Bill Viola

Bill Viola (2011)

Bill Viola (* 25. Januar 1951 in New York City) ist ein US-amerikanischer Video- und Installationskünstler. Er kann als führender Vertreter der Videokunst angesehen werden.

Leben

Bill Viola studierte an der Syracuse University bei Jack Nelson und Franklin Morris. Von 1974 bis 1976 lebte er in Florenz, wo er die Video-Künstler Nam June Paik, Bruce Nauman und Vito Acconci kennenlernte. In Florenz arbeitete er als technischer Direktor bei Art/tapes/22. Art/tapes/22 war ein Studio, in dem mit neuartigen Methoden der Videoproduktion experimentiert und das von Maria Gloria Conti Bicocchi betrieben wurde.[1] Auf Reisen studierte er das traditionelle Schauspiel und die traditionelle Musik auf den Salomonen, Java, Bali und in Japan und Indien. Von 1973 bis 1980 arbeitete er mit dem Avantgardekomponisten David Tudor zusammen. Von 1976 bis 1980 arbeitete er für das WNET Channel 13-Fernsehstudio in New York. 1977 wurde er von Kira Perov an die La Trobe University in Melbourne eingeladen. Kira Perov folgte ihm 1978 nach New York und heiratete ihn. 1979 reisten Viola und Perov in die Sahara. 1980/81 lebten beide in Japan und studierten Zen bei Daien Tanaka und kehrten danach in die USA zurück.

Das Museum für Moderne Kunst Frankfurt beauftragte Viola 1990, eine permanente Video-Klang-Installation für einen Raum des Museums zu realisieren. Zur Eröffnungsausstellung gab es die Weltpremiere des Raumes The Stopping Mind (1991)[2]. Über vier Video-Beamer werden auf vier im Quadrat angeordnete Videoleinwände rasend bewegte, teils verwischte und von lauten Geräuschen begleitete Bilder verschiedener Realitätsbereiche projiziert.[3] Der Betrachter, der sich innerhalb der vier Screens aufhält, hört nach plötzlichem Stillstand der Videobilder eine Stimme, die in monotonem Gleichklang einen Text über das Bewusstsein des Menschen spricht.[4] Viola führt den Betrachter mit seiner beeindruckenden Installation sukzessive zu einer intensiveren Wahrnehmung des Selbst und der Welt.[5]

Zusammen mit dem Ensemble Modern beauftragte die Redaktion Arte im ZDF Bill Viola 1994 mit einem Video auf das Werk „Désert“ von Edgar Varèse, das bei seiner Uraufführung am 2. Dezember 1954 in Paris einen Skandal ausgelöst hatte[6] und das für die Videoproduktion zuvor beim Hessischen Rundfunk unter Leitung von Péter Eötvös eingespielt wurde. Im Oktober 1994 wurde das Video in Wien vor Publikum aufgeführt.[7][8]

1995 wurde Viola eingeladen, eine Installation für den Pavillon der Vereinigten Staaten auf der 46. Biennale von Venedig zu konzipieren. „Buried Secrets“ wurde anschließend in der Kestnergesellschaft, Hannover gezeigt. Im Jahr 1997 begann die Retrospektive Bill Viola: A 25-Year Survey Exhibition, organisiert vom Whitney Museum of American Art, mit Ausstellungen im Los Angeles County Museum of Art (1997), Whitney Museum of American Art, New York (1998), Stedelijk Museum, Amsterdam (1998), Museum für Moderne Kunst, Frankfurt (1999), San Francisco Museum of Modern Art (1999) und im Art Institute Chicago (1999–2000).[9]

Seit 2000 ist Viola Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.[10]

2004 schuf Viola in Kooperation mit Peter Sellars und Esa-Pekka Salonen eine Neuproduktion von Richard Wagners Oper Tristan und Isolde, die vom Los Angeles Philharmonic Orchestra im Dezember 2004, an der Opéra Bastille in Paris 2005 und am Lincoln Center for the Performing Arts in New York 2007 aufgeführt wurde.[11]

Bill Viola lebt mit seiner Frau Kira Perov und ihren beiden Kindern in Long Beach.

Preise und Auszeichnungen

  • Preis der MacArthur-Stiftung
  • 1989: Medienkunstpreis des UKM
  • 1993: Medienkunstpreis des Zentrums für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
  • 2009: Eugene McDermott Award in the Arts
  • 2011: Praemium Imperiale/Kunst[12]

Bill Viola ist Ehrendoktor der Syracuse University (1995), des Art Institute of Chicago (1997), des California Institute of the Arts and Craft, Oklahoma (1998), des Massachusetts College of Art, Boston, des California Institute of the Arts, Valencia CA (2000), der University of Sunderland, England (2000), des Royal College of Art London (2004), des Columbia College, Chicago (2005), des Otis College of Art and Design, Los Angeles (2006) und der Universität Lüttich (2011).[13]

Zitate

„Ich glaube fest daran, dass die wahre Kraft der Menschen in ihrer kollektiven Energie liegt. Wenn wir etwas gemeinsam angehen, können wir im wahrsten Sinne des Wortes Berge versetzen.“

