BLEVE

Eine BLEVE eines Tankers

Die BLEVE (ˈblɛviː, Abkürzung für englisch boiling liquid expanding vapour explosion) ist eine Gasexplosion einer expandierenden siedenden Flüssigkeit. BLEVEs können bei geschlossenen Tankbehältern entstehen, die brennbare flüssige bzw. verflüssigte Substanzen oder Substanzgemische enthalten.[1] Der Begriff BLEVE war bis Anfang Juli 1972 unbekannt. Erst die Kingman-Explosion, die sich am 5. Juli 1973 in Kingman, Arizona, USA ereignete, prägte diesen Begriff.

Die Reaktion ist in der ersten Phase physikalisch mit einem Kesselzerknall vergleichbar, nur dass es bei einer BLEVE anstatt Wasser die brennbare flüssige Substanz im Tank ist, die beim Austritt explodiert.

Vorgang

Wird ein Tankbehälter mit einer brennbaren Flüssigkeit von außen zum Beispiel durch ein Feuer (Brandunfall) umschlossen, so erhitzen die Flammen die Behälterwandung. Die Wärme wird durch die Metallwandung auf die Tankflüssigkeit übertragen, die allmählich zu sieden beginnt, wodurch der Druck im Tank steigt. Solange die Wandung durch die siedende Tankflüssigkeit auf der Temperatur des Siedepunkts der Flüssigkeit gehalten wird, ist das Metall der Wandung formstabil.

Erreicht der Dampfdruck der siedenden Flüssigkeit im Tank die Auslöseschwelle des Überdruckventils, das sich an der Tankoberseite befindet, entweicht das Gas durch das Ventil. Je nach Art des brennbaren Gases entzündet es sich entweder selbst oder wird durch die Flammen in der Umgebung entzündet und führt zu einer abhängig von der Ausströmgeschwindigkeit meist hohen bzw. langen Flamme. Da durch den Brand in der Umgebung des Tanks weiter Energie zugeführt wird, verdampft weitere Flüssigkeit, so dass der Flüssigkeitsspiegel im Inneren sinkt.

Da die Wärmekapazität des Gases wesentlich geringer als die der Flüssigkeit ist, erwärmt sich die Tankwandung oberhalb des Flüssigkeitsspiegels durch den Umgebungsbrand bedeutend über den Siedepunkt der Flüssigkeit, wodurch die Formstabilität der Wandung je nach Heizleistung des Umgebungsbrands bis zu einem Punkt abnimmt, dass diese dem Gasdruck nicht mehr standhalten kann und punktuell oder flächig birst, was dreierlei Folgen hat:

  1. Die geborstenen Teile des Tanks wirken als Schrapnelle.
  2. Das im Tank befindliche Gas entweicht vollständig und entzündet sich.
  3. Durch den schlagartig sinkenden Druck verdampfen gegebenenfalls große Teile der verbliebenen Flüssigkeit und entzünden sich ebenfalls.

Die Folgen (2) und (3) führen zu einer massiven Explosion, dem BLEVE.

Beispiele für Verlauf und Auswirkungen

Beim Bersten eines mit 1.300 kg flüssigem Propan gefüllten Tanks wurde ein ca. 80 m hoher und ca. 50 m breiter Feuerball beobachtet. Die Trümmer des Tanks flogen bis zu 500 m weit.[2]

Vor dem Hintergrund dieser Aussage ergibt sich, dass die wirkungsvollste Methode zur Verhinderung einer BLEVE darin besteht, den betroffenen Tank vor dem Feuerausbruch von innen mit einem feinen wabenförmigen Aluminiumnetz, gerollt in Form von Zylindern (z. B. eXess) auszufüllen und damit zu schützen. Dieses Aluminiumnetz verteilt die Wärme so gut, dass die Temperatur und der notwendige Druck für eine Explosion nicht erreicht werden. Bei einem nicht mit diesem Aluminiumnetz geschützten Tank bleibt nur, mit Wasser zu kühlen, um einerseits den Temperaturanstieg im Inneren zu minimieren und ein Erweichen der Tankwandung zu unterbinden. Dazu sind vor allem bei größeren Tanks sehr große Flüssigkeitsmengen notwendig.

So liegen nach Angaben der Hessischen Landesfeuerwehrschule in Kassel[3] die benötigten Wassermengen allein zur Kühlung von brennenden LPG-Druckgasflaschen und Autogasfahrzeugen bei 15 l/min, privaten Flüssiggasbehältern bei 180 l/min, Lkw-Sattelzügen bei 1.200 l/min, Bahnkesselwagen bei 2.500 l/min sowie großen Speichern bzw. LPG-Tankern schließlich bis zu 150.000 l/min.

