänner von Florenz glauben, in dem Prinzen den ihnen verhassten Dichter erkannt zu haben, und verabreichen ihm eine Tracht Prügel. Als sie merken, dass sie sich geirrt haben, machen sie ihrem Ärger Luft, indem sie sich auf den Buchhändlerkarren stürzen und ihn umkippen. Einem herumstehenden Bettler befehlen sie, die Schriften anzuzünden. Der Bettler ist aber kein anderer als Boccaccio selbst, der Verkleidungen liebt. Notgedrungen muss er seine eigenen Werke in Flammen setzen.

Zweiter Akt

Bild: Platz vor den Häusern des Fassbinders und des Gewürzkrämers

Pietro hat ein Auge auf Isabella, die schöne Gattin des Fassbinders, geworfen und bringt ihr ein Ständchen dar, während Boccaccio Fiametta den Hof macht. Leonetto ist dazu ausersehen worden, sich einstweilen um die ältliche Petronella zu kümmern. Boccaccio und Pietro nutzen die Gunst der Stunde, solange die Hausherren in der Schänke zechen. Als Lotteringhi unerwartet nach Hause kommt, versteckt sich Pietro in einem Fass. Trotzdem wird er sofort von dem Ankommenden erkannt. Isabella ist jedoch um keine Ausrede verlegen; sie behauptet einfach, der Fremde sei ein Kunde und wolle die Qualität des Fasses genau prüfen.

Boccaccio hat sich als Bauernbursche verkleidet und dient sich dem gleichfalls heimkommenden Lambertuccio als Olivenpflücker an. Dabei macht er dem Leichtgläubigen weis, der Olivenbaum sei verhext. Von ihm aus sähe man nur sich küssende Pärchen. So kommt es, dass Lambertuccio seine Nachbarin Isabella mit dem Prinzen, seine Pflegetochter mit Boccaccio und – zu seinem großen Erstaunen – seine eigene Frau mit Leonetto traut vereint sieht. Plötzlich taucht Scalza auf und bereitet Boccaccios Schwindel ein jähes Ende. Er berichtet Lambertuccio, der junge Mann, den er auf seinem Anwesen sehe, sei tatsächlich der vermaledeite Dichter.

Auf der Jagd nach Boccaccio fällt den drei ehrsamen Florentiner Bürgern erneut ein Unschuldiger in die Hände: ein vom Herzog Beauftragter, der Fiometta, seine leibliche Tochter, abholen soll. Boccaccio, Pietro und Leonetto verhüllen rasch ihre Gesichter mit Teufelsmasken und kommen so ungeschoren davon.

Dritter Akt

Bild: Schlosspark mit Gartenterrasse

Der Abgesandte war kein Geringerer als der Herzog selbst. Weder Pietro noch Fiametta ist glücklich darüber, dass sie der Herzog füreinander bestimmt hat. Pietros Herz schlägt immer noch für Isabella, und Fiametta geht der Fremde, den sie für einen Studenten hält, nicht aus dem Kopf. Die Ehemänner von Florenz wollen den Herzog ersuchen, Boccaccio des Landes zu verweisen, lassen aber davon ab, als sie erfahren, dass der Dichter des Herzogs volle Gunst genieße. Nach der Aufführung einer von Boccaccio verfassten Commedia dell’arte wird der Dichter zum Professor an der Florentiner Universität ernannt und darf seine geliebte Fiametta bald zum Traualtar führen.

Musik

Der Musik gelingt es, den komödiantischen Übermut des Textes brillant umzusetzen. Sie ist voller Einfälle, glänzend orchestriert und sehr eingängig. Der Abstand zwischen Operette und komischer Oper ist an vielen Stellen aufgehoben. Musikalische Höhepunkte sind:

  • der Misericordia-Chor der Bettler am Anfang,
  • die Duell-Musik voller Witz und Esprit,
  • Wonnevolle Kunde (Walzerlied – Terzett),
  • Fiamettas Arie Hab ich nur deine Liebe, die Treue brauch ich nicht (Text von Suppès Freund Heinrich von Littrow)[3] und
  • das Duett zwischen Fiametta und Boccaccio Mia bella Fiorentina / Florenz hat schöne Frauen

Literatur

  • Anton Würz: Reclams Operettenführer. 23. Auflage. Reclam, Stuttgart 2002, ISBN 3-15-010512-9.
  • Hellmuth Steger, Karl Howe: Operettenführer. Von Offenbach bis zum Musical. 1. Auflage, Fischer Bücherei Nr. 225, Frankfurt am Main / Hamburg 1958.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andreas Weigel: Heinrich von Littrow, der echte Textautor von Suppès „Boccaccio“-Hit „Hab‘ ich nur Deine Liebe“.
  2. „Die bislang früheste bekannte Erwähnung von Suppès Beschäftigung mit dem „Boccaccio“-Libretto stammt vorerst aus der Grazer „Tagespost“. Sie berichtet am 14. November 1876, dass Suppè „wieder eine neue Operette „Boccaccio“ [schreibe], welche noch in dieser Saison [1876/77] in Scene gehen soll.““ Über die Garser „Boccaccio“-Komposition, in: Andreas Weigel: Franz von Suppè (1819–1895). Mensch. Mythos. Musiker. Ehrenbürger von Gars. Begleitpublikation zur Jubiläums-Ausstellung des Zeitbrücke-Museums Gars. Mit Beiträgen von Andreas Weigel, Anton Ehrenberger, Ingrid Scherney und Christine Steininger. Gars am Kamp 2019, 165–195, hier 172.
  3. Andreas Weigel: Heinrich von Littrow, der echte Textautor von Suppès „Boccaccio“-Hit „Hab‘ ich nur Deine Liebe“.

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Atelier „Fernande“ (Inhaber Herr August Leutner [(1848-1927)])

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Franz von SuppèsBoccaccio. Wir hoffen den Wünschen zahlreicher Leser zu begegnen, wenn wir nach längerer Pause wieder einmal eine Atelier-Aufnahme als Beilage bringen. Unsere Wahl fiel auf ein sehr hübsches Bild - die Operettensängerin Fräulein Löwy im kleidsamen „Boccaccio“-Costume darstellend - aus dem photographischen Atelier „Fernande“ (Inhaber Herr August Leutner [(1848-1927)]) in Wien.“ („Photographische Rundschau“. 1892 S. 439f., hier S. 439).