Benedict Wells

Benedict Wells, 2021

Benedict Wells (* 29. Februar 1984 in München[1] als Benedict von Schirach[2]) ist ein deutsch-schweizerischer Schriftsteller.

Leben

Mit sechs Jahren kam Wells ins Grundschulheim Grunertshofen.[3] Seine Schulzeit verbrachte er anschließend ausschließlich an Internaten.[4] Nach dem Abitur 2003 zog er nach Berlin, wo er sich gegen ein Studium entschied und mit dem Schreiben begann. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit diversen Nebenjobs, zwischendurch arbeitete er auch als freier Redakteur beim Fernsehen.[5]

Wells' Manuskripte wurden jahrelang von Verlagen und Agenturen abgelehnt, bis ihn Ende 2007 Diogenes unter Vertrag nahm.[6] Mit 23 Jahren war er damals der jüngste Autor des Verlags.[7] Zuerst veröffentlicht wurde 2008 sein zweiter Roman Becks letzter Sommer, der in der Literaturkritik viel Beachtung erfuhr.[8] So nannte ihn die Wochenzeitung Die Zeit „das interessanteste Debüt des Jahres“.[9] Das Buch erzählt die Geschichte von Robert Beck, einem Lehrer und Musiker Ende dreißig, der sein Leben noch einmal überdenkt und einen Roadtrip nach Istanbul macht.[4]

2009 wurde Wells mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet.[10] Im selben Jahr erschien sein ursprünglich erster Roman Spinner, den er im Alter von neunzehn Jahren geschrieben hatte. Der Protagonist ist der zwanzigjährige Jesper Lier, der eine ereignisreiche Woche in Berlin erlebt. Wells’ dritter Roman Fast genial stieg 2011 auf Platz 6 in die Bestsellerliste ein.[11] Er handelt von einem Jungen aus ärmlichen Verhältnissen, der sich auf die Suche nach seinem unbekannten und offenbar genialen Vater macht.

Wie erst nach dem Erfolg seines dritten Romans und gegen seinen Willen bekannt wurde, ist Wells der Enkel Baldur von Schirachs, der Sohn des Schriftstellers Richard von Schirach und der Bruder von Ariadne von Schirach. Der Strafverteidiger und Schriftsteller Ferdinand von Schirach ist sein Cousin, ebenso dessen Bruder Norris von Schirach.[12][13] Um sich von der Vergangenheit seiner Familie zu distanzieren und eigenständig aufzutreten, ließ Wells seinen bürgerlichen Namen nach seiner Schulzeit amtlich ändern.[14] Sein Nachname ist insofern kein Künstlername oder Pseudonym, sondern sein offizieller Name. Der Nachname Wells ist dabei als Hommage an die Romanfigur Homer Wells aus John Irvings Buch Gottes Werk und Teufels Beitrag anzusehen.[15] Irvings Romane waren auch der Grund, weshalb Wells mit dem Schreiben begann.[16]

Benedict Wells, 2016

2015 kam die Verfilmung von Becks letzter Sommer mit Christian Ulmen in der Hauptrolle ins Kino.[17] 2016 erschien sein vierter Roman Vom Ende der Einsamkeit, an dem Wells laut eigenen Angaben sieben Jahre schrieb.[18] Er handelt von drei Geschwistern, die ihre Eltern früh durch einen Unfall verlieren, und wie dieses Ereignis sie für ihr weiteres Leben prägt und verändert. Der Roman stand mehr als anderthalb Jahre auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde in 38 Sprachen übersetzt.[19] Wells wurde für Vom Ende der Einsamkeit mit dem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet.[20]

Mit Die Wahrheit über das Lügen veröffentlichte Wells 2018 eine Kurzgeschichtensammlung, die aus neuen Kurzgeschichten sowie vereinzelten Veröffentlichungen und zwei gekürzten Kapiteln aus Vom Ende der Einsamkeit besteht.[21]

Seit März 2019 ist Wells Pate für das Gymnasium Hohenschwangau im deutschlandweiten Projekt Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage.[22]