Wenn diese Wassermengen nicht verfügbar sind oder nicht in der erforderlichen Rate appliziert werden können, sind BLEVE-Ereignisse nicht beherrschbar.

Unfälle

Größere Schadensereignisse mit BLEVEs ereigneten sich:

  • 1948: Kesselwagenexplosion in der BASF in Ludwigshafen am Rhein, Deutschland
  • 1954: Tanklagerexplosion bei Niederstedem
  • 1966: Raffinerie Feyzin, Frankreich
  • 1973: Kingman-Explosion in Kingman, Arizona, USA
  • 1978: Waverly-Explosion Waverly, Tennessee, USA,
  • 1978: Tanklastzugunglück von Los Alfaques in der Gemeinde Alcanar, Spanien
  • 1982 in Tacoa, Venezuela. Dieser Großunfall am 19. Dezember 1982[4] war eine Mischform zwischen BLEVE und Kesselzerknall. Ausgangspunkt war ein Schweröl-Tank, in dem sich oben offenbar eine Gasphase ausgebildet hatte. Arbeiter öffneten den Stutzen einer Messleitung, wo das Gas ausströmte und vorerst ruhig verbrannte. Das erhöhte den Innendruck, bis der obere Teil des Tanks barst, wobei die Trümmer förmlich in die Luft flogen. Danach wütete ein Großfeuer, das auch den benachbarten Tank erfasste. Im unteren Teil eines der Tanks musste sich eine große Menge Wasser befunden haben. Dieses erhitzte sich, konnte aber aufgrund des darüber liegenden Öls nicht sofort verdampfen. Der so entstehende Boilover setzte erst verzögert ein, dafür aber explosionsartig: Ein noch gewaltigeres Inferno als bei der ersten Explosion war die Folge. 150 Menschen fanden den Tod bei diesem bisher schlimmsten Öl-Lagerbrand der Geschichte.
  • 1984 Raffinerie-Katastrophe in San Juanico, Mexiko. Hier brach in einem Lager mit Propan- und Butan-Tanks eine Leitung von 20 cm Durchmesser, die in der Folge nicht wie vorgesehen durch Ventile abgesperrt wurde. Die entstehende Gaswolke explodierte nach 10 Minuten. Diese externe Energiequelle (siehe oben) führte zu einer BLEVE bei einem nahestehenden Tank, was wiederum weitere BLEVEs in Folge bei weiteren Tanks auslöste. Nach offiziellen Angaben kamen dabei 500 Menschen ums Leben, es wird jedoch eine größere Zahl angenommen.[5]
  • Am 28. September 2011 brach in einer Erdöl-Raffinerie von Shell in Singapur ein Brand aus. Die daraufhin beobachteten Explosionen und ein Feuerball deuten darauf hin, dass auch Lagertanks tangiert waren, bei denen mindestens ein BLEVE stattfand. Die Feuerwehr kühlte daraufhin benachbarte Lagertanks, offensichtlich um bei ihnen BLEVES zu verhindern.[6]
  • Am 30. Dezember 2013 explodierten in North Dakota Kesselwaggons voller Rohöl in Folge einer Kollision von fahrenden und entgleisten Zügen.[7]
  • Am 21. März 2019 in Yancheng, Provinz Jiangsu, China.[8]
  • Am 27. Juli 2021 explodierte ein Tank mit flüssigen Produktabfällen in der Schadstoffverbrennungsanlage des Chempark Leverkusen [9]

Siehe auch

Commons: BLEVE – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Hans-Joachim Gressmann, „Auch »kleine« BLEVEs können Probleme bereiten!“, BRANDschutz 6/2001
  2. Gefährliche Stoffe und Güter – Gefahren und Gefahrenabwehr bei Flüssiggas@1@2Vorlage:Toter Link/www.berkach.ff-gg.deAus- und Fortbildung der Branddirektion Frankfurt am Main, 2003 (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2018. Suche in Webarchiven) (PDF; 225 kB)
  3. „Gefahren und Gefahrenabwehr bei Lagerung und Transport von Flüssiggas“, Hessische Landesfeuerwehrschule, 2006
  4. NZZ zur Tankkatastrophe in Tacoa, abgefragt am 18. Dezember 2008
  5. Katastrophe in Mexiko. In: Spiegel Online. 18. November 2011, abgerufen am 27. Januar 2024.
  6. NZZ vom 30. September 2011
  7. Neben der Spur. In: gefahrgut.de. Abgerufen am 27. März 2021 (englisch).
  8. YouTube: Explosion am 21. März 2019 im Chemiepark der Stadt Yancheng in der Provinz Jiangsu (China) (Video)
  9. WDR – Ermittlungsverfahren nach Explosion im Chempark Leverkusen. Abgerufen am 22. September 2022.

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Die drei Stufen eines BLEVEs
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Schematische Darstellung eines Flüssiggastanks