Belvedere (Architektur)

Belvedere auf dem Klausberg in Potsdam-Sanssouci, 1770–1772

Ein Belvedere ([bɛlveˈdeːre], in Österreich [bɛlveˈdeːɐ̯][1]) ist ein Bauwerk mit schöner Aussicht, also eine Aussichtsterrasse auf dem Dach oder im Dachgeschoß von Wohnhäusern, Villen, Palästen und Schlössern. Ferner wird der Begriff für einen architektonisch gestalteten Aussichtspunkt in Parkanlagen verwendet. Auch schön gelegene Lustschlösser der Renaissance und des Barock werden Belvedere genannt.[2]

Begriff

Das Wort Belvedere zeigt den italienischen Ursprung und heißt wörtlich „Schönblick“ im Sinne von „schöne Aussicht“; die französische Form ist Belvédère. Gleichbedeutend ist oft der für Gebäude und Orte aus dem Französischen entlehnte Begriff Bellevue.

Geschichte und Merkmale

Der Bautyp des Belvedere stammt ursprünglich aus der italienischen Renaissance. Es wurde im oberen Bereich eines Gebäudes errichtet, um einen ‚schönen‘, d. h. weiten Ausblick zu ermöglichen. Die Architektur kann von verschiedener Form sein, ein Turm, eine offene Galerie oder Loggia.

Ein besonders frühes Beispiel ist das Belvedere an der Villa Medici von Careggi aus den 1430er Jahren, wo das Obergeschoss eines der Seitenflügel in eine ionische Säulenhalle mit flacher Decke aufgelöst ist. Diese Art offener Dachhallen wurde dann allgemeiner seit der Mitte des 15. Jahrhunderts vom toskanischen Landhaus auf das Stadthaus übertragen und dem festlich-geselligen Bedürfnis der Städter entsprechend ausgestattet.[3]

In der Barockzeit wurde der Begriff Belvedere übertragen auf kleine selbständige, architektonisch gestaltete Aussichtspunkte in Gärten, Parks und öffentlichen Anlagen.[4] Deren bauliche Gestalt kann sehr verschieden sein – von der schlichten Aussichtsterrasse mit einer Brüstung über einen Turm mit freiem Laubengeschoß bis zum offenen Tempelchen. Schließlich wurde der Name Belvedere auch übertragen auf Landhäuser und Lustschlösser mit guter Aussicht.[3]

In klassizistischen und romantischen Villenbauten des 19. Jahrhunderts bezeichnet man dem Ausblick dienende Türme als Belvederetürmchen.

Das vatikanische Belvedere

Das Belvedere des Vatikan

Auf dem Hügel oberhalb des Vatikanpalastes errichtete Antonio Pollaiuolo für Papst Innozenz VIII. ein kleines Haus, das als Palazetto oder Casino del Belvedere bezeichnet wurde. Einige Jahre später verband der Architekt Donato Bramante im Auftrag Papst Julius’ II. den Vatikanpalast mit dem Belvedere, indem er den langgezogenen Cortile del Belvedere (Hof des Belvedere) schuf. Außerdem schuf Bramante auf der Nordseite des Belvedere ein Gebäude mit einem achteckigen Innenhof, der manchmal ebenfalls als Cortile del Belvedere bezeichnet wurde, aber in der Regel als Cortile delle Statue. Dort stand der Apollo von Belvedere, eine der berühmtesten antiken Statuen in der päpstlichen Kunstsammlung.

Der vatikanische Belvedere-Bau war Anregung für viele Belvedere-Bauten des 16. Jahrhunderts.

Galerie

Siehe auch

Literatur

Commons: Belvedere – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Peter Stephan: Das Obere Belvedere in Wien. Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hrsg.), Wien 2010, ISBN 978-3-205-77785-4.

Einzelnachweise

  1. Lokale italienische bzw. traditionelle österreichische Aussprache durch französischen Einfluss: siehe Österreichisches Wörterbuch. 42. Auflage. Österreichischer Bundesverlag, Wien 2012, ISBN 3-215-04828-0, S. 106.
  2. Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 18. Juni 2024), S. 65: Belvedere.
  3. a b Paul Ortwin Rave: Belvedere (Bellevue). In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. II, 1938, Sp. 230–235. (Abschrift, auf rdklabor.de, abgerufen am 18. Juni 2024)
  4. Johann Friedrich Penther: Ausführliche Anleitung zur bürgerlichen Bau-Kunst (Band 1): Enthaltend ein Lexicon Architectonicum oder Erklärungen der üblichsten Deutschen, Französischen, Italiänischen Kunst-Wörter der Bürgerlichen Bau-Kunst. Augspurg 1744, S. 21 (Digitalisat): „Belvedere ist an einem solchen Ort, wo eine schöne Aussicht ist, ein der Aussicht wegen erbaueter Thurn oder Lust-Haus.“

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"Die Grosse Neugierde", Aussichtspavillon im Park Klein-Glienicke in Berlin, nahe der Glienicker Brücke nach Potsdam. Erbaut 1835 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel.
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30.04.2003 14469 Potsdam-Sanssouci: Klausberg Belvedere (GMP: 52.407065,13.019405). Das Belvedere auf dem Klausberg ist ein zwischen 1770 und 1772 entstandenes Aussichtsgebäude auf dem namengebenden Klausberg in Potsdam, nordwestlich des Parks Sanssouci. Nach den Vorgaben Friedrichs II. erstellte der Baumeister Georg Christian Unger den Entwurf. 1945 ausgebrannt, bis 2002 saniert. [F20030430A12.jpg]20030430520NR.JPG(c)Blobelt
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