Bille und Zottel

Bille und Zottel
LandDeutschland Deutschland
GenreKinder- und Jugendliteratur
AutorRosemarie Eitzert als Tina Caspari
VerlagFranz Schneider Verlag
Erstpublikation1976 – 2008
Ausgaben21

Bille und Zottel ist der Titel einer 21-bändigen Pferdebuchserie der deutschen Jugendbuchautorin Rosemarie Eitzert unter ihrem Pseudonym Tina Caspari. Die Handlung der Serie wurde von der Biographie ihrer Autorin beeinflusst – so stammt Billes Mutter wie Tina Casparis Familie aus Ostpreußen. Auch das Pony Zottel hat ein reales Vorbild.

Handlung und Hauptfiguren

Hauptfigur der Bücher ist die zu Beginn der Serie zwölfjährige Sibylle Abromeit, genannt Bille, die mit ihrer verwitweten Mutter in dem kleinen schleswig-holsteinischen Dorf Wedenbruck lebt. Billes Mutter heiratet wieder – Billes Stiefvater „Onkel Paul“. Bille hat ein sehr enges Verhältnis zu ihrem Stiefvater, der wesentlich nachsichtiger ist als ihre energische Mutter.

Bille träumt vom Reiten; ihre Mutter ist jedoch zunächst dagegen. Durch einen Unfall lernt Bille ihr heimliches Idol, den berühmten Turnierreiter Hans Tiedjen kennen, der ihr das Reiten beibringt. Schließlich bekommt sie ihr rotgeschecktes Pony Zottel, das aus einem heruntergekommenen Wanderzirkus befreit wurde. Zottels Streiche – meistens geht es um seine Gefräßigkeit und Ausbruchsversuche – machen einen Großteil der Handlung aus.

Billes beste Freundin wird Bettina, die auf dem Gutshof der Familie Henrich lebt. Sie ist die Nichte der Henrichs und wächst bei ihnen auf, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Bettina ist zunächst traumatisiert und unzugänglich, findet jedoch durch die Freundschaft mit Bille und den Umgang mit Pferden neuen Lebensmut. Bettinas Cousin Simon, ebenfalls ein begabter Reiter, wird Billes Freund. Weitere wichtige Charaktere sind Simons Brüder Daniel und Florian, Herrn Tiedjens Sohn Tom, der Motorradfan Karlchen sowie ab Band 8 der Lehrer Ignaz Albert und Schüler des Reiterinternats.

Die Gruppe der reitbegeisterten jungen Leute um Bille zeichnet sich besonders durch ihre Hilfsbereitschaft, ihr Engagement für Freunde und Familie sowie ihren Zusammenhalt und ihre Kreativität aus. Sie übernehmen Verantwortung in der Dorfgemeinschaft und sind stets zur Stelle, wenn mit Hilfe ihrer Pferde ein verunglückter Lastwagen aus dem Graben gezogen oder ein Gehöft vor Hochwasser evakuiert werden muss. Fast von Beginn an, aber im Verlauf der Serie zunehmend, wird das Turnierreiten auch kritisch beleuchtet und stets die Frage nach dem richtigen und artgerechten Umgang mit den Tieren gestellt.

In Band 8 kommen zahlreiche neue Charaktere hinzu, da im Gutshaus Groß-Willmsdorf (Herrn Tiedjens Zuhause) ein Reiterinternat eröffnet wird. Hier verbindet die Autorin zwei erfolgreiche Kinderbuchthemen – Pferde und Internatsleben. Band 16 spielt erstmals im Ausland – Simon und Bille reisen gemeinsam nach Wien, besuchen die Spanische Hofreitschule und fahren nach Ungarn in die Puszta.

Im Laufe der Jahre wird Bille zu einer bekannten Turnierreiterin und vernachlässigt darüber immer wieder ihre Familie, was zu Konflikten führt. Bille sieht jedes Mal ihr Unrecht ein, eine Änderung ihres Verhaltens ist jedoch nicht zu erkennen. Auch andere Themen wiederholen sich – so werden mehrere Umweltskandale aufgedeckt, Billes Freund Simon interessiert sich wiederholt für andere Mädchen, kehrt aber jedes Mal zu Bille zurück. Auch alle anderen Jugendlieben halten für immer. Der letzte Band schließt mit einer Doppelhochzeit – Bille und Simon heiraten, ebenso Tom und Bettina.

