Umwandlung (Schach)

Eine Umwandlung oder Bauernumwandlung im Schach erfolgt, wenn ein Bauer die gegnerische Grundreihe erreicht. Der Bauer ist sofort, als Bestandteil dieses Zuges, durch eine andere Schachfigur gleicher Farbe mit Ausnahme des Königs zu ersetzen, also durch eine Dame (üblicherweise), einen Turm, einen Läufer oder einen Springer. Die umgewandelte Figur wirkt dabei sofort, z. B. durch Schachgebot.

Bedeutung in der Schachpartie

In der Eröffnung kommen Umwandlungen fast überhaupt nicht vor, weil die Bauern noch zu weit von der gegnerischen Grundreihe entfernt und leicht aufzuhalten sind. Es gibt jedoch einige wenige Eröffnungsfallen, in denen eine Umwandlung durchaus eine Rolle spielt, so z. B. in Albins Gegengambit. Auch im Mittelspiel sind Umwandlungen eher selten. Im Endspiel aber wird die Umwandlung zum beherrschenden Thema, da das Material meist nicht mehr ausreicht, um ohne sie ein Matt zu erzwingen. Die Stellungsbewertung reduziert sich dann im Wesentlichen auf die Frage, wer von den beiden Spielern als erster einen Bauern umwandeln kann. Hierzu ist zunächst die Bildung eines Freibauern erforderlich. Gelingt dies einem Spieler, so muss es das Ziel des anderen sein, den Freibauern aufzuhalten und an der Umwandlung zu hindern. Der Kontrolle des Umwandlungsfeldes kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. (Näheres dazu in den Artikeln über Bauernendspiele, Turmendspiele usw.) Da das Materialgleichgewicht durch die Umwandlung extrem verschoben wird, geben viele Spieler die Partie schon auf, sobald sie erkennen, dass sie die Umwandlung eines Bauern nicht mehr verhindern können.

In der Regel wird in eine Dame umgewandelt, da sie die stärkste Figur ist. Wird der Bauer in eine andere, geringerwertige Figur umgewandelt, etwa um eine Springergabel zu geben, so spricht man von Unterverwandlung. Es ist selten sinnvoll, einen Bauern in einen Turm oder einen Läufer zu verwandeln, da eine Dame sämtliche Züge sowohl eines Turms als auch eines Läufers ausführen kann. Jedoch kann in manchen Situationen durch eine solche Umwandlung ein Patt des Gegners verhindert werden.

Turnierpraxis

Bobby Fischer – Tigran Petrosjan
Kandidatenturnier 1959
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Stellung nach 37. h8D. Die vielleicht bekannteste Partie mit mehreren Damen auf dem Brett. Die Partie endete nach 11 weiteren Zügen remis.[1]

Wenn ein Bauer die gegnerische Grundreihe erreicht, dann muss dieser sofort durch die gewünschte Figur ersetzt werden. Da die Auswahl nicht auf bereits geschlagene Figuren beschränkt ist, kann ein Spieler beispielsweise in den Besitz von zwei oder mehr Damen kommen. Der Rekord in einer praktischen Partie liegt bei sechs Damen auf dem Brett, wobei auch gefälschte Partien mit bis zu sieben Damen existieren. Ebenso gab es Partien mit fünf Türmen und fünf Springern.[2]

In der Praxis ergibt sich manchmal das Problem, dass die gewünschte Figur (etwa eine zweite Dame) nicht greifbar ist. In diesem Fall schreiben die Regeln vor, dass der Schiedsrichter oder Wettkampfleiter die Partie unterbricht, indem er die Schachuhr anhält. Ist der Schiedsrichter nicht in der Nähe, so darf der Spieler selbst die Schachuhr anhalten, um den Schiedsrichter zu Hilfe zu rufen (FIDE-Regel 6.12).

Insbesondere in freien Blitzpartien wird es manchmal toleriert, wenn als weitere Dame ein auf den Kopf gestellter Turm eingesetzt wird. Dies ist allerdings nicht regelkonform. Dies spielte z. B. bei der kanadischen Meisterschaft 2017 eine Rolle. In der entscheidenden Blitz-Partie im Stichkampf um den Titelgewinn konnte Nikolay Noritsyn in Zeitnot keine Dame für die Umwandlung finden. Statt die Uhr anzuhalten und den Schiedsrichter um eine Dame zu bitten, stellte er einen umgekehrten Turm auf das Umwandlungsfeld. Der Schiedsrichter erklärte den Zug für korrekt, bestand aber darauf, dass die Umwandlungsfigur ein Turm sei. Dies entschied sowohl die Partie als auch die Kanadische Meisterschaft für seinen Gegner Bator Sambuev.[3]

Historisches

Im arabischen Schatrandsch wurde ein Bauer, der die gegnerische Grundreihe erreicht hatte, in die schwächste Figur, den Firzan, umgewandelt. Im Mittelalter war die Verwandlung in eine Dame nur dann möglich, wenn die ursprüngliche Dame bereits vom Brett genommen war. Diese Regel hielt sich bis ins 17. Jahrhundert. Ab 1560 waren auch Unterverwandlungen erlaubt, wobei die Regeln jedoch lange Zeit nicht einheitlich waren.

