Betreuungsschlüssel

Kinderbetreuung

Der Betreuungsschlüssel oder Personalschlüssel ist im Bereich der Kinderbetreuung oder Sozialarbeit eine Angabe der Anzahl der Personen, die für die Betreuung anderer Personen zur Verfügung stehen. Er wird meist als Zahlenverhältnis (1 : n) angegeben, um anzuzeigen, dass für n betreute Personen im Mittel eine Betreuungsperson bereitsteht.

Im Bereich der Pflege wird das entsprechende Zahlenverhältnis als Pflegeschlüssel bezeichnet, in anderen Tätigkeitsbereichen als Personenschlüssel oder Personalschlüssel. In Bezug auf die Schule spricht man von der Klassengröße.

Bei den Vorgaben zum Betreuungsschlüssel spielt stets auch die Qualifikation der Betreuer eine entscheidende Rolle.

Kinderbetreuung

Vorgaben

Gesetzliche Vorgaben zum Betreuungsschlüssel
OrtAltersgruppeArtVorgabeDatum
Quelle
Berlin3 bis SchuleintrittGanztags1 : 913. Juni 2013[1]
Berlin2 bis 3Ganztags1 : 613. Juni 2013[1]
BerlinGrundschulalterHort1 : 2213. Juni 2013[1]
BremenKrippe1 : 3,14. Juli 2013[2]
Hessenunter 30,2 = 2 : 10KiföG 2013[3]
Hessen3 bis Schuleintritt0,07 = 1,75 : 25KiföG 2013
Mecklenburg-Vorpommernunter 31 : 6KiföG M-V[4]
Mecklenburg-Vorpommern3 bis Schuleintritt1 : 15KiföG M-V
Mecklenburg-VorpommernGrundschulalter1 : 22KiföG M-V
Nordrhein-Westfalen2 bis Schuleintritt2 : 20KiBiz NRW[5]
Nordrhein-Westfalenunter 32 : 10KiBiz NRW[5]
Nordrhein-Westfalenab 31 : 25 sowie eine ErgänzungskraftKiBiz NRW[5]
Sachsen-Anhaltunter 30,18KiföG Sn-Anh.[6] (ab 1. Aug. 2015)
Sachsen-Anhaltab 30,08 = 2 : 254. KiföG Sn-Anh.
SachsenKrippe1 : 57. Januar 2016 § 12 SächsKitaG
Sachsen3 bis 61 : 127. Januar 2016 § 12 SächsKitaG
SachsenHort0,9 : 20 (1 : 22)7. Januar 2016 § 12 SächsKitaG

Neben dem Betreuungsschlüssel ist die Fachkraft-Kind-Relation, die Gruppengröße und die Qualifikation des Personals („eisernes Dreieck der Strukturqualität“ nach Susanne Viernickel) wichtig für die Qualität der Kinderbetreuung.[7] Dazu kann beispielsweise vorgegeben sein, dass für eine bestimmte Anzahl von Kindern eine vorgegebene Zahl von Personen mit bestimmtem Ausbildungsniveau beschäftigt sein sollen, etwa teils als Erzieher ausgebildet, teils als Kinderpfleger oder beispielsweise in einem Praktikums- oder Ausbildungsverhältnis stehend oder ein freiwilliges soziales Jahr absolvierend. Innerhalb Deutschlands variieren die Vorgaben zu Betreuungsschlüsseln zwischen den Bundesländern sehr stark.[8] Zeitanteile für Vertretung bei Krankheit, Urlaub und Fortbildung sowie Leitungstätigkeit und mittelbare pädagogische Arbeit (Vor- und Nachbereitung, Elterngespräche, Teamsitzungen und mehr) werden sehr unterschiedlich oder gar nicht vorgegeben.

Für die Definition dieser Vorgaben werden folgende Methoden herangezogen:

  • Gruppenbezogene Anzahl von Fachkräften
  • Kindbezogene Fachkraft-Kind-Relation

Bei der gruppenbezogenen Definition, wie sie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen[5] gilt, wird eine Anzahl von Fachkräften vorgegeben, die eine Gruppe mit vorgegebener Mindest- und Höchstzahl an Kindern betreut. Daraus ergeben sich rechnerisch die Fachkraftstunden.

Bei der kindbezogenen Definition, wie sie beispielsweise in Sachsen-Anhalt[6] gilt, wird das rechnerische Verhältnis von Fachkraftstunden pro zu betreuendem Kind festgelegt. Die rechnerisch ermittelten Fachkraftstunden sind dadurch abhängig von der Anzahl der Kinder.

