Blankettverweisung

Eine Blankettverweisung ist eine Verweisung in einer Bußgeld- oder Strafvorschrift, die zur Beschreibung des Tatbestandes auf außerhalb des Gesetzes erlassene Rechtsquellen, insbesondere EU-Rechtsakte oder Rechtsverordnungen, abstellt (sog. Blankettnorm, Blankettvorschrift oder Blankettgesetz).[1] Die Bezeichnung als Blankettverweisung rührt daher, dass die Anwendbarkeit der Blankettnorm durch das Bestehen der referenzierten Vorschriften bedingt ist.[2]

Es wird unterscheiden zwischen einem dynamischen Verweis, der auf die entsprechende Vorschrift in ihrer jeweils aktuellen Fassung verweist[3], und einer statischen Verweisung, die auf ein Gesetz in einer bestimmten Fassung (üblicherweise durch Angabe der EU-Amtsblatt- oder Bundesgesetzblatt-Fundstelle) verweist.

Beispiel für eine dynamische Verweisung ist die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO:[4]

… bestraft wird, wer „den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht“.

Was eine steuerlich erhebliche Tatsache ist, richtet sich nach dem Steuerrecht in der Fassung, die zur Tatzeit gilt. § 370 AO verweist somit „blank“ auf außerhalb stehendes Recht. Dynamisch ist der Verweis, weil sich das Steuerrecht, auf das § 370 AO verweist, häufig ändert.[5] Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot sind insbesondere Blankettgesetze im Strafrecht verfassungsrechtlich umstritten, wenn sie hinsichtlich der Strafbarkeitsvoraussetzungen auf andere Vorschriften verweisen.[6] Ein Beispiel bildet der Beschluss[7] des Bundesverfassungsgerichts vom 3. November 2016, bei dem § 10 I, III Rindfleischetikettierungsgesetz mangels Einhaltung des Bestimmtheitsgebots im Fall einer dynamischen Blankettverweisung zur Begründung der Strafbarkeit für nichtig erklärt wurde.

Literatur

  • Ulrich Karpen: Die Verweisungstechnik im System horizontaler und vertikaler Gewaltenteilung, in: Jürgen Rödig et al. (Hg): Studien zu einer Theorie der Gesetzgebung, Berlin, Heidelberg 1976, S. 221–243. ISBN 978-3-642-52191-1

Einzelnachweise

  1. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Handbuch des Nebenstrafrechts, 3. Aufl., 2018, Rn. 201.
  2. Handbuch des Nebenstrafrechts, Rn. 201.
  3. BAG, Beschluss vom 23. Juni 1992, Az.:1 ABR 9/92 (Memento desOriginals vom 17. November 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jurion.de zu Verweisungen in einer Betriebsvereinbarung auf den jeweils geltenden Rahmentarifvertrag; BAG, Urteil vom 22. Februar 2012 – 4 AZR 8/10 zur dynamischen tarifvertraglichen Verweisung auf einen anderen Tarifvertrag; Michael Hoffmann, Boris Alles: Anm. zu BAG, Urt. v. 22.2.2012 - 4 AZR 8/10 (Auswirkungen von Änderungen des Bezugstarifvertrages auf Verweisungstarifvertrag im Nachwirkungsstadium bei dynamischen Blankettverweisungen), in jurisPR-ArbR 32/2012
  4. Jens Bülte: Zur Strafbarkeit der Verschleierung von Sanktionsansprüchen als Umsatzsteuerhinterziehung. Der Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 2011 (2 BvR 542/09) = HRRS 2011 Nr. 1128, HRRS November 2011.
  5. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2003, Az.: 2 BvR 150/03 zur hinreichenden Bestimmtheit des § 370 AO
  6. BGH, Urteil vom 23. Juli 1992, Az.:4 StR 194/92 (Memento desOriginals vom 17. November 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jurion.de; Helmut Satzger, Georg Langheld: Europarechtliche Verweisungen in Blankettstrafgesetzen und ihre Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 17. März 2011, 5 StR 543/10; HRRS 11/2011, 460
  7. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016, Az. 2 BvL 1/15