Die ersten Bände der Reihe spielen in den späten 1970er Jahren, in denen sie auch entstanden sind (Billes Geburtsjahr wird in Band 10 mit 1965 angegeben). Die letzten Bände erschienen nach einer mehrjährigen Pause, und die Handlung wurde an die Zeit angepasst, ohne dass die Figuren wesentlich älter geworden wären. Als Bille Abitur macht, ist bereits der Euro eingeführt. Auch neue Methoden der Pferdedressur (z. B. Tellington-Jones) sind bekannt.

Historizität

Die ersten sieben Bände geben einen lebhaften Eindruck von Kindheit und Dorfleben in den 1970er Jahren. Die in den Büchern geschilderten Rollenerwartungen an junge Menschen – insbesondere geschlechtsbezogen – entsprechen häufig nicht der Lebenswirklichkeit heutiger Kinder und Jugendlicher. Bille und ihren Freunden wird bereits in jungen Jahren einiges an Verantwortung übertragen, selbstverständlich haben sie als 13-Jährige bezahlte Jobs als Pferdepfleger oder Babysitter und arbeiten in der elterlichen Landwirtschaft oder Garten mit. Darüber hinaus engagieren sie sich in Notlagen für die Dorfgemeinschaft oder bringen sich bei öffentlichen Festivitäten ein.

Die Aufgabenverteilung ist dabei zumeist geschlechtsspezifisch: Die Jungen schleppen schwer und kümmern sich um das Handwerkliche, während den Mädchen Haushalts-, Kinderbetreuungs- und Dekorationstätigkeiten vorbehalten sind. Obwohl als Zugeständnis zur Zeit immer wieder hervorgehoben wird, dass auch die Mädchen im Alltag Jeans und T-Shirt tragen, bleibt der lange Rock das normale Festkleid der Mädchen. Offensichtlich ist die Konzeption als Mädchenbuch: Den Jungen wird häufig übertriebenes Verlangen nach Zurschaustellung ihrer angeblichen „Männlichkeit“ zugeschrieben, welche Aktionen stets in peinlichem Scheitern und großem Gelächter der Umstehenden enden. Das Fürsorgliche und überaus hilfsbereite Verhalten der Mädchen wird hingegen wohlwollend gezeichnet und stets belohnt. Erst in höheren Bänden aus den 1980er Jahren wird thematisiert, dass Billes Hilfsbereitschaft auch dazu führen kann, dass sie von gedankenlosen und faulen Personen ausgenutzt wird.

Gerade in den ersten Bänden (1–4) erhält der Leser Einblicke in Mechanismen des Dorflebens der 1970er Jahre, die sich heute nicht mehr in Kinderbüchern finden lassen. So ist es normal, dass die Männer des Dorfes (Billes angehender Stiefvater, der Dorfpolizist, der Gutsverwalter Lohmeier) den Abend im örtlichen Wirtshaus bei Bier und Schnaps ausklingen lassen, Vertragsabschlüsse und Viehmärkte mit gemeinsamem Schnapstrinken einhergehen und gerne auch einmal ein betrunkener Autofahrer mit der Pferdehilfe der Hauptpersonen aus dem Straßengraben gezogen werden muss. Der Alkoholgenuss zumindest von Männern ist selbstverständlich und wird nicht kritisch hinterfragt. Karlchens Großvater, ein dorfbekannter Trunkenbold und Scherzkeks, ist zwar seiner Familie etwas peinlich, aber ein liebenswürdiges Original. Gerade in den ersten Bänden durchziehen auch Fragen von Status und Klassenzugehörigkeit als Subtext die Geschichten. Billes Mutter, die als Flüchtling aus Ostpreußen kam und einen kleinen Gemischtwarenladen betreibt, sieht sich selbst sehr klassenstolz als Angehörige der unteren Mittelschicht – „bessere Leute“ wie Herr Tiedjen oder die Henrichs auf ihren großen Gutshöfen sind aus ihrer Sicht durch unsichtbare Grenzen abgetrennt. Reitunterricht lehnt sie als Vergnügung der Reichen ab. Bille empfindet die Familie Henrichs zunächst auch als „nobel“ fremdartig, bevor die verbindende Pferdeliebe Klassenschranken zu übersteigen vermag. Reiche Sonntagsreiter sind mehrfach Objekt von Spott und Streichen.