Noch in der Zeit um 1840 galt im deutschsprachigen Raum die Regel, dass sich ein Bauer nur in eine solche Figur umwandeln darf, die vorher geschlagen und somit vom Brett genommen wurde. Davon ging zum Beispiel 1842 Adolf Anderssen in der Vorrede zu seinen Aufgaben für Schachspieler aus. Dies konnte zu prinzipiellen Schwierigkeiten führen, wie der Schweizer Johann Conrad von Orelli (1788–1854) im Jahre 1840 in seinem Schachbüchlein darstellte.

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Weiß am Zug (Der Bauer a8 konnte nach den damaligen Regeln noch nicht umgewandelt werden, da noch keine geschlagene Figur zur Verfügung stand.)

In der Diagrammstellung (siehe rechts) wurde noch keine weiße Figur geschlagen, weshalb sich der Bauer auf a8 gemäß obiger Regel noch nicht umwandeln konnte. Weiß muss daher warten, bis eine seiner Figuren geschlagen wird, bevor er eben jene Figur auf a8 gegen den Bauern eintauschen kann. Ein Problem ergibt sich nun, wenn Weiß 1. Dd3–e4+ zieht. Nach 1. … De7xe4+ würde die geschlagene weiße Dame auf a8 wieder eingesetzt und Schwarz wäre augenblicklich matt. Andererseits stünde aber auch der weiße König im Schach der Dame. Die Frage, was nun Vorrang hat und wie dieses Problem gelöst werden könnte, blieb letztendlich unbeantwortet. Anderssen meinte, in solchen Fällen dürfe Schwarz eben nicht schlagen: „Allein diesem Uebelstande würde durch die so natürliche Regel zuvorgekommen, daß der Gegner in dem Falle nicht schlagen darf, wenn er dadurch den vorgerückten Bauer zu einer, gleichzeitig schachbietenden, Figur macht.“[4] Damit bliebe nur 1. … Td5 2. Dxd5 matt. In der zweiten Auflage 1852 hat Anderssen diese Auffassung nicht mehr vertreten, wohl weil mittlerweile auch in Deutschland ein Konsens für die moderne Umwandlungsregel zustande gekommen war.

In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts war es zudem erlaubt, den Bauern nach Erreichen der gegnerischen Grundreihe nicht umzuwandeln, sondern ggf. bis zum Ende der Partie als Bauer auf dem Verwandlungsfeld stehen zu lassen – siehe Dummy-Bauer.

Besonderheiten der Umwandlungsregel

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Weiß am Zug könnte in einem Zug Matt setzen, wäre Umwandlung in eine gegnerische Figur legal.
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Weiß zieht regelkonform g7–g8D, dann schlägt der schwarze König im nächsten Zug auf g8 und das Matt dauert noch einige Züge (z. B. nach Tf6 oder Se5). Der Turm muss dann sofort die siebte Reihe verlassen, sonst droht Patt.
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Weiß zieht g7–g8 und wandelt regelwidrig in einen schwarzen Springer um, dann ist Schwarz sofort Matt.

FIDE-Regel 3.7.e besagt:

„Sobald ein Bauer diejenige Reihe erreicht hat, die am weitesten von seinem Ursprungsfeld entfernt ist, muss er als Teil desselben Zuges gegen eine Dame, einen Turm, einen Läufer oder einen Springer derselben Farbe ausgetauscht werden. Die Auswahl des Spielers ist nicht auf bereits geschlagene Figuren beschränkt. Dieser Austausch eines Bauern für eine andere Figur wird ‚Umwandlung‘ genannt, und die Wirkung der neuen Figur tritt sofort ein.“

Die ausdrückliche Bedingung einer Umwandlung in eine Figur derselben Farbe schließt aus, den Bauern in eine gegnerische Figur umzuwandeln, so dies in einer Situation opportun wäre. Im gezeigten Diagramm könnte Weiß etwa nach g7–g8 den Bauern in einen schwarzen Springer umwandeln und den schwarzen König dadurch im selben Zug matt setzen.

Einzelnachweise

  1. Partie zum Nachspielen auf chessgames.com, abgerufen am 15. November 2018.
  2. Tim Krabbé: Chess records.
  3. Mike Kline: Brisantes Ende bei der Kanadischen Meisterschaft. Bei: Chess.com. 4. Juli 2017, abgerufen am 18. März 2018.
  4. Adolf Anderssen: Aufgaben für Schachspieler nebst ihren Lösungen. J. Urban Kern, Breslau 1842, Vorrede, S. [3].

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