Biometeorologie

Die Biometeorologie (gebildet aus altgriechisch βίοςbíos, deutsch ‚Leben‘, μετέωρονmetéoron, deutsch ‚Himmelserscheinung, Lufterscheinung‘ und λόγοςlógos, deutsch ‚Lehre‘) ist ein Teilgebiet der Meteorologie und interdisziplinäre Wissenschaft. Sie behandelt direkte und indirekte Zusammenhänge zwischen der Atmosphäre, dem Weltraum und biologischen Systemen wie dem Menschen und verschiedenen Ökosystemen. Synonyme Begriffe sind die Medizinmeteorologie, die Bioklimatologie, Medizinische Klimatologie und Meteoro-Biologie, umgangssprachlich Biowetter. Geforscht wird zu Beziehungen zwischen Wetter und Gesundheit.

Bereiche

Biometeorologische Disziplinen sind die phytologische Biometeorologie, die sich mit Wettereinflüssen auf das Pflanzenwachstum und geographische Ausbreitung befasst, die zoologische Biometeorologie, die Humanbiometeorologie sowie weitere Teilgebiete. Eng verzahnt ist Biometeorologie mit den Biowissenschaften und insbesondere der Ökologie sowie in Bezug auf meist höhere Säugetiere mit der Medizin.

Untersuchungsgegenstände und Aufgabenstellungen

Die Reaktion biologischer (und auch rein biochemischer) Vorgänge auf Wettereinflüsse wird als Biotropie bezeichnet, die entsprechenden Reaktionen ganzer biologischer Systeme hingegen als Meteorotropie.

Eine Mehrheit der Bevölkerung bestätigte in demoskopischen Umfragen, wetterfühlig zu sein. Die Zusammenhänge selbst sind jedoch meist komplexer Natur, teilweise schwer nachweisbar und mitunter widersprüchlich.

Die Untersuchung der Einflüsse starker natürlicher elektromagnetischer Felder, wie bei Gewittern; auch durch die natürlichen Sferics sind Gegenstand biometeorologischer Forschung.

Geschichte

Schon seit dem Altertum beschäftigt sich der Mensch mit Einflüssen des Wetters und des Klimas sowie der geographischen Position auf seinen Gesundheitszustand. Das Nisaba-Lied aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. (Tell-Halaf-Kultur siehe auch das Gilgamesch-Epos) gibt erste überlieferte biometeorologische Hinweise. Im Buch Hiob des Alten Testaments findet sich ein weiterer derartiger Hinweis. Im 5. Jahrhundert v. Chr. entstand die hippokratische Schrift „Luft, Wasser, Lage“, die sich ausführlich diesen Fragen widmet. Hippokrates beschreibt darin das gehäufte Zusammentreffen von Tropikluft mit Entzündungen und Polarluft mit Koliken. Bei Erkrankungen der Lunge empfahl Galen Klimawechsel.

Das friesische Lex Frisionum aus dem 9. Jahrhundert bezieht sich ausdrücklich bei der Strafzumessung bei Körperverletzung auf Wettereinflüsse, die beim Schmerzensgeld zu berücksichtigen seien.

Alexander von Humboldt (1796–1859) betonte die Bedeutung der Atmosphäre für das Pflanzenwachstum, auch die Gesundheit des Menschen und führte den Begriff Klima ein.

Der moderne Begriff Biometeorologie entstand 1956 auf einem Symposium in Paris.

Methoden und Größen

Interdisziplinär setzt die Biometeorologie auf beobachtende physiologische Studien, Wettersimulationen in Klimakammern sowie statistische Auswertung vorhandener meteorologischer und medizinischer Daten. Man bedient sich im Wesentlichen der Arbeitsmethoden der Mikroklimatologie.

Die Humanbiometeorologie ermittelt vor allem die besonderen Bedingungen, unter denen der menschliche Organismus arbeitet. Die größte Bedeutung hat die gefühlte Temperatur und mit ihr Windchill und Humidex. Im Interesse liegen auch die spezifischen Unterschiede in der Wetterverträglichkeit gesunder und kranker Menschen.

Zur Beurteilung des Klimas in Bezug auf das Temperaturempfinden wird häufig der Predicted Mean Vote (PMV) herangezogen, eine aus der Behaglichkeitsgleichung berechnete Größe, die angibt, wie viele Menschen ein Klima voraussichtlich als unangenehm bewerten. Der PMV wird z. B. im Klima-Michel-Modell des Deutschen Wetterdienstes genutzt, um Aussagen über das Wohlbefinden eines Durchschnittsmenschen machen zu können. Dieser „Michel“ ist 1,75 m groß, 75 kg schwer, hat eine Körperoberfläche von 1,9 m² und ein Alter von rund 35 Jahren.

Medizin-meteorologische Vorhersagen

Ergebnisse der meteorologischen Forschung führten zur Einführung verschiedener Warndienste um betroffene wetterfühlige Menschen, oder bestimmte Bevölkerungsgruppen vor verschiedenen wetterbedingten Beeinträchtigungen (z. B. durch Föhnwind) oder auch wetterbedingten Allergenkonzentrationen, Staubbelastungen oder Ozonbelastungen zu warnen. Seit etwa 15 Jahren verbreiten die Medien tägliche „Biowetterberichte“.

Nur wenige Einflüsse sind jedoch wissenschaftlich bewiesen. Insbesondere seien Prognosen problematisch, die bestimmte Wetterlagen für konkrete Beschwerden verantwortlich machen. Jürgen Kleinschmitt von der Universität München bezeichnet solche Prognosen „ähnlich wie Horoskope“. Hans Richner von der ETH Zürich sagte: „Vor Koliken, Narbenschmerzen und anderen Beschwerden zu warnen, ist Unsinn“.[1]

Literatur zum Thema

  • Alexander von Humboldt: Kosmos. Band 1. J. G. Cotta’scher Verlag, Stuttgart u. a. 1845, S. 340, 361.
  • Volker Faust: Biometeorologie. Der Einfluß von Wetter und Klima auf Gesunde und Kranke. Sonderauflage. Hippokrates, Stuttgart 1979, ISBN 3-7773-0394-1.
  • Solco W. Tromp: Medical Biometeorology. Weather, Climate and the living Organism. Elsevier, Amsterdam u. a. 1963.
  • Thomas Kistemann: Klimatologie, medizinische. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. Walter de Gruyter, Berlin und New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 756 f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Experten halten Biowetter-Vorhersagen für Unsinn Spiegel Online vom 11. Oktober 2009.