Biegefestigkeit

Balken unter Biegebelastung
Zugspannung unten, Druckspannung oben
(maximal in jeweiliger Randfaser unter der belastenden Kraft bei A bzw. B)

Die Biegefestigkeit ist diejenige Zug- oder Druckspannung in der Randfaser eines Bauteils (Balken, Platte u. ä.), die bei Belastung durch ein Biegemoment (Durchbiegung) auftritt und zu plastischer Verformung oder Bruch des Bauteils führt.[1] Sie ist eine von mehreren quantitativ angebbaren Festigkeitswerten hat somit die Einheit einer Spannung, z. B. N/mm².

Prüfung

Die Biegefestigkeit wird definiert als jene fiktive Spannung, die das Bauteil unter Biegebeanspruchung beim Versagen hätte, wenn sich das Material linear-elastisch verhalten würde:

[1][2]

dabei ist

die Biegespannung
das Biegemoment
das axiale Widerstandsmoment.

Bei reiner Biegebeanspruchung treten sowohl Zugspannungen () als auch Druckspannungen () auf:

[3]

dabei ist

die Koordinate in waagerechter Richtung (Koordinate in Klammern: Positionsangabe im Bauteil; Koordinate als Index: Angabe der Koordinatenachse, um die ein Moment wirkt, s. u.)
die Koordinate nach vorne
die Koordinate in senkrechter Richtung
die Flächenträgheitsmomente.

Bei sehr spröden Werkstoffen entspricht die Biegezugfestigkeit der Zugfestigkeit, da der Bruch gerade dann eintritt, wenn die Spannung auf der Zugseite die Zugfestigkeit erreicht.[1]

Für metallische Werkstoffe gilt dies nicht zwangsläufig, bspw. ist bei Grauguss die Biegefestigkeit 2 bis 2,5-mal höher als die Zugfestigkeit.[1]

Faserverstärkte Kunststoffe gemäß DIN EN ISO 14125:2011-05

„Biegefestigkeit: Die maximale Biegespannung, die während eines Biegeversuchs vom Probekörper ertragen wird bei akzeptierbaren Versagensarten.“

DIN EN ISO 14125:2011-05[4]

Die Biegefestigkeit kann im Labor mittels 3- oder 4-Punkt-Biegeversuch bestimmt werden:

Dreipunkt-Biegeversuch

Dreipunkt Biegeversuch

dabei ist

die Biegespannung
das Biegemoment
das Widerstandsmoment

also

dabei ist

die Kraft (mittig)
die Stützweite
die Dicke des Probekörpers
die Breite des Probekörpers

Vierpunkt-Biegeversuch

Vierpunkt Biegeversuch

dabei ist

das Biegemoment
das Widerstandsmoment

also

dabei ist

die Gesamtkraft (mittig)
die Stützweite
Abstand von
die Dicke des Probekörpers
die Breite des Probekörpers

Befinden sich die Lasten in den Drittelspunkten der Stützweite:

Biegezugfestigkeit

Die als Biegezugfestigkeit oder [5] definierte Kenngröße bezeichnet die maximale aufnehmbare Zugspannung eines Körpers bzw. Werkstoffs bei Beanspruchung durch Biegung (eventuell in Kombination mit einer Normalkraft). Ist die aufgebrachte Biegespannung in einer Faser größer als die Biegezugfestigkeit, so kann die Faser die Spannung nicht aufnehmen und versagt. Dies kann zum statischen Versagen einer Konstruktion führen.

Die Biegezugfestigkeit kann sich von der reinen Zugfestigkeit unterscheiden, da

  1. die (fiktive) Zugspannung in der Biegetheorie oft mit Hilfe der linearen Elastizitätstheorie bestimmt wird, diese jedoch nicht tatsächlich auftritt (z. B. bei Holz),
  2. an Fehlstellen sich die Belastung auf Fasern umlagert, die noch nicht die Belastung der vollen Festigkeit erreicht haben.

Die Biegezugfestigkeit des Betons kann nach DIN 1048, Band 5 (Prüfverfahren an Probekörpern) experimentell ermittelt werden an einem Balken, der durch zwei gleich große Lasten auf dem mittleren Drittel seiner Stützweite mit dem größten Biegemoment beansprucht wird.

