Baden Powell de Aquino

Baden Powell (1971)

Roberto Baden Powell de Aquino, kurz Baden Powell (* 6. August 1937 in Varre-Sai, Bundesstaat Rio de Janeiro; † 26. September 2000 in Rio de Janeiro, Bundesstaat Rio de Janeiro) war einer der bedeutendsten brasilianischen Gitarristen und ein Pionier der Bossa Nova. Powell komponierte mit seinem Mentor Vinicius de Moraes mehr als 50 Bossa Nova- und Afro-Samba-Stücke, darunter Klassiker wie Berimbau, Consolação (beide 1963), oder Canto de ossanha (1966), einer von Elis Reginas größten Hits.[1]

Leben

Baden Powell war der Sohn von Lino de Aquino und seiner Frau Adelina. Der Vater, der Geige und Gitarre spielte, war begeisterter Pfadfinder und nannte daher seinen Sohn nach Robert Baden-Powell. Mit sieben begann Baden Powell Gitarre zu spielen, studierte bis zum vierzehnten Lebensjahr klassische Gitarre und erwarb ein Diplom am Konservatorium in Rio de Janeiro. Mit fünfzehn war er professioneller Musiker, mit zwanzig begann er erfolgreich zu komponieren.

In den 1950er Jahren gründete er mit dem Pianisten Antônio Carlos Jobim und den Gitarristen Luiz Bonfá und João Gilberto ein erfolgreiches Quartett.[2]

Wichtig für seine musikalische Entwicklung waren sein Vater Lino, sein Gitarrenlehrer Jaime Florence sowie die Dichter Vinícius de Moraes und Paulo Cesar Pinheiro. Diese waren Schöpfer bekannter brasilianischer Lieder, die heute zu den Klassikern zählen. Sein größter kompositorischer Beitrag waren die 1966 mit Vinícius de Moraes, den Baden Powell 1958 kennengelernt hatte, entstandenen "Afro Sambas".

Der deutsche Jazzautor und Musikproduzent Joachim Ernst Berendt nahm mehrere Platten mit Baden Powell auf, die in Europa Beachtung fanden. Seine Schallplatte Tristeza on Guitar wurde 1966 auch international erfolgreich. 1967 holte ihn Berendt zu den Berliner Jazztagen. Dieser Auftritt bildete den Auftakt einer erfolgreichen Karriere in Europa. 1970 unternahm das Baden Powell Quartet eine erste Europa- und Japantournee.

Zahlreiche Schallplattenveröffentlichungen zeigten einen experimentierenden und improvisierenden Musiker, der auch Barock-Modulationen in seine Synthese von Samba und Jazzharmonik einzubinden wusste. Es entstanden Aufnahmen von hohem musikalischem Wert, die eine Verschmelzung afro-brasilianischer und europäischer Musikkultur darstellten. Die Zusammenarbeit mit Berendt endete 1971.

Der Einfluss des Jazz blieb, doch die brasilianischen Wurzeln in seiner Musik begannen, seine Platten zu dominieren. Die virtuose Vermischung der Stile macht den Reiz seiner frühen Platten aus. Baden Powell erwarb sich als einer der weltbesten Akustikgitarristen weltweite Anerkennung.

Die ausgedehnten Tourneen und das Nachtleben forderten Mitte der Siebziger von dem sensiblen Gitarristen ihren Tribut. Baden Powell erkrankte durch seinen unkontrollierten Alkoholkonsum ernsthaft, und seine künstlerische Schöpferkraft ließ nach. Die öffentlichen Auftritte und Aufnahmen wurden seltener. 1983 zog er mit seiner Frau Silvia und seinen zwei Söhnen nach Baden-Baden und lebte dort für einige Jahre zurückgezogen.

Das familiäre Zusammenleben brachte Ruhe und Gleichgewicht in sein Leben. Er begann wieder aufzutreten. Mit den Solokonzerten in Europa knüpfte er eine kurze Zeit an frühere Erfolge an. Sein Spiel wurde ruhiger und konzentrierter, und in seinem Konzertrepertoire mehrten sich die Kompositionen anderer brasilianischer Künstler, denen er jene Anerkennung entgegenbrachte, die ihm persönlich in der Heimat lange Zeit verwehrt wurde.

Nach fünf Jahren Rückzug in den Schwarzwald und der Veröffentlichung dreier Schallplatten: Felicidades, Live 1982 und Brani Rari e Inediti kehrte er nach Brasilien zurück und veröffentlichte 1988 das Album Rio das Valsas, das sich durch große gitarristische Atmosphäre, Reife und Dichte auszeichnete. Die Platte wirkt wie eine Liebeserklärung an seine Heimat und an sein Instrument. Gitarren spielte er vorzugsweise aus der Werkstatt der Firma Hopf.

