Bildungssystem in Namibia

Aufbau des namibischen Bildungssystems (Stand August 2014)[1]
Ein Klassenzimmer in Namibia

Das Bildungssystem in Namibia basiert auf 1920 Schulen mit 804.079 Schülern und 30,766 Lehrern sowie 16 staatliche und private Hochschulen mit 67.000 Studenten und 86 berufsbildenden Einrichtungen mit 35.000 Auszubildenden (Stand April 2020).[2] Darüber hinaus gibt es in Namibia landesweit Ableger des Namibia College of Open Learning (NAMCOL), eine Erwachsenen- und Weiterbildungseinrichtung, die Schulbildung für nicht Schulpflichtige anbietet.

Die namibische Verfassung regelt neben dem allgemeinen Recht auf Bildung (Art. 20, Abs. 1) auch die Dauer des Schulbesuchs (Abs. 3): kein Kind soll die Schule verlassen dürfen, ehe es die siebenjährige Primarschulbildung beendet oder das Alter von 16 Jahren erreicht hat. Die Aufnahme in Klassenstufe 1 erfolgt in dem Jahr, in dem ein Kind das Alter von sieben Jahren erlangt (Education Act 2001: 53 (1)). Praktisch werden die Kinder jedoch mit fünf bis sieben Jahren eingeschult.

Die Grundbildung ist in Namibia seit dem Schuljahr 2013 kostenlos (vorher waren es umgerechnet etwa € 30 pro Trimester), weiterführenden Schulen sind seit dem Schuljahr 2016 kostenlos. Die Wiedereinführung von Gebühren ist (Stand August 2017) geplant.[3]

Der Bildungsetat im namibischen Haushalt beträgt 13,1 Milliarden Namibia-Dollar (2014/15) und ist damit um 100 Prozent höher als 2010/11.

87 Prozent der schulpflichtigen Kinder besuchten 2011 eine Schule. Die Alphabetisierungsrate in Namibia beträgt 89 %.[4]

Bildungsreformen

Namibia hat seit Unabhängigkeit 1990 drei große Bildungsreformen umgesetzt.[5]

Anfang der 1990er Jahre

Die erste Bildungsreform umfasste Änderungen an den Lehrplänen für Junior Secondary, die Einführung von Englisch als genereller Unterrichtssprache sowie die Veränderungen der Abschlüsse für Senior Secondary, darunter den Abschluss Junior Secondary Certificate (JSC) nach Klasse 10. Zudem wurden die IGCSE und HIGCSE nach dem University of Cambridge Local Examinations Syndicate mit dem Abschlussjahrgang 1995 eingeführt.[5]

2004 bis 2006

Die zweite Bildungsreform setzte die Abschaffung der Cambridge-Abschlüsse und Einführung der lokalen Abschlüsse Namibia Senior Secondary Certificate Ordinary (NSSCO) (Klasse 10) bzw. Namibia Senior Secondary Certificate Higher (NSSCH) (Klasse 12) um.[5]

Seit 2012

Die aktuelle Bildungsreform begann 2012, nachdem ein Jahr zuvor bei der Bildungskonferenz ein dementsprechender Entschluss gefasst wurde. Unter anderem sollen die nationalen Abschlüsse faktisch und zu äquivalenten Cambridge-Abschlüssen zurückgekehrt werden (unter anderem Namibian Senior Secondary Certificate Advanced Subsidiary für Cambridge Advanced Subsidiary). Zudem soll der Klasse-10-Abschluss auf Klasse 9 verschoben werden.[5] Der muttersprachliche Unterricht in allen Fächern bis einschließlich der 5. Klasse eingeführt werden. Ein freiwilliges 13. Schuljahr soll in Zukunft Abgänger besser auf den Übertritt in eine Universität vorbereiten.[6]

Unter anderem sieht die Reform folgende Punkte vor:

  • Untere Grundschule (Junior Primary; Vorschule und Klasse 1–3): Unterricht in der Muttersprache; zudem Pflichtfächer Englisch, Mathematik, Umweltwissenschaft, Kunst, Sport und Religion – 2015 eingeführt
  • Obere Grundschule (Senior Primary; Klasse 4–7): Pflichtfächer sind Englisch, Muttersprache, Mathematik, Naturwissenschaft, Gesundheitswissenschaft, Sozialwissenschaft – 2016 eingeführt
  • Untere Oberschule (Junior Secondary; Klasse 8 und 9): Pflichtfächer sind Englisch, Mathematik, Biowissenschaft, Physik, Geografie und Geschichte – 2017/18 eingeführt
  • Obere Oberschule (Senior Secondary; Klasse 10 bis 12 und 13): Pflichtfächer sind Englisch und Mathematik[1] – 2019 eingeführt

Schulsystem

Klassenstufen

Die schulische Entwicklung eines Schülers durchläuft vier Phasen: Die Grundschulbildung (primary education) gliedert sich in die Vorschule und Grundschule (pre-primary und junio primary, Klassenstufen 0–3; ehemals „Standard 1“ und „Standard 2“ sowie Klassenstufe 1 und 2) und die höhere Grundschulphase (senior primary, Klassenstufen 4–7). Hier endet die Schulpflicht und der Übergang in die Sekundarstufe ist möglich. Diese teilt sich wiederum in eine untere (junior secondary, Klassenstufen 8–10 – entsprechend Nationaler Qualifikationsstufe (NQF) 2) und obere Sekundarschulphase (senior secondary, Klassenstufen 11–12; NQF 3 und 4).[1]

Privatschulen wie die Deutsche Höhere Privatschule Windhoek weichen von diesem System ab.

Unterrichtssprachen

Die Sprachenregelung für namibische Schulen[7] regelt die Unterrichtssprachen für Namibia. In den Klassenstufen 1 bis 3 soll in der Muttersprache oder der Hauptsprache der Region unterrichtet werden. Ein Antrag für Unterricht auf Englisch muss jede Schule beim Bildungsministerium stellen. In der Klassenstufe 4 soll der Übergang zu Englisch als Unterrichtssprache geschaffen werden. In den darauf folgenden Klassenstufen 5–7 ist Englisch einzige Unterrichtssprache, jedoch kann die Muttersprache bzw. Hauptsprache unterstützend eingesetzt werden. Sie muss zudem als normales Unterrichtsfach unterrichtet werden. In den Klassenstufen 8–12 wird auf Englisch unterrichtet und die Muttersprache bzw. Hauptsprache ist Schulfach.

Grundsätzlich sind die folgenden Sprachen als erste Sprachen zugelassen: Afrikaans, Deutsch, Englisch, Ju'hoansi, Khoekhoegowab, OshiNdonga, RuKwangali, Setswana, Thimbukushu, OshiKwanyama, OtjiHerero, Rumanyo und Silozi. Als zweite Sprachen müssen Afrikaans und Englisch unterrichtet werden. Weitere Sprachen sind nach Absprache mit dem Ministerium anzubieten. Als Fremdsprachen sind Französisch, Deutsch und Portugiesisch anzubieten. Alle Sprachen sind grundsätzlich gleichberechtigte Unterrichtssprachen.

Englisch ist zudem Pflichtunterrichtsfach ab Klasse 1. Eine weitere Sprache muss von der 1. Klasse an gelernt werden. Ausnahmen gibt es ausschließlich für Kinder von ausländischen Arbeitern und Diplomaten.

Den Privatschulen ist die Unterrichtssprache in den Klassenstufen 1–7 freigestellt, wobei mindestens eine namibische Nationalsprache unterrichtet werden muss und das Fach Sozialkunde auf Englisch angeboten werden muss.

Unterrichtsfächer und -zeiten

Der Fächerkanon der Primar- und Sekundarschulphase deckt ein breites Wissensspektrum ab. Während in der Grundschule Alphabetisierung, die Erlangung mathematischer Fähigkeiten und eine gesundheitliche, sprachliche und religiöse Ausbildung im Vordergrund stehen, bieten die secondary schools auch naturwissenschaftlichen Unterricht an. Ein Unterrichtsraum ist zumeist einem Lehrer zugeordnet, so dass Schüler fast jede Stunde den Raum wechseln müssen.

