Beihilfe (Strafrecht)

Der Begriff Beihilfe bezeichnet im deutschen Strafrecht eine Form der Beteiligung an einer Straftat. Sie ist im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs (StGB) in § 27 StGB geregelt. Eine Beihilfe liegt vor, wenn jemand vorsätzlich einen Täter bei der Begehung einer Straftat unterstützt.

Legaldefinition

Wegen Beihilfe gemäß § 27 Abs. 1 StGB wird bestraft, „wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.“ (Legaldefinition)

Anforderungen an die Haupttat

Nach dem Wortlaut des § 27 StGB ist der Gehilfe nur dann strafbar, wenn er „einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat“ Hilfe geleistet hat. Diese Tat eines anderen, die der Gehilfe unterstützt, wird als Haupttat bezeichnet. Es sind sinngemäß die gleichen Anforderungen an die Haupttat zu stellen wie bei der Anstiftung.[1]

Es muss sich also auch für die Beihilfe bei der Haupttat um eine rechtswidrige – und bei Schuldhaftigkeit strafbare – Tat handeln. Schuldhaft muss der Haupttäter allerdings nicht handeln, damit sich der Gehilfe strafbar machen kann (Grundsatz der limitierten Akzessorietät).[1][2] Dies ergibt sich auch hier aus dem Wortlaut des § 27 StGB[2] („zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat“) und aus § 29 StGB[3][2], wonach jeder Beteiligte nach seiner eigenen Schuld bestraft werde.

Beihilfehandlung („Hilfe geleistet hat“)

Für die Beihilfehandlung soll dabei nach überwiegender Ansicht jede Handlung des Gehilfen ausreichen, die geeignet ist, die Haupttat zu fördern.

Die Beihilfehandlung kann in unterschiedlicher Form geschehen, z. B. durch aktive Hilfeleistung (physische Beihilfe) oder durch motivierendes Bestärken (psychische Beihilfe). Umstritten ist, ob psychische Beihilfe auch durch Bestärkung des Tatentschlusses geleistet werden kann. Die herrschende Meinung bejaht die Möglichkeit einer psychischen Beihilfe durch Bestärkung des Tatentschlusses, wenn dadurch bei einem ansonsten fest zur Tat Entschlossenen bestimmte Hemmungen beseitigt oder Bedenken hinsichtlich der Tatausführung zerstreut werden.[4] Im Schrifttum wird eine solche Form der Unterstützung teils abgelehnt, da sich die Beihilfe im Unterschied zur Anstiftung nicht auf die Beeinflussung des Täters, sondern auf die Gestaltung der Tat beziehen müsse. Es muss in jedem Fall eine fremde, rechtswidrige Haupttat vorliegen, welche von dem Gehilfen unterstützt wird.

Welches Verhalten für dieses „Unterstützen“ als ausreichend angesehen wird, ist umstritten. Die herrschende Lehre fordert, dass die Unterstützung des Gehilfen kausal für das Gelingen der unterstützten Haupttat sein muss.[5] Die Rechtsprechung lässt es dagegen bereits ausreichen, wenn die Haupttat in irgendeiner Weise durch die Hilfeleistung gefördert wurde.[6] Der Bundesgerichtshof (BGH) definiert dabei das Hilfeleisten wie folgt: „Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert“.[7][8]„Zwar reicht die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat selbst bei deren Billigung nicht aus, die Annahme von Beihilfe im Sinne aktiven Tuns zu begründen [...]. Die Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB kann jedoch auch in der Billigung der Tat bestehen, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluß oder in seiner Bereitschaft, ihn weiter zu verfolgen, bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewußt ist (sog. psychische Beihilfe[...])“[9] „Die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat reicht selbst bei deren Billigung dazu nicht aus“.[10]

