Barbara (Sängerin)

Barbara
Porträt von Reginald Gray für die New York Times

Barbara, anfangs auch unter dem Künstlernamen Barbara Brodi auftretend, gebürtig Monique Andrée Serf (geboren am 9. Juni 1930 in Paris; gestorben am 24. November 1997 in Neuilly-sur-Seine), war eine französische Chansonnière, Liedtexterin und Komponistin.

Leben und Laufbahn

Monique Serf, die sich später Barbara nennt, wurde als Kind einer jüdischen Familie in Paris geboren. Ihr Vater, Jacques Serf (1904–1959), stammte aus dem Elsass, ihre Mutter, Esther, geborene Brodsky (1905–1967),[1] aus Odessa; sie waren seit dem 21. April 1927 verheiratet.[2] Monique ist ihr zweites Kind. Ein Bruder, Jean, wurde 1928 geboren, ein weiterer, Claude, 1942; ihre Schwester Régine kam 1938 zur Welt. Als Barbara zehn Jahre alt war, flüchtete die Familie aus dem von deutschen Truppen besetzten Teil Frankreichs und gelangte im Juli 1943 in die südostfranzösische Landgemeinde Saint-Marcellin im Département Isère. Dort musste sich Barbara bis 1944 vor dem Zugriff der Deutschen bzw. des mit Deutschland kollaborierenden Vichy-Regimes verstecken. Nach der Befreiung Frankreichs, die sie in einer Pension in Le Vésinet (Département Yvelines) bei Paris erlebte, hörte ein Musiklehrer aus der Nachbarschaft sie singen und beschloss, ihr Talent zu fördern. Barbara erhielt Gesangs- und Klavierunterricht. 1947 immatrikulierte sie sich am Pariser Konservatorium und studierte beim Tenor Gabriel Paulet. Die Stimme bezeichnete Barbara später als ihr wichtigstes Instrument, als Ausdruck ihrer Seele. Klavier spielte sie nach Gehör, das sie u. a. am Jazz schulte und das ihr so in ihren Kompositionen teils ungewöhnliche Akkorde ermöglichte.[3]

Ihre ersten künstlerischen Gehversuche unternahm Barbara am Ende der 1940er Jahre im Kabarett La Fontaine des Quatre Saisons in Paris. Von 1950 bis 1952 lebte sie in Brüssel, wo sie in Künstlerkreisen verkehrte und vor Freunden Chansons von Édith Piaf, Juliette Gréco und Germaine Montero sang. Nach ihrer Rückkehr nach Paris lernte sie Jacques Brel und Georges Brassens kennen, mit deren Liedern sie fortan auftrat. Nebenbei schrieb sie auch eigenes Material, das sie während ihrer Auftritte vortrug. 1957 nahm sie in Brüssel ihre erste Single auf, die jedoch weitgehend unbeachtet blieb. Der Durchbruch kam 1965 mit der Langspielplatte Barbara chante Barbara. Mit Anne Sylvestre gilt Barbara als eine der ersten französischen Sängerinnen, die eigene Lieder vortrugen; bis dahin waren Frauen hauptsächlich als Interpretinnen männlicher Autoren in Erscheinung getreten. Als neu galt auch, dass sich eine Sängerin auf dem Flügel begleitet.[4]

Anfang Juli 1964 kam Barbara zu einem Gastspiel an das Junge Theater Göttingen. Ihre dort gesammelten Eindrücke verwendete sie anschließend im Chanson Göttingen, das sie als Beitrag zur Völkerverständigung nach den Erfahrungen des Krieges verstand. Das Stück war in Frankreich sehr beliebt und leistete einen Beitrag zur deutsch-französischen Verständigung und zugleich zur Bekanntheit der Universitätsstadt Göttingen in Frankreich. 2003 zitierte Bundeskanzler Gerhard Schröder aus dem Text des Liedes in seiner Ansprache zum 40. Jahrestag des Élysée-Vertrags vor Vertretern des Deutschen Bundestages und der französischen Nationalversammlung im Schloss Versailles.

Im Jahr 1967 veröffentlichte Barbara eine Langspielplatte mit deutschen Versionen einiger ihrer Chansons (Barbara singt Barbara). Weitere deutsche Fassungen ihrer Lieder liegen von Walter Brandin vor. In den 1970er Jahren versuchte Barbara sich auch als Schauspielerin, doch blieb ihr auf diesem Gebiet ein großer Erfolg versagt.

