Ballettmeister

Ballettmeister Jules Perrot, gemalt 1875 von Edgar Degas

Ein Ballettmeister (engl. Ballet Master, franz. Maître de ballet, span. Maestro de ballet), früher auch Tanzmeister, ist ein Mitarbeiter beim Theater oder bei einer Ballettkompanie, der für das Können der Tänzer in der Kompanie und die Qualität der Ausführung der Tänze (Choreografien) verantwortlich ist. Ballettmeister trainieren üblicherweise täglich Ballettklassen und bereiten diese auf aktuelle oder bevorstehende Stücke vor.

Geschichte

Der Tanzmeister ist ursprünglich ein Tanzlehrer und war seit der Neuzeit, als der Tanz für die Bildung der Adligen große Bedeutung bekam, eine Art Benimm-dich-Lehrer für Söhne und Töchter, so wie der Hofmeister. Daher stammt die Redewendung „nach seiner Geige tanzen“: Die Tanzmeistergeige war das wichtigste Handwerkszeug des Tanzmeisters.

Weil das Zeremoniell des Hofstaats und das Hoftheater bis etwa 1700 kaum zu trennen waren, waren die Tanzmeister für das Arrangement der gesellschaftlichen Anlässe oder der Kontratänze beim Ball ebenso zuständig wie für die Tänze auf der Bühne, die noch zur Mehrzahl in Opern und Schauspiele eingegliedert waren. Diese Doppelfunktion des Ballettmeisters als Tanzlehrer der Hocharistokratie und als Choreograf am Theater hält sich teilweise bis ins 20. Jahrhundert hinein, etwa in der Person Carl Godlewskis an der Wiener Hofoper.

Die Tanzmeister bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren für die Zusammenstellung der Musik verantwortlich und oft auch selbst die Komponisten der Ballettmusik. Auch diese Tradition hielt sich im Unterhaltungstheater noch lange, wie etwa bei Charlie Chaplin oder Grock, die ihre Musik selbst komponierten.

Es gab zahlreiche reisende Tanzmeister, die als Ratgeber adliger und reicher bürgerlicher Familien begehrt waren und für die Verbreitung der neuesten Gesellschaftstänze und Moden ebenso verantwortlich waren wie für die Entstehung eines Ballett-Repertoires seit dem 18. Jahrhundert. Diese Tanzmeister schrieben auch Traktate und andere tänzerische Anleitungen, die sich gut verkaufen ließen. Der prominenteste unter ihnen ist Jean-Georges Noverre. Auch Jean Dauberval oder Filippo Taglioni waren noch reisende Tanzmeister. Der Tanzmeister als Arrangeur vorgegebener Tanzschritte wird in jener Zeit zu einem Choreografen, der größere künstlerische Freiheit besitzt.

Ein Reisender hatte eine höhere gesellschaftliche Stellung als ein Fahrender. Bei den reisenden Tanz- und Ballettmeistern war diese Abgrenzung allerdings nicht immer klar. Auch die Wanderbühnen führten Tanzmeister für das Arrangement der Tänze und Tableaux vivants mit. Die Tanzausbildung war Grundlage für alle Bühnenkünste. Es gab noch keine deutliche Abgrenzung zwischen Schauspielern, Sängern und Tänzern und damit nur wenige spezialisierte Ballett-Truppen.

Eine Professionalisierung des Balletttanzes geschah erst im 19. Jahrhundert. Damit konnte der Tanzmeister endgültig zum „Ballettmeister“ werden und von einem Lehrer gesellschaftlicher Anstandsregeln zu einem künstlerischen Leiter aufsteigen, der sich kaum noch mit Dilettanten oder tänzerisch wenig fortgeschrittenen Schauspielern und Sängern beschäftigen musste. Dieser hohen Spezialisierung des Tänzerberufs wirkten allerdings Strömungen entgegen, die etwa von François Delsarte ausgingen und später in Ausdruckstanz und Tanztheater mündeten.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Position des Ersten Ballettmeisters auch als Hauptchoreograf bezeichnet, der wiederum eine Art Intendant war. Seine Aufgaben waren unter anderem Tänze zu entwickeln, Stücke auszuwählen, Absprachen mit dem Komponisten zu treffen und, natürlich, die Tänzer zu trainieren.

Nach 1900 wurde der Begriff Zweiter Ballettmeister eher dazu gebraucht, den Rektor oder Leiter einer Ballettkompanie zu beschreiben. Da dem Ausdruck Ballettmeister noch die Funktion des Tanzmeisters anhaftet, haben selbstständige Ballettkompanien heute oft einen Ballettdirektor.

Gegenwart

Heute ist der Ballettmeister am Theater häufig einem Ballettdirektor untergeordnet. Er leitet das tägliche Training, steht den gastierenden Choreographen bei Neueinstudierungen zur Seite, übernimmt die Abendspielleitung und kann auch die Proben bei Wiederaufnahmen leiten. Seine Funktion entspricht in vielem der des Regieassistenten in Schauspiel und Oper.

Ballettmeister brauchen große Erfahrung als Tänzer. Größere Häuser beschäftigen oft mehrere Ballettmeister.

Berühmte Ballettmeister

Einzelnachweise

  1. Rechtschaffener Tanzmeister, oder gründliche Erklärung der frantzösischen Tantz-Kunst, bestehend in drei Büchern..., Leipzig, Friedrich Lanckischens Erben, 1717, 1176-54 ff. Nachdruck Leipzig 1976 in der Reihe Documenta Choreologica.

Literatur

  • Walter Salmen: Der Tanzmeister. Geschichte und Profile eines Berufes vom 14. bis zum 19. Jahrhundert, Hildesheim: Olms 1997. ISBN 978-3-487-10440-9
  • Arnold Jacobshagen (Hrsg.): Praxis Musiktheater. Ein Handbuch, Laaber: Laaber-Verlag 2002, S. 51–52, ISBN 3890075126

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