Beispielwerte

  • OSB-Platte können Werte von bis 22 N/mm² in der Hauptachse erreichen, in der Querachse liegen sie bei 9 bis 11 N/mm².[6]
  • Spanplatten können 22 N/mm² erreichen, meist liegen die Werte jedoch darunter[6]
  • Tischlerplatten weisen in Längsrichtung Werte von 20 – 55 N/mm² auf, in Querrichtung aber nur 11 – 30 N/mm².[6]
  • Holzbretter haben eine Biegefestigkeit von bis zu 35 N/mm² in Längsrichtung aber oft nur 1 N/mm² quer zum Faserverlauf.
  • Mehrschichtige verleimte Massivholzplatten (Leimholzplatte, Dreischichtplatte ..) erreichen Werte von 15 bis 35 N/mm² längs zur Platte, wobei die Platten mit den höheren Werten in Längsrichtung quer zur Plattenebene oft nur eine Biegefestigkeit von 5 N/mm² erreichen.[6]
  • HPL-Schichtstoffplatten (Phenol-Melaminharz imprägnierte Papierbahnen) erreichen 80 N/mm².[6]
  • Zementgebundene Leichtbeton-Bauplatte mit Leichtfüllstoff-Mittellage und beidseitiger Deckschichtarmierung aus Glasfaser-Gittergewebe mit 12,5 mm Stärke und einer Biegefestigkeit von 6 N/mm² sowie einem E-Modul von 4200 N/mm².[7]
  • Lehm-Oberputz, faserhaltig, besitzt eine Biegezugfestigkeit von beispielsweise 0,78 N/mm² bei einer Druckfestigkeit von 2,1 N/mm², Haftfestigkeit von 0,30 N/mm² und einem normierten Abrieb von 0,6 g.[8]
  • Gipsgebundene Trockenestrichplatten mit Faserbeimischung in einer Stärke von 20 bis 25 mm weisen eine Biegezugfestigkeit von mindestens 4 N/mm² auf.[9]
  • Zement- und kunstharzgebundene Boden-Nivelliermasse besitzt eine Biegezugfestigkeit von 6,5 N/mm² bei einer Druckfestigkeit von 26 N/mm² und einer Rohdichte von 1750 kg/m³.[10]
  • Verzinktes Stahlblech, 0,6 mm dick, hat typischerweise eine Biegezugfestigkeit von über 200 N/mm²

Einzelnachweise

  1. a b c d Lothar Issler, Hans Ruoß, Peter Häfele: Festigkeitslehre – Grundlagen. Springer-Verlag, 1995, ISBN 3-662-11739-8, Kapitel 6.3 Biegeversuch, S. 152–156, doi:10.1007/978-3-662-11739-2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Hier wird von einer einachsigen Biegung im Hauptachenskoordinatensystem bei doppeltsymmetrischem Querschnitt ausgegangen.
  3. Herbert Mang, G Hofstetter: Festigkeitslehre. 3., aktual. Auflage. Springer Verlag, Wien/New York 2008, ISBN 978-3-211-72453-8, 6.4 „Normalspannungen“, S. 156, doi:10.1007/978-3-642-40752-9.
  4. DIN EN ISO 14125 - 2011-05 - Beuth.de. (beuth.de [abgerufen am 16. Januar 2019]).
  5. DAfStb: Richtlinie Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. Oktober 2004.
  6. a b c d e Armin Pilipp: Technik rund um Platten & Holz, November 2008, S. 45ff, Holzhandel Guth; abgerufen im August 2019
  7. Planung und Verarbeitung - fermacell Powerpanel H²O - die Nassraumplatte, Mai 2019, S. 4; In: Fermacell.de
  8. Lehm–Oberputz erdfeucht - 05.010.1 / 05.010.2 Lehmputzmörtel DIN 18947 - LPM 04 f - S II - 1,8, In: Conluto.de; abgerufen im August 2019
  9. Fermacell Estrichelemente EE20 Nr. FC-0020 - Leistungserklärung; abgerufen im August 2019
  10. Planung und Verarbeitung - fermacell Bodensysteme, Juli 2019, S. 8; In: Fermacell.de

Siehe auch

  • DIN EN ISO 14125:2011-05; Faserverstärkte Kunststoffe – Bestimmung der Biegeeigenschaften

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