Welche Methode als die fachlich geeignetere anzusehen ist, ist politisch sehr umstritten. So war die Umstellung von der gruppenorientierten Mindestverordnung[9] zum kindbezogenen HessKiföG[3] in Hessen im Jahre 2013 von heftigen Kontroversen und öffentlichen Demonstrationen von Eltern und Erziehern begleitet.[10]

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) stellte im März 2009 fest, dass die aktuellen Betreuungsschlüssel in deutschen Kindertagesstätten nicht mehr internationalen Standards entsprächen. So sollte die Gruppengröße bei unter Dreijährigen auf maximal zwölf Kinder begrenzt sein; innerhalb dieser Gruppengröße sei für Säuglinge zwischen neun und zwölf Monaten ein Schlüssel von 1 : 2, für Kleinkinder von 12 bis 24 Monaten ein Schlüssel von 1 : 3 und von 24 bis 36 Monaten ein Schlüssel von 1 : 4 erforderlich.[11][12]

Das Deutsche Kinderhilfswerk merkte in seinem Forderungskatalog zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland an: „Generell gibt es auf EU-Ebene bereits Richtzahlen für Gruppengrößen: Etwa soll bei Kleinkindern eine Erzieherin/ein Erzieher für fünf Kinder bis 2010 EU-weit die Regel sein. Maßstäbe, die etwa in Skandinavien schon heute die Regel sind.“[13] Die Mindeststandards der Europäischen Union

  • Eine Fachkraft für 3 Kinder bis 1,5 Jahre
  • Eine Fachkraft für 4 Kinder bis 3 Jahre
  • Eine Fachkraft für 8 Kinder zwischen 3 Jahre und Schuleintritt

wurden auch in der Diskussion um das umstrittene hessische "Kinderförderungsgesetz" thematisiert, jedoch im Gesetz nicht umgesetzt.[14]

Statistik

Personalschlüssel nach Vollzeitäquivalenten
(1. März 2020)[15]
Landunter 3 Jahre2 bis 8 Jahre
Baden-Württemberg3,06,5
Bayern3,78,1
Berlin5,27,9
Brandenburg5,39,4
Bremen3,17,5
Hamburg4,37,6
Hessen3,89,1
Mecklenburg-Vorpommern5,912,3
Niedersachsen3,77,8
Nordrhein-Westfalen3,77,9
Rheinland-Pfalz3,77,8
Saarland3,79,6
Sachsen5,511,2
Sachsen-Anhalt5,610,1
Schleswig-Holstein3,67,5
Thüringen5,410,3
Deutschland4,18,2

Das Statistische Bundesamt definiert den Personalschlüssel nach einer standardisierten Berechnung von Vollzeitäquivalenten der betreuten Kinder (Vollzeitbetreuungsäquivalent) und der in der Kindertageseinrichtung pädagogisch tätigen Personen (Vollzeitbeschäftigungsäquivalent) für die verschiedenen Gruppenarten. Grundlage dafür sind Kindertageseinrichtungen mit fester Gruppenstruktur. Seit 1. März 2012 werden dafür die Betreuungszeiten der Kinder direkt als Dezimalzahl erfasst. Das bis 2011 verwendete Berechnungsverfahren mit Betreuungsmittelwert wurde wegen der damit verbundenen Ungenauigkeiten und Verzerrungen abgeschafft.[16]

Einzelheiten zum Berechnungsverfahren werden im Artikel Personalschlüsselberechnung in Deutschland beschrieben, wo auch der Unterschied zur Fachkraft-Kind-Relation erläutert wird.

Nach der Statistik der Kinder- und Jugendhilfe (Stichtag 1. März 2020) wurde bundesweit ein mittlerer Betreuungsschlüssel von 1 : 8,2 in der Altersgruppe der 2- bis 8-jährigen Kinder und ein solcher von 1 : 4,1 in der Altersgruppe der unter 3-jährigen Kinder ermittelt.[15] Die nebenstehende Tabelle zeigt die Situation in den einzelnen Bundesländern. Der Wert im europäischen Ausland entspricht ungefähr dem bundesweiten Schnitt. Einer Umfrage des VDKA zufolge beträgt der Betreuungsschlüssel in deutschen Kindergärten im europäischen Ausland 1 : 8,36.[17]

