Blutgruppendiät

Die Blutgruppendiäten sind ein alternativmedizinisches Diätkonzept, das auf der Theorie des amerikanischen Naturheilkundlers Peter J. D’Adamo beruht.[1] Vertreter der Blutgruppendiäten postulieren, dass Menschen mit unterschiedlichen Blutgruppen Lebensmittel „evolutionär bedingt“ unterschiedlich gut vertragen. Zwischen Ernährungswissenschaftlern, Medizinern und Wissenschaftlern herrscht Konsens darüber, dass es für die Theorien der Blutgruppendiät keine wissenschaftliche Grundlage gibt.[2][3][4][5]

Eine entsprechende Einschränkung der Auswahl soll die Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern und das Krankheitsrisiko senken. Vertreter der Blutgruppendiäten gehen davon aus, dass sich Menschen der verschiedenen Blutgruppen zu bestimmten Zeitpunkten der Menschheitsgeschichte entwickelt haben. Der 0-Typ („der Jäger“) sei danach eher ein Fleischesser; unter anderem manche Hülsenfrüchte, Weizen, Milch und Milchprodukte seien eher ungesund für ihn. Der A-Typ („der Landwirt“) sei von Natur aus Vegetarier; er sollte Fleisch und Milchprodukte, aber auch manche Bohnen und Weizen meiden. Der B-Typ („der Nomade“) wird als Allesesser beschrieben; er vertrage alle Lebensmittel bis auf wenige Ausnahmen wie Hühnerfleisch gut. Der AB-Typ („der Rätselhafte“) sei Mischköstler; für ihn seien wenig Fleisch, viele Milchprodukte, Getreide und Eier, Brot und Gebäck günstig. Im Rahmen dieser Theorie geht D’Adamo davon aus, dass Menschen mit unterschiedlichen Blutgruppen auf in der Nahrung enthaltene Lektine verschieden reagieren. Er behauptet, dass die Aufnahme von mit dem Antigen der eigenen Blutgruppe unverträglichen Lektinen zu Verklumpungen der Erythrozyten und Krankheiten führt. Beweise für diese Hypothesen sind bis heute in der wissenschaftlichen Literatur nicht beschrieben.[6]

Theorie der Diät

Laut Peter D’Adamo soll die Blutgruppe 0 die älteste Blutgruppe sein. Sie entwickelte sich schon, als die Menschen noch Jäger und Sammler waren. Daher seien Menschen mit Blutgruppe 0 laut der Blutgruppendiät an fleischreiche Nahrung gewöhnt, nicht aber an Getreide oder Milchprodukte, da es zu dieser Zeit weder Ackerbau noch Viehzucht gab. So sollen also Menschen mit Blutgruppe 0 auch heute täglich Fleisch essen, um gesund zu bleiben, und auf Getreide, vor allem auf Weizen sowie auf Milch verzichten. Welche Blutgruppe des Menschen die älteste „Urblutgruppe“ ist, konnte wissenschaftlich noch nicht geklärt werden. Molekularbiologische Forschungen zeigen, dass die Blutgruppe 0 wahrscheinlich schon vor mindestens 5 Millionen Jahren als genetische Mutation aus der Blutgruppe A entstanden ist.[7] Da Menschenaffen ebenfalls die Blutgruppen 0, A und B haben, gilt es als unwahrscheinlich, dass die Blutgruppen etwas mit menschlichen Wirtschaftsformen zu tun haben.[8]

Die Blutgruppe A entstand laut D’Adamo mit den ersten Bauern. Sie sollen vor allem Gemüse und Getreide essen, aber kein Fleisch und keine Milch, da die ersten Bauern angeblich keine Tiere zur Nahrungserzeugung hielten. Die Blutgruppe B soll sich unter Viehzüchtern in Asien entwickelt haben, dem „Nomaden-Typ“, daher seien Menschen mit Blutgruppe B an Milch gewöhnt, auch bestimmte Fleisch- und Getreidesorten sollen zu ihrer natürlichen Nahrung gehören. Die Blutgruppe AB sei in jüngerer Zeit aus der Vermischung der Blutgruppen A und B entstanden und symbolisiere den modernen Menschen.

Blutgruppen und Krankheiten

D’Adamo bezieht sich auf entsprechende Studienergebnisse zu Blutgruppen, um seine Theorie zu stützen.

Bestimmte Blutgruppen sind anfälliger für bestimmte Krankheitserreger als andere, da sie jeweils spezifische Antikörper und Antigene haben.[9] Für Pocken sind daher besonders Menschen mit Blutgruppe A anfällig, während Träger der Blutgruppe 0 früher besonders der Pest zum Opfer fielen und heute von den Magengeschwüre verursachenden Bakterien besonders betroffen sind. Menschen mit Blutgruppe A sind statistisch anfälliger für verschiedene Krebsarten wie Brustkrebs sowie für Herzinfarkte.[10][11] Andere Studien ergaben jedoch ein erhöhtes Krebsrisiko für Blutgruppe B.[12] Die Aussagen sind also uneinheitlich, die Gründe sind ungeklärt. Träger der Blutgruppe B sind statistisch häufiger von Asthma betroffen.