Im Allgemeinen besuchen die Schüler in jeder Stufe die Schule Montag bis Freitag von etwa 7.15 Uhr bis 13.00 Uhr. Einige Schulen bieten Nachmittagsunterricht bzw. -betreuung. Eine Schulstunde dauert generell 40 Minuten.

Bewertung

Die Bewertung der Schülerleistung durch den Lehrer erfolgt in den einzelnen Klassenstufen unterschiedlich: In der unteren Primarphase die Schülerleistung kontinuierlich bewertet, und es finden keine Prüfungen statt (continuous assessment). In allen anderen Klassenstufen werden am Ende jedes Trimesters Prüfungen abgelegt. Besonderen Wert besitzen dabei die Examen in den Klassenstufen 7, 10 und 12. Durch diese werden die einzelnen Schulphasen abgeschlossen und die Zulassung zur nächsthöheren Stufe erlangt.

Die Schülerbewertung erfolgt ab Klassenstufe 1 über Noten. Diese variieren in Abhängigkeit von Klassenstufe und Schulart, in den Sekundarstufen wird ein Punktesystem (0–15) vergleichbar der Gymnasialen Oberstufe verwendet, in einigen Schulen und Stufen ein Buchstabensystem (A–F) bzw. Prozentsystem. Nach jedem Trimester bekommt der Schüler ein Informationsschreiben, in dem seine Noten aufgeführt sind.

Versetzung

Die Versetzung ins nächste Schuljahr erfolgt zu Ende des letzten Trimesters, im Dezember des Jahres. Innerhalb der einzelnen Schulphasen erfolgt die Versetzung automatisch, sitzen bleiben kann ein Schüler grundsätzlich nicht mehr. Schüler, die die 10. Klasse (Junior Secondary Certificate) nicht erfolgreich abschließen (im Jahr 2015 etwa 46 Prozent[8]), müssen das Schulsystem verlassen. Lediglich Schüler, die bei der Prüfung jünger als 17 Jahre waren, dürfen die 10. Klasse wiederholen. Die 12. Klasse kann auf eigenen Wunsch wiederholt werden.

Abschlüsse

Jeder Absolvent der 12. Klasse bekommt das Namibia Senior Secondary Certificate (NSSC) nachdem eine landesweit einheitliche Prüfung durchgeführt wurde. Ein Nichtbestehen ist nicht möglich. Das 12. Schuljahr kann jedoch freiwillig zur Verbesserung der Abschlussnoten wiederholt werden. Für namibischen Universitäten gilt das NSSC als Hochschulzugangsberechtigung, jedoch können die Universitäten eigene Mindestanforderungen festlegen. Der internationale Abschluss Advanced Level (A-Level) kann an einigen Schulen in einem freiwilligen 13. Schuljahr erworben werden.

Im Ausland, mit Ausnahme der SADC-Region, wird der Abschluss der namibischen Sekundarstufe generell nicht anerkannt. Um trotzdem eine international anerkannte Hochschulreife zu erlangen, muss ein zusätzlicher Schulabschluss erreicht werden (z. B. das Abitur der Deutschen Höheren Privatschule oder das International Baccalaureate), das nur von Privatschulen angeboten wird.

Seit 2007 wird zudem nicht mehr der auch international anerkannte und durch die Universität von Cambridge vergebene Abschluss Higher International General Certificate of Secondary Education (HIGCSE) nach Klasse 12 erreicht. So müssen nun auch namibische Absolventen besondere Sonderprüfungen ablegen um ein Studium in Südafrika aufnehmen zu dürfen. So wird für eine Universitätszulassung in Südafrika neben anderen Bestimmungen ein Prüfungsergebnis von mindestens fünf Fächern auf "Higher Level" (hohem Standard) und einer Mindestnote von jeweils 55 % gefordert.[9]

Tertiäre Bildung

Die tertiäre Bildung wird in Namibia durch Berufsschulen (englisch Vocational Education) und Universitäten sichergestellt.

