Bibliotheca Amploniana

Aus der Amploniana: Blatt einer Handschrift des Hippokrates mit Kommentar von Galen in der Übersetzung des Constantinus Africanus; entstanden vermutlich in Italien um 1350

Die Bibliotheca Amploniana ist die größte heute beinahe geschlossen erhaltene Handschriftensammlung eines spätmittelalterlichen Gelehrten weltweit und zählt zu den bedeutendsten Handschriftensammlungen Deutschlands.

Der Arzt, Gelehrte und zweite Rektor der alten Universität Erfurt, Amplonius Rating de Berka, hatte diese Bibliothek zusammengetragen. Er hatte um 1410 eigenhändig einen nach Fachgruppen geordneten Katalog angelegt, der bis heute der wichtigste Wegweiser durch die Schriften ist. Diese werden auch heute noch z. B. für die medizinhistorische oder die theologische Forschung genutzt und sind immer für neue Entdeckungen gut.[1] Im Jahre 1412 übergab er seine Sammlung von 633 Bänden, von denen heute noch etwa 430 in Erfurt vorhanden sind, an das von ihm zur Versorgung und Förderung von Studenten an der Universität Erfurt gestiftete “Collegium Porta Coeli”. Durch Zustiftungen der Stipendiaten des Collegiums wuchs einerseits der Bestand an Handschriften fast auf das Doppelte an, andererseits gingen im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Codices verloren oder gelangten auf unterschiedlichsten Wegen in anderes Eigentum.

Im Jahre 1509 nutzte Martin Luther die Erfurter Bibliotheca Amploniana zum Studium der Theologie. Luther musste das darin befindliche grundlegende Werk mittelalterlicher Theologie, die Sentenzen des Petrus Lombardus, erläutern. Für seine Leistungen wurde er von der Erfurter Universität zum „baccalaureus sententiarius“, Doktor der Theologie, ernannt.[2]

Heute enthält die Bibliotheca Amploniana insgesamt 979 Handschriftenbände sowie zahlreiche Inkunabeln und Drucke. Zahlenmäßig und inhaltlich ragen aus diesem Bestand die theologischen, philosophischen und medizinischen Handschriften heraus, jedoch finden sich auch zahlreiche Codices zu Grammatik, Rhetorik, Dichtkunst und klassischen Autoren sowie zu Zivil- und Kirchenrecht oder der Mathematik.

Amplonius schützte seine Bücherstiftung durch verschiedene Rechtskonstruktionen, die über viele Jahrhunderte hinweg sowohl die Stadt als auch die Universität Erfurt daran hinderten, die Bestände in Besitz zu nehmen. Nach der Schließung der alten Erfurter Universität und der faktischen Auflösung des Collegiums im 19. Jahrhundert, gelangte die Amploniana in die Königlich Preußische Bibliothek Erfurt, die 1908 von der Stadt Erfurt angekauft wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Leiterin der Wissenschaftlichen Bibliothek, Elfriede Trott, die Amploniana vor dem Zugriff der sowjetischen Besatzungsmacht retten können.[3]

Im Dezember 2001 wurde die Bibliotheca Amploniana als Dauerleihgabe an die wiedergegründete Universität Erfurt übergeben, wo sie in der Universitätsbibliothek Erfurt betreut und wissenschaftlich erschlossen wird. Im Stadtmuseum Erfurt wird seit 2012 jeweils ein Exemplar in der Dauerausstellung präsentiert.

Literatur

  • Walter Strobel: Die Amplonianische Handschriftensammlung zu Erfurt. Sonderdruck aus „Marginalien“, Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie, Heft 39, Hahndruck Kranichfeld, 1970
  • Brigitte Pfeil: 1412–2012. 600 Jahre „Bibliotheca Amploniana“ in Erfurt. Anmerkungen zu einem Jubiläum. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Bd. 74 (2013), S. 69–94, ISSN 0943-299X (urn:nbn:de:hebis:34-2017062852955).
  • Thomas Bouillon und Brigitte Pfeil: Amplonius Rating de Berka und seine Büchersammlung. Bedeutung, Geschichte und zukünftige Perspektiven der Bibliotheca Amploniana. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt Bd. 70 (2009), S. 31–53, ISSN 0943-299X (urn:nbn:de:hebis:34-2017062852944).
  • Kathrin Paasch (Hrsg.): Der Schatz des Amplonius. Die große Bibliothek des Mittelalters in Erfurt. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung der Stadt- und Regionalbibliothek Erfurt und des Angermuseums Erfurt vom 2. September bis 4. November 2001, Stadt- und Regionalbibliothek, Erfurt 2001, ISBN 3-910111-17-3.
  • Marina Moritz (Hrsg.): Amplonius. Die Zeit. Der Mensch, Die Stiftung; 600 Jahre Bibliotheca Amploniana in Erfurt; [anlässlich der vom 24. November 2012 bis 1. April 2013 gezeigten Ausstellung], Museum für Thüringer Volkskunde, Erfurt 2012 (Schriften des Museums für Thüringer Volkskunde Erfurt, Band, 34).
  • Josef Pilvousek (Hrsg.): Die Bibliothek des Amplonius Rating de Berka und ihre verborgenen Schätze. Anmerkungen zur Wiederentdeckung "Erfurter" Augustinus-Predigten, Echter, Würzburg 2010 (Erfurter theologische Schriften, Band 39), ISBN 978-3-429-03249-4.
  • Andreas Speer: Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus, de Gruyter, Berlin 1995 (Miscellanea mediaevalia, Band 23), ISBN 3-11-014098-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dokumentation 'Die Amploniana - Luthers Bücherstube' im MDR vom 31. Oktober 2017.
  2. Dokumentation 'Die Amploniana - Luthers Bücherstube' im MDR vom 31. Oktober 2017.
  3. Ruth und Eberhard Menzel: Amploniana vor Militär gerettet. In: Thüringische Landeszeitung vom 3. November 2012.

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Reproduktion eines Blattes aus der Handschriftensammlung Amploniana