Rezeption

Im Jahr 2000 bewertete die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): „In keinem Fall ist wissenschaftlich dokumentiert, dass Lectine aus Lebensmitteln im Blut zu Verklumpungen (Agglutinationen) führen. (…) D’Adamo verwendet ungesicherte, verführerisch einfach klingende Annahmen als Fakten und stellt Lectine in Nahrungsmitteln als eine generelle Gefahr dar. (…) Die meisten pflanzlichen Lectine sind unschädlich. (…) Zudem zerstört Erhitzen die Lectinaktivität in fast allen Nahrungsmitteln mit Ausnahme von gerösteten Erdnüssen (…).“[13]

Die Stiftung Warentest bewertete im Jahr 2005: „Da wir trotz jahrhundertelanger Verstöße gegen diese Regeln immer noch am Leben sind, stellt sich die Frage nach dem Sinn und Unsinn der Diät. (…) Die Rolle der Lektine in der Nahrung wird von D’Adamo erheblich überschätzt und seine blutgruppenspezifische Ernährung entbehrt jeder Grundlage. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beurteilt die meisten pflanzlichen Lektine als unbedenklich (dass man Gartenbohnen roh nicht in größeren Mengen essen darf, ist inzwischen hinlänglich bekannt). Eine Verklumpung von Blutzellen wurde bisher in keinem einzigen Fall festgestellt. Und Belege dafür, dass Erkrankungen durch die Blutgruppendiät positiv beeinflusst werden, fehlen ebenfalls.“[14]

Die systematische Übersichtsarbeit von Leila Cusack et al. aus dem Jahr 2013 kam zu dem Ergebnis, dass aktuell keine Beweise existieren, die die vorgeblichen Gesundheitsvorteile der Blutgruppendiäten bestätigen.[15]

Die britische Organisation der Ernährungswissenschaftler führte die Blutgruppen-Diät 2019 in ihren Top-5-Modediäten, die es zu vermeiden gilt.[16]

Literatur

  • Anita Hessmann-Kosaris: Die Blutgruppen-Diät. Das bahnbrechende Ernährungsprogramm für Vitalität, Wohlbefinden und eine schlanke Figur. Verlag Goldmann, 2000, ISBN 3-442-16283-1
  • Peter D’Adamo, Catherine Whitney: 4 Blutgruppen, 4 Strategien für ein gesundes Leben. 23. Auflage. Verlag Piper, 2000, ISBN 3-492-04118-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Lebenslauf von D’Adamo auf seiner Website D’Adamo trägt als akademischen Grad ein N. D. (naturopathic doctorate) des Bastyr College (Seattle, WA, USA).
  2. Leila Cusack, Emmy De Buck, Veerle Compernolle, Philippe Vandekerckhove: Blood type diets lack supporting evidence: a systematic review. In: The American Journal of Clinical Nutrition. 2013, abgerufen am 21. Februar 2022.
  3. Blood type diet: What is it? Does it work? - MayoClinic.com. 12. Juni 2011, archiviert vom Original am 12. Juni 2011; abgerufen am 21. Februar 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mayoclinic.com
  4. eMJA: Roberts, Quick weight loss: sorting fad from fact. (Nicht mehr online verfügbar.) 24. August 2011, archiviert vom Original am 24. August 2011; abgerufen am 21. Februar 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mja.com.au
  5. Jingzhou Wang, Bibiana García-Bailo, Daiva E. Nielsen, Ahmed El-Sohemy: ABO Genotype, ‘Blood-Type’ Diet and Cardiometabolic Risk Factors. In: PLOS ONE. Band 9, Nr. 1, 15. Januar 2014, ISSN 1932-6203, S. e84749, doi:10.1371/journal.pone.0084749, PMID 24454746, PMC 3893150 (freier Volltext).
  6. Blutgruppendiäten ohne bewiesenen Nutzen. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Presseinformation, 2013.
  7. Christine M. Cserti, Walter H. Dzik: The ABO blood group system and Plasmodium falciparum malaria. In: Blood. Band 110, Nr. 7, 2007, S. 2250–2258 (hematologylibrary.org).
  8. 3sat-Beitrag zu Blutgruppen
  9. Relationship of Blood groups to disease: do blood group antigens have a biological role? (PDF; 157 kB); 161 kB
  10. The role of blood group antigens in infectious diseases. PMID 10791886
  11. ABO blood groups and coronary heart disease (CHD). A study in subjects with severe and latent CHD. PMID 7455973
  12. Familial and sporadic breast cancer cases in Iceland: a comparison related to ABO blood groups and risk of bilateral breast cancer. PMID 3170024
  13. „Blutgruppendiät ist wissenschaftlich nicht haltbar“, Pressemitteilung, in DGE aktuell 19/00, 13. Juni 2000
  14. Diäten im Vergleich: Diäten aller Art, Psycho- und Blutgruppen-Diäten. In: test.de, 1. Mai 2005, Stiftung Warentest
  15. Leila Cusack, Emmy De Buck, Veerle Compernolle, Philippe Vandekerckhove: Blood type diets lack supporting evidence: a systematic review In: Am J Clin Nutr. 2013 Jul;98(1):99-104. doi:10.3945/ajcn.113.058693. PMID 23697707.
  16. BDA Releases Top 5 Celeb Diets to Avoid in 2019. 31. Juli 2020, archiviert vom Original am 31. Juli 2020; abgerufen am 21. Februar 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bda.uk.com