2021 erschien sein fünfter Roman Hard Land, der die Einsamkeit der Außenseiter thematisiert und das Herauslösen aus der Jugend unter schwierigsten Bedingungen umkreist.[23] Die Coming-of-Age-Geschichte spielt im Jahr 1985 in einer fiktiven Kleinstadt in Missouri und ist auch dadurch eine bewusste Hommage an damalige amerikanische Filme wie The Breakfast Club und Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers. Der Roman stand wochenlang an der Spitze der Bestsellerliste und wurde 2022 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis durch die Jugendjury ausgezeichnet.[24]

Um in Pandemiezeiten ein Statement für den stationären Buchhandel zu setzen, erschien Hard Land zuerst nur in gedruckter Form, das E-Book folgte einige Monate später.[25] Auf der Tour zum Buch trat Wells wie schon seit Jahren mit dem Musiker Jacob Brass auf, der die Lesungen wieder mit eigenen und gecoverten Songs untermalte.[26]

Im Oktober 2021 wurde er in das PEN-Zentrum Deutschland aufgenommen.[27]

Wells lebt nach einigen Jahren in Barcelona inzwischen in Zürich und ist Mitglied der deutschen Fußball-Autorennationalmannschaft Autonama. Er besitzt als Sohn einer Luzernerin neben der deutschen auch die schweizerische Staatsbürgerschaft.[28]

Wells hat angekündigt, vorerst das Schreiben von Romanen ruhen zu lassen und zu studieren.[29]

Werke

Bücher

  • Becks letzter Sommer. Roman. Diogenes, Zürich 2008, ISBN 978-3-257-06676-0.
  • Spinner. Roman. Diogenes, Zürich 2009, ISBN 978-3-257-06717-0.
  • Fast genial. Roman. Diogenes, Zürich 2011, ISBN 978-3-257-06789-7.
  • Vom Ende der Einsamkeit. Roman. Diogenes, Zürich 2016, ISBN 978-3-257-06958-7.
  • Die Wahrheit über das Lügen. Zehn Geschichten. Diogenes, Zürich 2018, ISBN 978-3-257-07030-9.
  • Hard Land. Roman. Diogenes, Zürich 2021, ISBN 978-3-257-07148-1.

Textbeiträge

  • Amsterdam. In: Strandlesebuch. Diogenes, Zürich 2011, ISBN 978-3-257-24085-6. Und in: Fußball ist unser Lieben. Suhrkamp, Berlin 2011, ISBN 978-3-518-46233-1.
  • Das Grundschulheim. In: Lichterloh. Diogenes, Zürich 2016, ISBN 978-3-257-24379-6. Und in: Unbehauste. Nicolai, Berlin 2015, ISBN 978-3-89479-712-6.
  • Football, Bloody Hell. In: Das Spiel meines Lebens. Rowohlt, Reinbek 2017, ISBN 978-3-499-63254-9.
  • An der Schwelle. In: Alles auf Rot. Der 1. FC Union Berlin. Blumenbar, Berlin 2017, ISBN 978-3-351-05046-7.
  • Mit der Transsibirischen Eisenbahn durch Russland. In: In bester Gesellschaft. Diogenes, Zürich 2019, ISBN 978-3-257-24513-4.
  • Barcelona, ein Fest fürs Leben. In: Gefährliche Ferien – Spanien. Diogenes, Zürich 2020, ISBN 978-3-257-24541-7. Und in: Tage wie diese. FineBooks, Berlin 2020, ISBN 978-3-948373-20-7.