Landwirtschaft und der Gang der Jahreszeiten sind integraler Bestandteil des Lebens der Dorfgemeinschaft. Beeren müssen geerntet, Obst gepflückt und das Heu eingebracht werden. Selbstverständlich macht Billes Mutter ihre Essiggurken selbst ein und die Erträge ihres Gartens machen einen großen Teil der Familienmahlzeiten aus. Die meisten Leute in Wedenbruck scheinen zumindest Nebenerwerbslandwirtschaft zu betreiben. Onkel Pauls Spar-Markt im größeren Nebenort Leesten haucht aber bereits neue Zeiten über das ländliche Idyll und bringt ganz fortschrittsoptimistisch Kühlkost und Lebensmittel von weit her ins Dorf.

Band 7, „Ein Cowboy für Bille und Zottel“, ist sehr aufschlussreich zum Amerika-Bild der Zeit.

In den Bänden aus den 1980er Jahren werden – nicht überraschend – Themen des Umweltschutzes eingebracht. Auch andere gesellschaftlich diskutierte Themen werden in den späteren Bänden problematisierend aufgegriffen, z. B. die Integration von Menschen mit Behinderung.

Veröffentlichung & Adaption

Die Reihe Bille und Zottel besteht derzeit aus 21 Bänden und wurde im Franz Schneider Verlag veröffentlicht. Inzwischen sind alle Bände auch zusammengefasst in sieben Sammelbänden erschienen. Ein Sonderband spielt zeitlich vor Band 20 und ist auch so in Sammelband 7 eingefügt. Die Reihe wurde in mehrere Sprachen übersetzt, u. a. ins Niederländische als Romana en Ragebol.

#TitelErscheinungsjahr
1Pferdeliebe auf den ersten Blick1976
2Zwei unzertrennliche Freunde1977
3Mit einem Pferd durch dick und dünn1977
4Applaus für Bille und Zottel1978
5Die schönsten Ferien hoch zu Roß1978
6Gefahr auf der Pferdekoppel1979
7Ein Cowboy für Bille und Zottel1979
8Ein Filmstar mit vier Beinen1980
9Im Sattel durch den Sommer1980
10Im Hauptfach Reiten1982
11Sensation in der Manege1983
12Frühling, Freunde, freche Fohlen1984
13Das Fest der Pferde1985
14Ein Pony auf großer Wanderung1987
15Pferde im Schnee1989
16Pusztaferien und Ponybriefe1990
17Reitclub Wedenbruck1991
18Die letzte Hürde1995
19Ein Pony mit Herz1996
Ein ganz besonderer Sommer – Eine neue Geschichte2003–2008
20Rückkehr nach Wedenbruck2001–2007

Ab 1980 erschienen beim Label Europa die ersten vier Bände als Hörspiel. Regie führte Heikedine Körting. Sprecher waren u. a. Alexandra Wilcke, Oliver Rohrbeck und Jürgen Thormann. Die Musik wurde vom Hamburger Hörspiel-Musiker Carsten Bohn komponiert. Sieben Geschichten (Band 4 bis 10) von Bille und Zottel wurden auch von SchneiderTon als Hörspiele auf den Markt gebracht. Erzähler war hier in einigen Folgen Hans Clarin. 2008 veröffentlichte der Verlag SchneiderBuch die ersten zwei Folgen einer neuaufgelegten Hörbuch-Reihe von Bille und Zottel auf CD. Der dritte Teil „Mit einem Pferd durch dick und dünn“ wurde für den Februar 2009 angekündigt, erschien aber nie.

Quellen