Bill Viola (2004)

„Das Bild auf dem Computermonitor ist nur die oberste Schicht eines ausgedehnten Netzwerks aus Verbindungen und verborgenen Symbolformen, das die eigentliche Realität dessen darstellt, was wir vor uns sehen. Beide Welten, die Innenwelt des Computers und die Innenwelt, in der wir leben, sind nicht sichtbar.“

Bill Viola (2004)

Werke (Auswahl)

  • 1977–1979: The Reflecting Pool, CHOTT el-DJERID (a portrait in light and heat)
  • 1978: The Ancient of Days[14]
  • 1983: An Instrument of Simple Sensation
  • 1983: Room for St. John of the Cross[15][16]
  • 1983: Anthem
  • 1986: I Do Not Know What It Is I Am Like[17]
  • 1988: The Sleep of Reason[18]
  • 1989: The City of Man
  • 1991: The Stopping Mind[19]
  • 1992: The Sleepers
  • 1992: Threshold
  • 1992: The Passing[20]
  • 1992: Heaven and Earth
  • 1992: The Arc of Ascent
  • 1992: Nantes Triptych
  • 1993: Tiny Deaths
  • 1994: Pneuma
  • 1994: Stations
  • 1994: Déserts
  • 1995: The Greeting
  • 1995: The Veiling
  • 1996: The Crossing, The Messenger
  • 2000: The World of Appearances
  • 2000: Mary – 2004 zu sehen in Visions of America – Zeitgenössische Kunst aus der Sammlung Essl und der Sonnabend Collection New York, Essl Museum – Kunst der Gegenwart, Klosterneuburg/Wien
  • 2000: The Quintet of the Silent[21]
  • 2002: Emergence[22]
  • 2002: The Silent Sea – 2004 zu sehen in Visions of America – Zeitgenössische Kunst aus der Sammlung Essl und der Sonnabend Collection New York, Essl Museum – Kunst der Gegenwart, Klosterneuburg/Wien
  • 2002: Observance – ist 2007 in der Berliner Ausstellung Schmerz zu sehen
  • 2002: Going Forth By Day – Guggenheim Berlin (Violas erste Produktion in High Definition Video)
Teil 2. The Path, Zweiter Teil der fünfteiligen Video/Sound-Installation Going Forth By Day, Solomon R. Guggenheim Museum, New York.[23]
  • 2003: Five Angels For The Millennium, 5-channel-installation,[24]; RuhrTriennale im Gasometer Oberhausen
  • 2004: The Raft; Auftragsarbeit für dies Olympischen Spiele in Athen[25]
  • 2007: Ocean without Shore – 52. Biennale di Venezia[26]

Ausstellungen

2016 wurde die Installation um das Video Mary ergänzt. Beide Installationen befinden sich heute im Besitz der Tate Modern, London, UK.[29]

Publikationen

  • Statements by the Artist (exh. cat.). Introduction by Julia Brown. Los Angeles: Museum of Contemporary Art, 1985.
  • Reasons for Knocking at an Empty House: Writings 1973?1994. Edited by Robert Violette with Bill Viola. Cambridge, Mass.: MIT Press; London: Thames and Hudson; Anthony d’Offay Gallery, 1995.