Seine musikalische Produktivität nahm wieder zu. Er gab regelmäßig Konzerte und veröffentlichte einige beachtliche Einspielungen. Bis in die letzten Lebensmonate widmete er sich unablässig neuen Projekten. Im Mai 2000 spielte Baden Powell eines seiner letzten Alben ein – "Lembrancas" (Erinnerungen), das Alterswerk eines großen Meisters der brasilianischen Gitarre.

Er widmete sich zudem auch der musikalischen Ausbildung seiner Söhne Philippe Baden Powell (Klavier) und Marcel Powell (Gitarre), die beide professionell als Musiker in Brasilien und Paris arbeiten und eigene Schallplatten und Kompositionen veröffentlicht haben.

Diskografie (Auswahl)

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Alben

TitelJahr der VeröffentlichungLabel
Monteiro de Souza e sua Orquestra apresentando Baden Powell e seu Violão1961Philips
Um Violão na Madrugada1961Philips
A Vontade1963Elenco
Baden Powell Swings With Jimmy Pratt1963Elenco
Le monde musical de Baden Powell, Vol. 11964Barclay
Billy Nencioli + Baden Powell1965Barclay/Polygram
Tristeza on Guitar1966MPS/Saba
Ao vivo no Teatro Santa Rosa [live]1966Elenco
Os Afro Sambas de Baden e Vinicius1966Forma
Tempo feliz1966Forma/Polygram
Poema on Guitar1968MPS/Saba
Fresh Winds1969United Artists
27 Horas de Estúdio1969Elenco
Le monde musical de Baden Powell, Vol. 21969Barclay
Canto on Guitar1970MPS/Saba
Os Cantores da Lapinha [As Músicas de Baden Powell e Paulo Cesar Pinheiro]1970Elenco
Solitude on Guitar1971Columbia
Baden Powell Quartet, Vols. 1-3 [3-LP boxed set]1970Barclay
Baden Powell - Live in Japan '701971Barclay
É de Lei1972Philips
Images on Guitar [live]1973MPS/Canyon Records/BASF Systems
La Grande Réunion [with Stephane Grappelli] 1974Festival
Estudos1974MPS/Saba
Apaixonado1975MPS/Saba
Samba Triste1975Disques Festival (Frankreich)
The Frankfurt Opera Concert 1975 [live]1975Tropical Music
Baden Powell canta Vinicius de Moraes e Paulo Cesar Pinheiro1977Festival
Nosso Baden1980WEA
Felicidades1983pläne
Melancolie1985Accord
Seresta brasileira1988Milestone
Bossa Nova Guitarra Jubileu1993Saludos Amigos
Three Originals1993MPS/Polygram
Baden Powell1993MPS
Rio das Valsas [1994]1994Alex
Guitar Pieces1994Etcetera
Live in Hamburg1995Acoustic Music
Guitar Music1995Etcetera/Qualiton
Live in Rio1996Iris
Os Afro Sambas1996Iris
Felicidade1996Adda
Rio das Valsas [1996]1996Iris
Mestres da MPB1996WEA Latina
Baden Powell à Paris1996Rge
Baden Powell1997Musidisc
A Vontade1997Polygram Brazil
Guitar Artistry of Baden Powell1998Dom
Baden Powell de Aquino2001Iris
Lembranças2001Trama
De Rio à Paris2003Body & Soul
Fremeaux and Associates Recordings 1994-19962003Frémeaux et Associés
O Universo musical de Baden Powell2003Sunnyside
Rio das Valsas [2003]2003Iris
Live in Montreux2004Fremeaux & Associes
Le monde musical de Baden Powell2005Universal
At the Rio Jazz Club [live]2005Iris
Baden Live à Bruxelles2005Sunnyside
Música2005WEA International

Literatur

  • Dominique Dreyfus: O Violão vadio de Baden Powell. Editora 34 Ltda, São Paulo (Brasilien) 1999 - ISBN 978-85-7326-148-6. (Portugiesisch)
  • Baden Powell: Komposition und Improvisation sind Zwillingsschwestern. (Interview mit Baden Powell und Sylvia Powell von Reinhard Pietsch) In: Gitarre & Laute 5, 1983, Heft 4, S. 239–246.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. https://www.upi.com/Archives/2000/09/27/Baden-Powell-bossa-nova-pioneer-dead-at-63/8077970027200/
  2. Baden Powell: Komposition und Improvisation sind Zwillingsschwestern. (Interview mit Baden Powell von Reinhard Pietsch) In: Gitarre & Laute 5, 1983, Heft 4, S. 239–246; hier: S. 239.

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Baden Powell in a 3 1/2 hour solo session in the Fabrik, Hamburg, Germany