Bürgerspital

Bürgerspital Steyr mit Bürgerspitalkirche (rechts)

Ein Bürgerspital ist eine meist im Mittelalter gegründete Versorgungseinrichtung zur Pflege von alten, mittellosen und kranken Menschen. An ein Bürgerspital ist in der Regel eine Bürgerspitalkirche angebaut, die dem geregelten religiösen Betrieb der Insassen dient und meist der örtlichen Pfarrei unterstellt wurde. Wegen der Furcht vor Infektionskrankheiten und aus Kostengründen wurde die Einrichtungen teilweise außerhalb der Stadtmauern errichtet.

Geschichte

Die ersten mittelalterlichen Fürsorgeeinrichtungen waren Hospize, die entlang von Pilgerwegen entstanden.[1] Parallel zu diesen entwickelten sich die Stifts- und Domspitäler sowie bruderschaftliche Spitäler, die Reisende, Alte, Findelkinder, Waisen, Gebärende, psychisch und physisch Kranke jeglicher Art betreuten. Patienten mit ansteckenden Krankheiten wurden in so genannten Leprosorien und Siechenhäusern außerhalb der Städte untergebracht. Mit dem Aufschwung des Bürgertums entwickelte sich ab der Mitte des 12. Jahrhunderts das Spitalswesen in den europäischen Städten. Es kam im 14. Jahrhundert[2] zur Gründung sogenannter Bürgerspitäler, welche ihren Höhepunkt Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts erreichte.[1]

In Österreich verfügte Kaiser Joseph II. in den 1780er-Jahren trotz Widerstands der Magistrate die völlige Auflösung aller bürgerlichen Spitäler.[3] Der Verkaufserlös diente der Speisung von Armenfonds.

Einrichtung

Die Finanzierung und Verwaltung eines Bürgerspitals samt den dazugehörenden wirtschaftlichen Gebäuden lag in den Händen der Bürgerschaft. Betuchte Bürger sorgten als Stifter mit ihren finanziellen Zuwendungen für das Wohlergehen der Pfleglinge. Als Gegenleistung verpflichteten sich diese, für ihre Helfer zu beten.[4]

Im Mittelalter verfügten die Spitäler im Allgemeinen über keinen festangestellten Arzt. Zur Krankenbehandlung wurde in den städtischen Bürgerspitälern der Stadtarzt (Physicus) bzw. ein Chirurgicus (der „Scherer“) gerufen.[5]

Der Tagesablauf im Spital war allgemein straff geregelt. Die täglichen Gebets- und Mahlzeiten verpflichteten alle zur Teilnahme, Sperrzeiten mussten genau eingehalten werden. Um den religiösen Vorgaben gerecht werden zu können, wurde generell Spitälern eine Kapelle oder Kirche in den Spitalskomplex integriert.[4]

Beispiele

LandStadtBürgerspitalJahr von–bisBemerkung
DeutschlandBambergBürgerspital (Bamberg)
DeutschlandKronachBürgerspital (Kronach)13nn
DeutschlandWürzburgBürgerspital zum Heiligen Geist1317–heutebetreibt heute Seniorenheime und eine geriatrische Rehaklinik
FrankreichSélestatBürgerspital (Sélestat)176n
ÖsterreichBad LeonfeldenBürgerspital (Bad Leonfelden)1505–1787
ÖsterreichBadenBürgerspital Baden bei Wien1542Nachfolgebau des alten, 1529 zerstörten Bürgerspitals
ÖsterreichDöllersheimBürgerspital (Döllersheim)1592–1786heute Ruine im ehemaligen militärischen Sperrgebiet
ÖsterreichEggenburgBürgerspital (Eggenburg St. Martin)[6][7][8]1299–18961752 Umstellung von Naturalwirtschaft auf Kapitalwirtschaft

1896 Übergabe des Vermögens an Bezirksarmenrat

ÖsterreichEnnsBürgerspitalskirche (Enns)um 1300
ÖsterreichEnzesfeldBürgerspital (Enzesfeld)13991942 aufgelöst
ÖsterreichGrazBürgerspitalkirche (Graz)13nn–178n
ÖsterreichKirchberg am WaldeEhemaliges Allerheiligen-Hospital1715–1783
ÖsterreichKrems an der DonauBürgerspitalkirche (Krems)1470Nachfolgeanstalt einer außerhalb der Stadt liegenden Versorgungseinrichtung
ÖsterreichKrumbach (Niederösterreich)Bürgerspital (Krumbach)
ÖsterreichPoysdorfEhemaliges Bürgerspital (Poysdorf)1657
ÖsterreichSalzburgBürgerspitalskirche St. Blasius1327
ÖsterreichSteyrBürgerspital (Steyr)1305–1785an Stelle des 1302 abgebrannten Vorgängerbaus
ÖsterreichWienBürgerspital (Wien)1530–1783
SchweizBaselBürgerspital Basel
SchweizBernBurgerspitalRechtsnachfolger des 1307 erbauten Unteren Spitals
SchweizSolothurnBürgerspital1418-heute

Literatur

  • Martina Birngruber: Das Bürgerspital und die Spitalkirche in Bad Leonfelden – Zeugnis christlicher Nächstenliebe und spätgotischer Baukunst. In: Oberösterreichische Heimatblätter. Linz 2013 (zur oö. Landesausstellung 2013), S. 4–21, land-oberoesterreich.gv.at [PDF]
  • Martin Scheutz (Hrsg.): Europäisches Spitalwesen. Institutionelle Fürsorge in Mittelalter und früher Neuzeit (= Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 51). München/Wien 2008.

Weblinks

Commons: Bürgerspital – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Birngruber 2013, S. 4.
  2. Conrad Brunner: Über Medizin und Krankenpflege im Mittelalter in Schweizerischen Landen (= Veröffentlichungen der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften. Band 1). Orell Füssli, Zürich 1922, S. 105–109.
  3. Birngruber 2013, S. 7.
  4. a b Birngruber 2013, S. 5.
  5. Conrad Brunner: Über Medizin und Krankenpflege im Mittelalter in Schweizerischen Landen. 1922, S. 114.
  6. Kai Herrmann: Das Eggenburger Bürgerspital im 18. Jahrhundert. Diplomarbeit. Hrsg.: Universität Wien. 2018, doi:10.25365/thesis.54901.
  7. Ludwig Brunner: Das St. Martinspital in Eggenburg. Hrsg.: Krahuhletz-Gesellschaft in Eggenburg. Eggenburg 1926.
  8. Burghard Gaspar: Die Mühle des St. Martinspitals. In: Archäologie Österreichs 17/1. 2006.

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Autor/Urheber: Bodory Thomas, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Steyr Michaelerplatz 2, Teil des ehemaligen Bürgerspitales, flussseitige Ansicht