Kritik

Laut einer 2020 veröffentlichten qualitativen Studie der Fernuniversität in Hagen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung kamen in Krippengruppen 4,2 Kinder auf eine Fachkraft und in Kindergartengruppen 8,8 Kinder auf eine Fachkraft. Während sich die Personalschlüssel langsam annähern, unterscheidet sich das Qualifikationsniveau des Personals nach wie vor stark. Bundesweit war der Personalschlüssel für rund 1,7 Millionen Kinder nicht kindgerecht. In Westdeutschland betraf dies 69 %, in Ostdeutschland 93 %.[18] Zur Entlastung des Personals fordern die Autoren der Studie unter anderem mehr Hauswirtschafts- und Verwaltungskräfte.[19]

Siehe auch

  • Personalschlüsselberechnung in Deutschland

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c tagesspiegel
  2. Betreuungsschlüssel-Studie – Bremer Krippen sind im Vergleich gut aufgestellt – radiobremen (Memento vom 6. Juli 2013 im Internet Archive) Betreuungsschlüssel-Studie – Bremer Krippen sind im Vergleich gut aufgestellt (Memento vom 6. Juli 2013 im Internet Archive)
  3. a b § 25 c und § 25 d, HKJGB, abgerufen am 30. Mai 2020.
  4. § 11a Abs. 1 KiföG M-V 2017
  5. a b c d vgl. Anlage zu § 19 des Kinderbildungsgesetz (KiBiz) in Nordrhein-Westfalen, abgerufen am 10. November 2019.
  6. a b vgl. § 21, Kinderförderungsgesetz (KiFöG) in Sachsen-Anhalt, abgerufen am 13. Februar 2015.
  7. zitiert nach Stefan Sell: "Fachkraft-Kind-Relation und Personalschlüssel als zentrale Stellschrauben einer qualitätsorientierten Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen", Remagen, 2010, abgerufen am 6. Juni 2015.
  8. Länderübersicht Kita: Personalstandards Tabelle (Stand: September 2009) (PDF; 105 kB) und Überblick
  9. Mindestverordnung Kitas von 2009 (Memento desOriginals vom 13. Februar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/verwaltung.hessen.de, abgerufen am 13. Februar 2015.
  10. FAZ: "Hessen – Landtag verabschiedet Kinderförderungsgesetz", abgerufen am 13. Februar 2015.
  11. Birgitta vom Lehn: Stress in der Krippe. Essay. Welt Online. 11. Oktober 2011.
  12. Mehr Personal in die Kitas! Pädiater halten Betreuungsschlüssel für veraltet. 25. März 2009, abgerufen am 26. März 2009.
  13. Deutsches Kinderhilfswerk: Forderungskatalog zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland, Abschnitt 5 (Memento vom 13. Februar 2015 im Internet Archive), abgerufen am 13. Februar 2015.
  14. vgl. auch Angelika Ehrhardt, 7. März 2013 (Memento desOriginals vom 31. August 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.entdecker-voraus.de
  15. a b Statistisches Bundesamt: "Der Personalschlüssel in Kindertageseinrichtungen 2020", S. 6 und 7, abgerufen am 28. September 2021.
  16. Statistisches Bundesamt: "Der Personalschlüssel in Kindertageseinrichtungen", 2012, S. 5, "Methodik der neuen Personalschlüsselberechnung", abgerufen am 30. Mai 2015.
  17. Verzeichnis Deutscher Kindergärten im Ausland (VDKA), Auslandskindergartenspiegel 2014/15
  18. Silke Fokken: Studie zu frühkindlicher Bildung: 1,7 Millionen Kinder in Kitas „nicht kindgerecht“ betreut. In: Der Spiegel. 25. August 2020, abgerufen am 25. August 2020.
  19. Stefan Klusemann, Lena Rosenkranz und Julia Schütz: Professionelles Handeln im System. Perspektiven pädagogischer Akteur*innen auf die Personalsituation in Kindertageseinrichtungen (HiSKiTa). Hrsg.: Fernuniversität in Hagen. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2020, doi:10.11586/2020040 (bertelsmann-stiftung.de [PDF; abgerufen am 11. November 2020]).

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Gina Narvaez, center, reads a Blues Clues book to her daycare children Frida before breakfast. Narvaez, a home child care provider, is one of 15 providers that the child development center has, which is currently at a critical shortage. The maximum capacity of home child care providers is currently 30.