In den jüngsten NS-Prozessen gegen Wachpersonal der ehemaligen NS-Vernichtungslager wie John Demjanjuk oder Oskar Gröning hält die Rechtsprechung es deshalb für ausreichend, einen schnellen und reibungslosen Ablauf der Selektionen gewährleistet und damit auch die anschließenden Tötungsvorgänge in den Gaskammern erleichtert und beschleunigt zu haben, ohne dass diese Handlungen im Sinne eines konkreten Einzeltatnachweises für den Eintritt des späteren Tötungserfolgs in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal geworden sein müssen.[11][12] Erforderlich ist nur, dass der Angeklagte nicht nur „irgendwie anlässlich des Vernichtungsprogramms“ tätig geworden ist wie beispielsweise ein Arzt, der zur Betreuung der Wachmannschaft bestellt war und sich streng auf diese Aufgabe beschränkt hat,[13][14] sondern ihm konkrete Handlungsweisen mit unmittelbarem Bezug zu dem organisierten Tötungsgeschehen schon im Vorfeld nachzuweisen sind.[15]

Auch Beihilfe durch Unterlassen ist möglich, wenn jemand eine Garantenstellung innehat und sie nicht erfüllt.[16][17][18]

Subjektiver Tatbestand

Für die Annahme einer Beihilfehandlung ist es nicht notwendig, dass der Haupttäter davon Kenntnis hat.

Der Gehilfe selbst muss aber einen doppelten Teilnehmervorsatz[1] haben: Der Vorsatz des Gehilfen muss sich sowohl auf die Haupttat des anderen als auch die eigene Beihilfehandlung beziehen.[19]

Zwingende Strafmilderung

Die mögliche Strafe für den Gehilfen geht von dem Strafrahmen für die Haupttat aus (§ 27 Abs. 2 Satz 1 StGB). Es gibt also keine eigene Strafandrohung oder einen eigenen Strafrahmen für die Beihilfe.

Die für Beihilfe angedrohte Strafe ist aber milder als für die jeweilige Haupttat (§ 27 Abs. 2 Satz 2 StGB): Der Strafrahmen der Haupttat ist zwar der Ausgangspunkt, er wird aber automatisch nach dem Schema aus § 49 Abs. 1 StGB abgesenkt. Genannt wird dies Strafrahmenverschiebung aufgrund zwingender vertypter Strafmilderungsgründe[20] oder kurz: obligatorische Strafmilderung[21].

Sonderfälle und Einzelfälle

Versuchte Beihilfe

Der Versuch einer Beihilfe (versuchte Beihilfe) ist nicht strafbar.[22] Wer also nur versucht, eine (vollendete oder versuchte) Haupttat zu fördern, macht sich (normalerweise) nicht strafbar. Nur bei einzelnen Straftatbeständen, in denen die Beihilfe einen eigenen Tatbestand bildet (z. B. § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AufenthG), ist die versuchte Beihilfe ausnahmsweise mit Strafe bedroht.[22]

Beihilfe zum Versuch

Dagegen ist die (insofern erfolgreiche, und nicht nur versuchte) Beihilfe des Gehilfen zum rechtswidrigen Versuch eines anderen, erfolgreich eine Straftat zu begehen, strafbar (Beihilfe zum Versuch).[23] Denn der (rechtswidrige) Versuch eines Haupttäters ist eine rechtswidrige (und im Regelfall – nämlich bei Schuldhaftigkeit – strafbare) Tat. Damit ist dieser Versuch eine mögliche Haupttat, für die eine Beihilfe, die diesen Versuch fördert, ebenfalls rechtswidrig (und bei Schuldhaftigkeit strafbar) ist.

Beispiel: Beihilfe zum Betrugsversuch

Ein Beispiel stellt die (erfolgreiche) Beihilfe zum versuchten Betrug dar. Die auf einen Betrug gerichtete Täuschungshandlung des Haupttäters kann schon vor der Vollendung in einem misslungenen Versuch enden. Dieser Versuch kann durch einen Gehilfen (§ 27 Abs. 1 StGB) unterstützt worden sein. Eine Tat versucht derjenige, der nach den Vorstellungen von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB).