Ihr letztes Studio-Album (Barbara) veröffentlichte sie 1996. In ihren letzten Lebensjahren setzte sich Barbara für den Kampf gegen AIDS ein. Gérard Depardieu, langjährig ein Freund der Künstlerin, trug Anfang 2017 in Paris Barbaras bekannteste Lieder in einer eigenen Show vor, die danach auf CD veröffentlicht wurde.[5]

Barbara heiratete 1953 in Brüssel-Ixelles den Arzt (nach anderen Angaben: den Juristen) Jean-Luc Sluys; die Ehe wurde 1956 geschieden.[6] Sie verbrachte einen Teil ihrer Kindheit im Pariser Stadtteil Quartier des Batignolles und lebte von 1973 bis zu ihrem Tod infolge eines toxischen Schocks[7] in einem historischen Landhaus in Précy-sur-Marne. Sie hatte keine Kinder, ihre Schwester Régine lebt in Tel Aviv. Über die Jahre der Verfolgung im Zweiten Weltkrieg sprach Barbara in der Öffentlichkeit nie. Die Wahrnehmung ihrer jüdischen Abstammung als etwas, das man verstecken müsse, habe ihren Ausdruck geprägt, sie habe ihren Liedern das Geheimnisvolle gegeben, das einen großen Teil ihres Charmes ausmacht, erklärte sie.[3]

Nachruhm und Ehrungen

Schild der Allée Barbara am Square des Batignolles in Paris

2001 würdigte die französische Post mit der Herausgabe einer Briefmarke zu 0,46 € die ungebrochene Popularität der verstorbenen Sängerin.

In Frankreich erschienen zahlreiche Biografien über sie, zudem zwei Dissertationen sowie weitere Bücher über Aspekte ihres Lebens und Werks. Von 2010 bis 2014 wurde fünfmal der von Staatspräsident François Mitterrand geschaffene „Prix Barbara“ für französische Nachwuchs-Sänger-Songschreiber verliehen.

Barbarastraße zu Ehren der Sängerin Barbara in Göttingen
Gemälde der Sängerin Barbara von Andreas Lemberg, Göttingen

Die Stadt Göttingen ehrte die Chansonsängerin mehrmals: Bereits zu Lebzeiten, am 24. April 1988, wurde Barbara die Ehrenmedaille der Stadt Göttingen verliehen; posthum, am 22. November 2002, wurde am Haus Geismarlandstraße 19, dem ehemaligen Spielort des Jungen Theaters, in dem Barbara aufgetreten war, eine Gedenktafel enthüllt.[8] Außerdem wurde am selben Tag im Göttinger Stadtteil Geismar die Barbarastraße[9] eingeweiht.

Am 19. Juni 2018 wurde eine neue Station der Pariser Métro nach ihr benannt. Die Station wurde im Jahr 2022 in Betrieb genommen.

RbbKultur sendete am 1. Juni 2020 das Doku-Porträt Die Frau in Schwarz: Die Chansonnière Barbara von Jean-Claude Kuner.[10] Der Autor verarbeitet darin neben eigenen Recherchen, darunter ein Interview mit der Schauspielerin Jeanne Balibar, die Barbara in dem französischen Biopic-Film Barbara (2017) darstellte, Material von Radio-Canada und dem Schweizer Sender RTS.[11]

Diskografie (Auswahl)

Alben

JahrTitelHöchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[12]
(Jahr, Titel, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 FR BEWTemplate:Charttabelle/Wartung/Charts inexistent
1974Enregistrement public au Théâtre des VariétésFR174
(2 Wo.)FR
Charteinstieg in FR erst 2007
1996BarbaraFR1
(10 Wo.)FR
1997Femme pianoBEW41
(5 Wo.)BEW
2001La chanteuse de minuitFR105
(2 Wo.)FR
Livealbum, Wiederveröffentlichung von Barbara à l’Écluse
2002Récital Pantin 81FR89
(8 Wo.)FR
2007Le temps du lilasFR70
(8 Wo.)FR
Bobino 1967FR155
(3 Wo.)FR
À L’Atelier - Bruxelles 1954FR195
(1 Wo.)FR
Les 50 plus belles chansonsFR105
(12 Wo.)FR
BEW89
(9 Wo.)BEW
Charteinstieg in FR erst 2012
2011Talents vol. 1FR198
(1 Wo.)FR
2012Best OfFR39
(27 Wo.)FR
BEW52
(57 Wo.)BEW
Une femme qui chanteFR102
(3 Wo.)FR
2014Le coffretBEW167
(1 Wo.)BEW
mit Jacques Brel, Georges Brassens & Léo Ferré
2017Lily passionFR59
(3 Wo.)FR
Ses 50 plus belles chansons (2017)BEW88
(8 Wo.)BEW

grau schraffiert: keine Chartdaten aus diesem Jahr verfügbar

Weitere Alben

  • Barbara à l’Écluse (1959)
  • Barbara chante Barbara (1965)
  • Barbara singt Barbara (1967)
  • Ma plus belle histoire d’amour (1967)
  • Le soleil noir (1968)
  • Madame (1970)
  • L’aigle noir (1970)
  • La fleur d’amour (1972)
  • Amours incestueuses (1972)
  • La Louve (1973)
  • Seule (1981)
  • Ma plus belle histoire d’amour

