Bandabstandsreferenz

Als Bandabstandsreferenz (englisch bandgap voltage reference) bezeichnet man eine Referenzspannungsquelle, deren Ausgangsspannung in temperaturkompensiertem Zustand der Bandabstandsspannung eines Halbleiters entspricht. Je nach Halbleitermaterial, Silizium, Siliziumcarbid oder Galliumarsenid, variiert somit die erzeugte Spannung.

Besondere Eigenschaft einer Bandabstandsreferenz ist die hohe Präzision bei geringem schaltungstechnischen Aufwand. Zudem sind Bandabstandsreferenzen temperaturstabil und haben eine geringe Klemmenspannung (< 3 Volt). Entsprechend hat die Schaltung in der Elektronik eine hohe Verbreitung erfahren und ist beispielsweise in jedem integrierten Spannungsregler (Linearregler) enthalten, ebenso in vielen Analog-Digital-Wandlern.

Die Entwicklung der ersten Bandabstandsreferenz aus dem Jahr 1971 geht auf Arbeiten von Robert Widlar bei National Semiconductor zurück.[1] Heute existieren Weiterentwicklungen, die bessere Eigenschaften aufweisen und sich ohne zusätzliche Arbeitsschritte in einen CMOS-Prozess integrieren lassen.

Funktion

Zur Realisierung einer Bandabstandsreferenz gibt es unterschiedliche Ansätze. Einen Überblick liefert Robert Allen Pease in seinem Artikel „The Design of Band-Gap Reference Circuits: Trials and Tribulations“.[1] Nachfolgend wird ein an die Brokaw-Zelle angelehnter Ansatz schrittweise analysiert.

Arbeitspunktregelung

Das Bild unten zeigt eine Bandabstandsreferenz, reduziert auf den Regelkreis zur Stabilisierung von . Die Rückkopplung ist so angelegt, dass und gleiche Werte annehmen. Von entscheidender Bedeutung ist, dass T1 einen höheren Sperrsättigungsstrom aufweist, was konstruktiv durch Parallelschalten mehrerer identischer Transistoren erreicht wird.

 ; (Großsignalgleichung des Bipolartransistors)
Schaltung zur Demonstration der Arbeitspunktregelung
Übertragungskennlinien der beiden Schaltungsteile für
IS2 = 1 · 10−15 A
n = 10
R3 = 100 Ω
UT = 25,9 mV
Für die Referenzspannung ergibt sich:
URef ≈ 702 mV

Durch den höheren Sperrsättigungsstrom weist T1 einen höheren Verstärkungsfaktor gegenüber auf. Der Widerstand führt jedoch mit zunehmendem Emitterstrom zu einer Gegenkopplung und sorgt für einen flachen Kennlinienverlauf. Irgendwann holt T2, dessen Basisanschluss mit T1 parallel liegt, in der Übertragungskennlinie auf. Die Ausgangsspannung des Differenzverstärkers stabilisiert sich an dem Punkt, an dem sich beide Kennlinien schneiden. Dort leiten beide Transistoren den gleichen Strom.

Der Arbeitspunkt berechnet sich wie folgt:

Zusammengefasst und gekürzt resultiert die Formel:

In die Gleichung für den Strom eingesetzt ergibt das:

Daraus lässt sich schließlich die Ausgangsspannung mit der folgenden Gleichung ermitteln.

Temperaturkoeffizient

Die Bedingung

gilt für alle Temperaturwerte und führt direkt zur Bedingung

.

Damit gilt für die Spannung :

In guter Näherung gilt dabei die Temperaturdrift von bei konstantem Kollektorstrom

  • : Herstellungsparameter, Wertebereich −1,0 bis −1,5
  • : Bandabstandsspannung von Silizium (UG(300 K) = 1,12 V)

Temperaturkompensation

Wie gezeigt, weist die Ausgangsspannung (= ) noch eine deutliche Temperaturabhängigkeit auf, die in der Praxis etwa −1,7 mV/K beträgt. Des Weiteren besitzen und damit auch einen positiven Temperaturkoeffizienten. Die Erweiterung der verbesserten Schaltung (siehe unten) besteht aus dem Widerstand , über den die Ströme und geleitet werden und macht sich deren Temperaturkoeffizienten zunutze.

Die Temperaturabhängigkeit für zeigt diese Formel aus dem Abschnitt Arbeitspunktregelung:

Die weitere Rechnung zeigt, wie diese Abhängigkeit genutzt werden kann, um mit einem definierten Temperaturbeiwert auszustatten, der die Drift der Basis-Emitter-Spannung kompensiert.