Durch die nach dem Strafmaß untergliederte Schwere der Tat ist Betrug kein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB). Allerdings handelt es sich um ein Vergehen, das den Versuch nach § 263 Abs. 2 StGB unter Strafe stellt. Nach § 27 Abs. 1 StGB wird als Gehilfe bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Das gilt auch für die Beihilfe beim Betrugsversuch. Die Strafbarkeit der Nebentat folgt in diesem Fall akzessorisch der Haupttat des versuchten Betruges.

Beihilfe durch neutrale Handlungen

Umstritten ist, inwieweit strafbare Beihilfe durch äußerlich neutrale, insbesondere alltägliche oder berufstypische Handlungen geleistet werden kann.[24][25] Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 14. Juli 2000 die Verurteilung zweier Notare und Rechtsanwälte durch das Landgericht Oldenburg zu Freiheitsstrafe und befristeter Untersagung der Berufsausübung wegen Beihilfe zum Betrug bzw. zum versuchten Betrug bestätigt, weil ihre Tatbeiträge nicht als berufstypische, neutrale Handlung anzusehen sei, sondern sie zu Täuschungshandlungen in vermögensrechtlichen Angelegenheiten beigetragen hätten.[26][27][28]

Beihilfe nach der Tat

Beihilfe nach der Tat (sukzessive Beihilfe) bezeichnet eine Handlung, die nach vollendeter, aber noch vor beendeter Haupttat verübt wird, um z. B. dem Täter dabei zu helfen, die (ungesicherte) Beute nach einem Diebstahl zu sichern oder sich der Strafverfolgung zu entziehen.

Die Strafbarkeit einer solchen Beihilfe nach der Tat ist in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich geregelt. Das amerikanische Strafrecht bedroht die Beihilfe nach der Tat als solche mit Strafe. In Deutschland ist die Behandlung strittig. Während die Rechtsprechung[29] und Teile der Literatur[30] auch in diesem Fall von einer möglichen Beihilfe ausgehen, lehnt eine andere Auffassung[31] diese (außer bei Dauerdelikten wie Freiheitsberaubung) ab.

Dennoch müssen in jedem Fall immer noch – in Abgrenzung zu den allgemeinen Tatbeständen der Beihilfe nach der Tat – die eigenständigen Delikte der Begünstigung (§ 257 StGB) und der Strafvereitelung (§ 258 StGB) geprüft werden.

Literatur

  • Hans Kudlich: Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, Duncker & Humblot, Berlin 2004, ISBN 3-428-11444-2 (München, Univ., Habil.-Schr., 2003).
  • Claus Roxin: Strafrecht. Allgemeiner Teil. (Band 2). Beck Verlag, München 2003, ISBN 3-406-43868-7, S. 192–231.
  • § 27 StGB auf dejure.org – Gesetzestext mit Hinweisen zu Rechtsprechung und Querverweisen
  • § 49 StGB auf lexetius.com – Gesetzestext und Änderungen des § 49 (R)StGB mit Geltung seit 1872
  • Wolfgang Schild: § 25 - 27 StGB. (Die geschichtlichen Ausführungen der Kommentierung des Abschnittes Vor §§ 25 ff. im Nomos-Kommentar 3. Auflage (2010)).