Singles

JahrTitel
Album
Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartsChartplatzierungen[12]
(Jahr, Titel, Album, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 FRTemplate:Charttabelle/Wartung/Charts inexistent
1962Dis quand reviendras-tu?
Dis quand reviendras-tu?
FR105
(2 Wo.)FR
Charteinstieg in FR erst 2012
1965Göttingen
Barbara N°2
FR154
(1 Wo.)FR
Charteinstieg in FR erst 2013
1968Mon enfance
Le soleil noir
FR156
(1 Wo.)FR
Charteinstieg in FR erst 2013
1970L’aigle noir
L’aigle noir
FR98
(9 Wo.)FR
Charteinstieg in FR erst 2012

grau schraffiert: keine Chartdaten aus diesem Jahr verfügbar

Weitere Singles

  • La Solitude
  • Nantes
  • Vienne
  • Une petite cantate
  • Marienbad (1973)
  • Drouot
  • Parce que je t’aime
  • Pierre
  • Si la photo est bonne
  • La dame brune (mit Georges Moustaki)
  • À mourir pour mourir

Filmografie

  • Le Toubib, médecin du gang (1955)
  • Franz (1971)
  • L’Oiseau rare (1973)
  • Je suis né à Venise (1977)
  • Barbara, die Lady des französischen Chansons. (im Original Barbara – Chansons pour une absente) Dokumentation aus Archivmaterial, Regie Cyril Leuthy, Frankreich, 2016. 62 Min (Animationen Sébastien Laudenbach)

Autobiografie

Ende 2017 erschien im Wallstein Verlag (Göttingen) Barbaras unvollendete Autobiografie Es war einmal ein schwarzes Klavier … Unvollendete Memoiren. in deutscher Übersetzung[13], auf Französisch waren sie schon 1998 erschienen.

Schauspiel

Das Junge Theater Göttingen führte anlässlich Barbaras 20. Todestages das Schauspiel Barbara. Gegen das Vergessen von Peter Christoph Grünberg auf.[14][15]

Weblinks

Commons: Barbara – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Genealogie von Esther Brodsky , gw.geneanet.org
  2. Paris Archives 1927, Mariages , 11
  3. a b Karl Lippegaus: Todestag der Chanson-Sängerin vor 25 Jahren - Barbara - mit Musik in die dunklen Zonen des Innenlebens. In: deutschlandfunk.de. 24. November 2022, abgerufen am 25. Mai 2023.
  4. Barbara : retour sur la vie d'un personnage à part. In: Marie France, magazine féminin. 13. November 2017, abgerufen am 13. Oktober 2021 (französisch).
  5. Beitrag in hr2 vom 10. Februar 2017, 16:30 h
  6. "Monique" Andrée SERF in: geneanet.org und Avis-de-deces.com Nécrologie de célébrités 1997 Disparition : Barbara , aufgerufen am 12. Oktober 2021.
  7. Barbara Schulz: Der Charme der niedersächsischen Provinz bei spiegel.de vom 20. November 2017, abgerufen am 14. November 2022
  8. Stadtarchiv Göttingen: Gedenktafeln für Personen: Barbara (1930–1997)
  9. Ganz Göttingen ehrt Barbara (Memento vom 28. Mai 2003 im Internet Archive), Pressemitteilung der Stadt Göttingen, 8. November 2002
  10. Jean-Claude Kuner: Die Frau in Schwarz auf der Website des Autors
  11. „Die Frau in Schwarz“, srf.ch vom 5. Juni 2020, abgerufen am 22. September 2020
  12. a b Chartquellen: FR BEW
  13. herausgegeben von Andrea Knigge, aus dem Französischen übersetzt von Annette Casasus, Wallstein Verlag, Göttingen 2017, ISBN 978-3-8353-3076-4.
  14. Barbara. Gegen das Vergessen. (Memento vom 1. Dezember 2017 im Internet Archive) Schauspiel mit Live-Musik im Jungen Theater Göttingen 2017.
  15. Angela Brünjes: Erinnerung an Barbara und Göttingen. In: goettinger-tageblatt.de, 22. Oktober 2017

Auf dieser Seite verwendete Medien

French singer Barbara by Reginald Gray.jpg
drawing commissioned by The New York Times
Allee Barbara.JPG
Plaque de l'allée Barbara dans le square des Batignolles à Paris.
Gemälde der Sängerin Barbara von Andreas Lemberg, Göttingen.jpg
Autor/Urheber: Andreas Lemberg, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Gemälde der Sängerin Barbara von 2013 des Göttinger Malers Andreas Lemberg
Barbarastraße zu Ehren der Sängerin Barbara in Göttingen.jpg
Autor/Urheber: Barbara Arand, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die Barbarastraße zu Ehren der Sängerin Barbara wurde posthum am 22. November 2002 in Göttingen auf den Zietenterassen eingeweiht
Flag of Wallonia.svg
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Flagge Walloniens
Barbara 1 (Repetities 1968-03-07 Grand Gala du Disque Populaire).jpg
Autor/Urheber:

Jack de Nijs für Anefo

. Nationaal Archief, Den Haag, Rijksfotoarchief: Fotocollectie Algemeen Nederlands Fotopersbureau (ANEFO), 1945-1989 - negatiefstroken zwart/wit, nummer toegang 2.24.01.05, bestanddeelnummer 921-1453, Lizenz: CC0
Barbara tijdens repetities voor het Grand Gala du Disque Populaire 1968