Literatur

  • Bill Viola: Going Forth by Day. Installations by Bill Viola. New York, Guggenheim Museum, new ed. 2003. ISBN 0-89207-255-5
  • Marie Luise Syring: Bill Viola: Unseen Images/Nie gesehene Bilder/Images jamais vues. Texte von Rolf Lauter, Marie Luise Syring und Bill Viola; Interview mit dem Künstler Jörg Zutter. Düsseldorf: Kunsthalle Düsseldorf 1992/93.
  • Rolf Lauter (Hrsg.): Bill Viola: Europäische Einsichten|European Insights, Werkbetrachtungen|Reflections on the Work of Bill Viola. Einführung Rolf Lauter; Texte Jean-Christophe Ammann, Rolf Lauter, Caterina Maderna, u. a. München: Prestel 1999. ISBN 978-3-7913-2067-0
  • Chris Townsend (Hrsg.): The Art of Bill Viola. Texts by Cynthia Freeland u. a. London: Thames & Hudson 2005. ISBN 978-0-500-28472-8
  • Bill Viola. A Twenty-Five-Year Survey. Texte von David A. Ross und Bill Viola; Gespräch Lewis Hyde und Bill Viola. New York: Whitney Museum of American Art; Paris: Flammarion. Stuttgart: Cantz, 1999.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Art/tapes/22. Interview with Maria Gloria Bicocchi abgerufen am 19. Oktober 2016
  2. Textfolder zur Video-Klang-Installation von Rolf Lauter im MMK. Siehe die kunsthistorische Aufarbeitung bei Stefanie Bickel, Bill Viola - Die Transformation der Bilder: Die Mystik in den Videoarbeiten von Bill Viola, Diplomarbeit Frankfurt 2002, S. 84.
  3. Bill Viola, Rolf Lauter: Bill Viola: The stopping mind (1991). Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main 1991 (worldcat.org [abgerufen am 5. März 2020]).
  4. Eine ausführliche Würdigung dieser und anderer Raum-Installationen sowie der meisten Videotapes Violas sind in dem zur Retrospektive im MMK erschienenen Katalog von Rolf Lauter, Bill Viola - Europäische Einsichten, Werkbetrachtungen / European insights, reflections on the work of Bill Viola, Prestel, München/New York 1999. ISBN 978-3-7913-2067-0 enthalten.
  5. Rolf Lauter: Bill Viola, a 25 year survey exhibition: Werke aus 25 Jahren, Museum für Moderne Kunst, Schirn Kunsthalle, Rathaus Römer, Dominikanerkloster, Deutsche Börse Frankfurt am Main, 5. Februar bis 25. April 1999. ISBN 978-2-08-013645-9
  6. Ein Pionier der elektronischen Musik, Museum Tinguely, Basel; artsinside, abgerufen am 6. Juli 2020
  7. Edgard Varèse / Bill Viola, Intégrales / Ionisation / Déserts. Abgerufen am 13. Februar 2020 (französisch).
  8. Varese/Viola: „Desert“ YouTube, 32 min, abgerufen am 6. Juli 2020
  9. Rolf Lauter, Bill Viola: Bill Viola, a 25 year survey exhibition: Werke aus 25 Jahren, 5. Februar bis 25. April 1999. Museum für Moderne Kunst, Schirn Kunsthalle, Rathaus Römer, Dominikanerkloster, Deutsche Börse, Frankfurt am Main. Frankfurt, Main 1999 (worldcat.org [abgerufen am 14. Februar 2020]).
  10. Book of Members. (PDF) Abgerufen am 23. Juli 2016 (englisch).
  11. billviola.com Zugriff 13. Januar 2013
  12. Praemium Imperiale für …. In: Saarbrücker Zeitung. 12. Juli 2011, S. B4
  13. Awards, abgerufen am 19. Oktober 2016.
  14. Viola – Ancient Of Days (1979), YouTube
  15. Video
  16. Rolf Lauter: Room for St. John of the Cross: Bill Viola: Europäische Einsichten, Werkbetrachtungen. European insights, reflections on the work of Bill Viola. Prestel, Munich 1999, ISBN 3-7913-2067-X (worldcat.org [abgerufen am 5. März 2020]).
  17. Rolf Lauter: Bill Viola - I do not know what it is I am like: Bill Viola: Europäische Einsichten, Werkbetrachtungen. European insights, reflections on the work of Bill Viola. Hrsg.: Rolf Lauter. Prestel, Munich 1999, ISBN 3-7913-2067-X (worldcat.org [abgerufen am 5. März 2020]).
  18. Rolf Lauter: Bill Viola: Europäische Einsichten, Werkbetrachtungen. European insights, reflections on the work of Bill Viola. Hrsg.: Rolf Lauter. Prestel, Munich 1999, ISBN 3-7913-2067-X (worldcat.org [abgerufen am 5. März 2020]).
  19. Rolf Lauter: Bill Viola europäische Einsichten, Werkbetrachtungen, Katalogbuch zur Ausstellung: Bill Viola: Werke aus 25 Jahren. Hrsg.: Rolf Lauter. Prestel, München 1999, ISBN 3-7913-2067-X (worldcat.org [abgerufen am 5. März 2020]).
  20. Rolf Lauter, Bill Viola - The Passing: Bill Viola: unseen images, nie gesehene Bilder, images jamais vues, Kunsthalle Düsseldorf 19.12.1992 - 28.2.1993. Hrsg.: Marie Luise Syring. Meyer, Düsseldorf 1992 (worldcat.org [abgerufen am 5. März 2020]).
  21. Collection Indianapolis Museum of Art, abgerufen am 22. November 2018.
  22. Video tape, commissioned by the J. Paul Getty Museum
  23. Video auf YouTube
  24. Five Angels for the Millennium, 2001 Tate, abgerufen am 22. November 2018
  25. Bill Viola’s "The Raft" Explores Crisis and the Human Response, Art and Object, abgerufen am 13. Oktober 2020
  26. Bill Viola - Ocean Without a Shore - Venice Biennale 2007
  27. Seite des Museums zur Ausstellung, abgerufen am 29. April 2014.
  28. Die Märtyrer in FAZ vom 2. Juni 2014, S. 9.
  29. Bill Viola: Martyrs, abgerufen am 19. Oktober 2016.
  30. Collector Lio Malca exhibits two video works by Bill Viola in Ibiza, abgerufen am 1. Juli 2018.
  31. Bill-Viola-Ausstellung in London: Leben, Sterben und Transzendenz, deutschlandfunkkultur.de, abgerufen am 6. Juli 2020

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Autor/Urheber: Jean-Baptiste LABRUNE a.k.a. jeanbaptisteparis, Lizenz: CC BY-SA 2.0
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