Zahlen und Daten

Alle Daten aus 2020.[10] Trend zum vorherigen Berichtszeitraum 2018.[11]

RegionSchülerLehrerSchulenSchüler
je Lehrer
Erongo48.341  1799  079  27  
Hardap27.118  1014 060  27  
ǁKaras23.573  0983  057  24  
Kavango-Ost68.284  2164  173  32  
Kavango-West45.804  1631  177  28  
Khomas94.994  3921  132  24  
Kunene32.194  1149  068  28  
Ohangwena112.358  4149  270  27  
Omaheke25.101  0887  047  28  
Omusati102.823  4160  288  25  
Oshana56.503  2387  147  24  
Oshikoto74.597  3050  221  24  
Otjozondjupa50.560  1743  086  29  
Sambesi41.892  1729  115  24  
Gesamt804.079  30.766  1920  26  

Deutsches Engagement

Zahlreiche Schulen in Namibia haben deutschen Ursprung, bieten den Unterricht auf Deutsch als Muttersprache an beziehungsweise sind Partner der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ PASCH des Auswärtigen Amtes (Stand: 2014[12]). Lediglich die DHPS in Windhoek ist eine vollwertige Deutsche Auslandsschule.

Siehe auch

Literatur

  • Hermann Schoß: Grundbildung im südlichen Afrika am Beispiel Namibia. GRIN Verlag, München 2008, ISBN 978-3-638-94198-3.
  • Fritz Dittmar, John Mendelsohn, Viv Ward: The School Cluster System in Namibia, Raison, Windhoek 2002, ISBN 99916-780-1-8. (PDF)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Implementation of the Revised Curriculum for Basic Education. Office of the Minister of Education, Ministry of Education; in: The Namibian, 22. August 2014, S. C2/C3.
  2. Education Sector Response to the Covid–19 Pandemic. Ministry of Education, Arts and Culture/Ministry of Higher Education, Technology and Innovation. 19. April 2020.
  3. Free education to fall. Namibian Sun, 13. August 2017.
  4. Namibia 2011 Population and Housing Census Indicators. (Memento vom 2. Oktober 2013 im Internet Archive), Namibia Statistics Agency, März 2013 (PDF; 2,9 MB) abgerufen am 29. März 2013
  5. a b c d Press Statement on the Implementation of the Basic Education Reforms. Ministry of Education, Arts and Culture, o. D. (Memento des Originals vom 13. Juli 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.moe.gov.na Abgerufen am 25. Juni 2020. (PDF)
  6. Minister beendet Sprachknebelung. Allgemeine Zeitung, 14. März 2014 (Memento vom 14. März 2014 im Internet Archive) abgerufen am 14. März 2014
  7. The Language Policyfor Schools in Namibia. Ministry of Basic Education, Sports & Culture, Januar 2003.
  8. Grade 10 and 12 exam results improve slightly. Namibia Press Agency, 16. Dezember 2015
  9. Zwei Wege zum Erfolg: die Schulabschlüsse an der DHPS. In: 100 Jahre DHPS. (Memento vom 1. Dezember 2011 im Internet Archive) (PDF; 8,0 MB) Jubiläumsbeilage in der Allgemeinen Zeitung. S. 10–11. (Schulabschlüsse)
  10. Namibia, Fifteenth School Day Report 2020. Ministry of Education, Arts and Culture. (Memento des Originals vom 5. Dezember 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.moe.gov.na Abgerufen am 29. Juli 2020.
  11. Namibia, Fifteenth School Day Report 2018. Ministry of Education, Arts and Culture. (Memento des Originals vom 7. Februar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.moe.gov.na Abgerufen am 5. Februar 2019.
  12. Weltkarte der Partnerschulen, PASCH-Net (PDF; 1,8 MB)

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