Einzelnachweise

  1. a b c Hans Kudlich in: Beck’scher Online-Kommentar StGB (BeckOK StGB), Hrsg.: von Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 46. Edition, Stand: 1. Mai 2020, § 27 Rn. 2.
  2. a b c Hans Kudlich in: Beck’scher Online-Kommentar StGB (BeckOK StGB), Hrsg.: von Heintschel-Heinegg, 46. Edition, Stand: 1. Mai 2020, § 26 Rn. 4.
  3. Hans Kudlich in: Beck’scher Online-Kommentar StGB (BeckOK StGB), Hrsg.: von Heintschel-Heinegg, 46. Edition, Stand: 1. Mai 2020, § 29 Rn. 1.
  4. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2001, Az. 3 StR 237/01, Volltext.
  5. Wolfgang Joecks/Jörg Scheinfeld, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 18.
  6. BGH, Urteil vom 16. November 2006, 3 StR 139/06 Rdnr. 36, 40
  7. BGH, Beschlüsse 9. Juli 2015 - 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344; vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Urteile vom 13. Juli 2016 - 1 StR 94/16, juris Rn. 24.
  8. Vgl. Ständige Rechtsprechung; BGH, Urteil vom 16. Januar 2008 - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mit weiteren Nachweisen.
  9. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2001 - 3 StR 237/01, NStZ 2002, 139.
  10. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2015 - 2 StR 419/15, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 34.
  11. LG München II, Urteil vom 12. Mai 2011, Az. 1 Ks 115 Js 12496/08
  12. LG Lüneburg 4. Große Strafkammer, Urteil vom 15. Juli 2015, 27 Ks 9/14, 27 Ks 1191 Js 98402/13 (9/14) (Memento desOriginals vom 30. November 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rechtsprechung.niedersachsen.de Rdnr. 56,57
  13. vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1969 – 2 StR 280/67
  14. Thilo Kurz: Paradigmenwechsel bei der Strafverfolgung des Personals in den deutschen Vernichtungslagern? ZIS 2013, 122–129
  15. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 3 StR 49/16 Rdnr. 27, 28
  16. Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen? Channelpartner. 29. November 2010.
  17. BGH, Beschluss vom 17. November 2011, Az. 2 StR 348/11, NStZ-RR 2012, 58, beck-online
  18. Günter Heine/Bettina Weißer, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 27 Rn. 19.
  19. Hans Kudlich in: Beck’scher Online-Kommentar StGB (BeckOK StGB), Hrsg.: von Heintschel-Heinegg, Stand: 10. November 2014, Edition: 25, § 26 Rn. 6.
  20. Bernd von Heintschel-Heinegg in: Beck’scher Online-Kommentar StGB (BeckOK StGB), Hrsg.: von Heintschel-Heinegg, 46. Edition, Stand: 1. Mai 2020, § 46 Rn. 22.
  21. Bernd Schünemann: Anmerkung, NStZ 1981, 143–144 (143, 144) [Anmerkung zu: LG Hamburg: Verjährung bei Beihilfe zum Mord; Beschluß vom 16. Januar 1981 – (90) 3/80 Ks – 147 Js 8/75, NStZ 1981, 141–143].
  22. a b Kai Cornelius in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, Hrsg.: von Heintschel-Heinegg (BeckOK StGB), 46. Edition, Stand: 1. Februar 2020 § 30 Rn. 1.
  23. Kristian Kühl in: Lackner/Kühl StGB, 29. Auflage 2018, StGB § 27 Rn. 8.
  24. Klaus Hoffmann-Holland: Beihilfe – Prüfungsschema FU Berlin, abgerufen am 22. Dezember 2017
  25. Günter Heine/Bettina Weißer, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 27 Rn. 9–13.
  26. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000, Az. 3 StR 454/99 Volltext, S. 11.
  27. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000, Az. 3 StR 53/00.
  28. Notare wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt. In: Pressemitteilung Nr. 52/00. Bundesgerichtshof (Pressestelle), 14. Juli 2000, abgerufen am 12. Juli 2020.
  29. BGH, Beschluss vom 9. Juli 1996, Aktenzeichen 1 StR 728/95, NStZ-RR 1996, 374, beck-online.
  30. Günter Heine/Bettina Weißer, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 27 Rn. 20.
  31. Wolfgang Joecks/Jörg Scheinfeld, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2020, § 27 Rn. 18.