Verfilmungen

Auszeichnungen

Weblinks

Commons: Benedict Wells – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Benedict Wells – Biografie. In: benedictwells.de. Abgerufen am 20. März 2018.
  2. In eigener Sache. 9. Oktober 2017, abgerufen am 20. Mai 2023.
  3. Benedict Wells: Die Wahrheit über das Lügen. Zehn Geschichten. Diogenes, Zürich 2018, S. 244.
  4. a b Benedict Wells. In: Diogenes Verlag. Abgerufen am 7. Januar 2018.
  5. Biografie von Benedict Wells auf dem Buchumschlag von Becks letzter Sommer
  6. Der 1. Blick in die Werkstatt – Über das Schreiben und den Weg zu Diogenes. Abgerufen am 13. November 2023.
  7. "Ich bin Schriftsteller, das muss so sein!" Interview in: DIE ZEIT vom 16. Oktober 2008
  8. Benedict Wells: Becks letzter Sommer. In: Perlentaucher. Abgerufen am 20. Dezember 2022.
  9. Das interessanteste Debüt des Jahres: Benedict Wells’ Roman »Becks letzter Sommer«
  10. Benedict Wells. In: Literaturportal Bayern. Abgerufen am 20. Dezember 2022 (deutsch).
  11. Fast genial auf Bestsellerliste (Memento vom 23. September 2015 im Internet Archive)
  12. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28. August 2011, Nr. 34, S. 26
  13. "Ich galt als Versager!" Artikel auf Spiegel online vom 15. März 2013
  14. "In eigener Sache" Artikel auf Homepage vom 9. Oktober 2017
  15. Paula Cocozza: Benedict Wells on the tear-jerker that took Europe: 'I used anger to keep going'. 20. März 2018, abgerufen am 20. März 2018 (englisch).
  16. "Besondere Autoren verdienen besondere Aufmerksamkeit!" Exklusiv-Porträt Benedict Wells bei Booksection.de, 2010
  17. Seite zu Becks letzter Sommer auf kino.de, abgerufen am 31. August 2015.
  18. Claudio Armbruster: Wells’ "Vom Ende der Einsamkeit" Ein unfassbar trauriges Meisterstück (Memento vom 7. April 2016 im Internet Archive) heute.de. Abgerufen am 7. April 2016.
  19. Buchreport Bestsellerliste https://www.buchreport.de/news/das-erste-mal-platz-1/
  20. Benedict Wells unter den Gewinnern in: Börsenblatt des Deutschen Buchhandels vom 5. April 2016. Abgerufen am 7. April 2016.
  21. Martin Ebel: Liebe oder Werk. In: Süddeutsche Zeitung. 3. Oktober 2018, abgerufen am 7. August 2023.
  22. Benedict Wells ist Pate des Gymnasiums Hohenschwangau bei der Aktion „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ (Memento vom 7. März 2021 im Internet Archive)
  23. Bernhard Blöchl: „Hard Land“ von Benedict Wells. In: Süddeutsche. Abgerufen am 28. März 2021.
  24. Die Grenzen sind nicht da in: Süddeutsche Zeitung vom 21. Oktober 2022.
  25. Benedict Wells’ neuer Roman ist Spitzenreiter des SPIEGEL-Rankings in: Buchreport vom 4. März 2021.
  26. Benedict Wells präsentiert sein Buch „Hard Land“ in München in: Münchner Merkur vom 10. November 2021.
  27. PEN nimmt neue Mitglieder auf, darunter Mithu Sanyal, Sharon Dodua Otoo, Jo Lendle und Benedict Wells. In: PEN-Zentrum Deutschland. 28. Oktober 2021, abgerufen am 28. Januar 2022.
  28. Benedict Wells jetzt auch Schweizer. In: Focus Online. 7. Juli 2016, abgerufen am 14. Juli 2023 (dpa-Meldung).
  29. Benedict Wells im Interview – «Ich mach jetzt mal eine Pause vom Schreiben». 24. Februar 2021, abgerufen am 8. August 2023.
  30. Bayerischer-Kunstförderpreis für Wells in kulturport.de vom 27. Oktober 2017.
  31. SZ vom 7. April 2016
  32. Buchpreis-der-Stiftung-Ravensburger-Verlag für Wells in Buchmarkt.de vom 11. Oktober 2016.
  33. Woche unabhängiger Buchhandlungen / Benedict Wells schrieb das Lieblingsbuch / boersenblatt.net. In: www.boersenblatt.net. Abgerufen am 8. Dezember 2016.
  34. Euregio-Schüler-Literaturpreis für Wells in Grenzecho.net vom 20. April 2018.
  35. „Hard Land“ von Benedict Wells ist das Lieblingsbuch des Deutschschweizer Buchhandels 2021 in buchmarkt.de, erschienen und abgerufen am 22. April 2021.
  36. Hard Land. In: Arbeitskreis für Jugendliteratur. Abgerufen am 20. Dezember 2022.

Auf dieser Seite verwendete Medien

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Autor/Urheber: Roger Eberhard, Lizenz: CC BY-SA 4.0
A photo of the German-Swiss writer Benedict Wells, 2021
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Autor/Urheber: Heike Huslage-Koch, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Benedict Wells auf einer Lesung im Michaeli-Gymnasium, München