Schaltung zur Demonstration der Temperaturkompensation

Ermittlung des Temperaturkoeffizienten von :

Kompensationsbedingung:

Zahlenbeispiel: n = 10

Ausgangsspannung

Die Ausgangsspannung erhöht sich durch das Einfügen der Temperaturkompensation und liegt im Bereich der Bandabstandsspannung des verwendeten Halbleiters. Beim anvisierten Wert von UG(0 K) = 1,205 V[2] handelt es sich um die extrapolierte Bandabstandsspannung bei 0 K ausgehend von der Bezugstemperatur T. Tatsächlich weist die Bandabstandsspannung von Halbleitern bei tiefen Temperaturen kein lineares Verhalten auf, weswegen die echte Bandlücke 1,17 V beträgt. In einem Zahlenbeispiel soll die resultierende Ausgangsspannung ermittelt werden.

Parameter:

IS0 = 1 · 10 −15; n = 10; IS1 = n · IS0; IS2 = IS0; R3 = 100 Ω; M = 1,5; T = 300 K

Im ersten Schritt muss der Arbeitspunkt und somit bestimmt werden.

Aus , und den Parametern kann nun R4 der für die Temperaturkompensation und die Spannung UTemp errechnet werden.

Resultate:

R4 = 478 Ω; UBasis = 0,702 V; UTemp = 0,483 V; Uref = 1,18 V

Die im Zahlenspiel ermittelte Ausgangsspannung liegt mit 1,18 V nur einige Prozent unter dem erwarteten Wert von 1,205 V.

Diskreter Aufbau

In der Praxis kommen nur integrierte Schaltungen zum Einsatz, doch für Laborversuche und zum Elektronikbasteln bietet ein diskreter Aufbau Anreize. Dem steht ein grundlegendes Problem gegenüber, denn Transistor-Arrays zum Erreichen des erforderlichen Verhältnisses des Sättigungssperrstroms sind schwer erhältlich. Ausweg bietet die Reduzierung des Widerstandes von . Dadurch fließt im Arbeitspunkt durch T2 ein Vielfaches des Stroms durch T1, was einen ähnlichen Effekt hat wie der vielfache Sättigungssperrstrom und die daraus folgende Spannungsstromverstärkung. Ratsam ist die Verwendung eines Doppeltransistors, um die Herstellungsstreuung möglichst gering zu halten und eine gute thermische Kopplung zu erreichen.

Die wichtigsten Formeln dazu zusammengefasst:

Temperatursensor

Als PTAT (proportional to absolute temperature) wird eine Größe bezeichnet, die proportional zur absoluten Temperatur ist. Eine solche Eigenschaft weist ΔUBE und in Folge UTemp in der Brokaw-Zelle auf.

Dieses Merkmal lässt sich zur Temperaturmessung nutzen und spiegelt direkt die Temperatur des Chip-Materials wider.

Verschiedenes

„parasitärer“ pnp-Transistor in CMOS-Struktur

Der Begriff curvature correction bezeichnet Maßnahmen zur Kompensation der verbliebenen Temperaturabhängigkeit der Bandabstandsreferenz.

Die für eine Bandabstandsreferenz erforderlichen Bipolartransistoren stehen in CMOS-Technologie nur über das aufwändige BiCMOS zur Verfügung. Deswegen macht man sich den vom Latch-Up-Effekt gefürchteten „parasitären“ pnp-Transistoren zunutze.

Eine Ende der 1990er entwickelte Bandabstandsreferenz basiert auf JFETs. Diese sind unter geschützten Markennamen wie XFET bekannt. Bandabstandsreferenzen dieser Art verfügen über teils bessere Eigenschaften als mit Bipolartransistoren realisierte Schaltungen und können auch bei niedrigeren Versorgungsspannungen eingesetzt werden.[3]

Literatur

  • Ulrich Tietze, Christoph Schenk: Halbleiter-Schaltungstechnik. 12. Auflage. Springer Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 2002, ISBN 3-540-42849-6.
  • Thomas H. Lee: Tales of the continuum: a subsampled history of analog circuits. In: IEEE Solid-State Circuits Society Newsletter. Band 12, Nr. 4, 2007, S. 38–51, doi:10.1109/N-SSC.2007.4785653.
  • Patent US3617859: Electrical Regulator Apparatus Including a Zero Temperature Coefficient Voltage Reference Circuit. Veröffentlicht am 23. März 1970, Erfinder: Robert C. Dobkin, Robert J. Widlar.
  • Patent US3887863: Solid-State Regulated Voltage Supply. Veröffentlicht am 28. November 1973, Erfinder: Adrian Paul Brokaw.

Weblinks

Commons: Bandgap voltage reference – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b R.A. Pease: The design of band-gap reference circuits: trials and tribulations. In: Proceedings on Bipolar Circuits and Technology Meeting. 1990, S. 214–218, doi:10.1109/BIPOL.1990.171166.
  2. Robert J. Widlar: IC Provides On-Card Regulation for Logic Circuits. In: National Semiconductor. Application Note 42, Februar 1971 (uni-stuttgart.de [PDF; abgerufen am 6. Juni 2021]).
  3. XFET™ References von Analog Devices. (in Englisch)

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