Bärenhöhle (Antisemitismus)
Bärenhöhle war ab den 1920er Jahren die Bezeichnung ein Netzwerkes christlich-sozialer, deutschnationaler und antisemitischer Professoren der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.
Nach den Untersuchungen von Klaus Taschwer suchte dieses Netzwerk durch Interventionen und Absprachen Habilitationen und Berufungen jüdischer oder politisch links ausgerichteter Wissenschaftler zu verhindern. Federführend und wahrscheinlicher Gründer war der Paläontologe Othenio Abel. Materialbasis für Taschwers Untersuchungen sind die autobiographischen Aufzeichnungen Abels zu seiner Vita, die sein Schüler und Schwiegersohn Kurt Ehrenberg publizierte.
Entstehung
Nachdem Othenio Abel 1917 zum Ordinarius für Paläontologie an der Universität Wien ernannt worden war, begann er mit universitätspolitischen Aktivitäten.[1] Abel befürchtete laut eigenen Aussagen, dass es unter den neuen Verhältnissen ab 1919 an der Universität zu einer Machtübernahme der „Kommunisten, Sozialdemokraten, und mit den beiden verbündet Juden und wieder Juden“ kommen könnte.[2] Vermutlich 1922 gründet er ein geheimes Netzwerk von christlich-sozialen und deutschnationalen Professoren an der Philosophischen Fakultät.[1] Der Grund für den Namen der Clique war, dass die geheimen Versammlungen im fensterlosen Seminarraum (zwischen Stiege IX und VII im Hauptgebäude der Universität) abgehalten wurden, wo unter anderem auch Abels Sammlung von Höhlenbärenknochen aus der Drachenhöhle bei Mixnitz untergebracht war.[3][4]
Wirken
Die Bärenhöhle war stark mit den ähnlich ausgerichteten antisemitischen Netzwerken Akademische Sektion, Deutsche Gemeinschaft und Deutscher Klub vernetzt.[3] Bekannte Wissenschaftler, deren Habilitationsgesuche in Wien unter Beteiligung von Mitgliedern dieses antisemitischen Netzwerkes abgelehnt wurden, waren Karl Lark-Horovitz, Otto Halpern, Leonore Brecher, Paul Alfred Weiss und Edgar Zilsel. Andere jüdische oder jüdischstämmige Nachwuchsforscher, darunter Karl Popper, verzichteten aufgrund der Aussichtslosigkeit von vorneherein auf entsprechende Gesuche an der Universität Wien. Das Netzwerk protegierte wiederum antisemitisch eingestellte Wissenschaftler. Laut Ehrenberg stand die Bärenhöhle 1922 auch hinter der Wahl des Paläontologen Karl Diener zum Rektor, der sich für einen Numerus clausus zur Begrenzung des Anteils jüdischer Studenten einsetzte. Ein Teil der beteiligten Professoren, darunter auch Abel, verlor mit dem Aufkommen des Austrofaschismus 1934 seine Professuren. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 machten viele der Beteiligten Karriere. Auch nach 1945 vermochte ein Teil der Bärenhöhlen-Mitglieder in wichtigen Positionen des Wissenschaftsbetriebs zu verbleiben, auch wenn andere ihre Professuren verloren. Richard Meister, ab 1951 Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sorgte dafür, dass fast alle noch lebenden Mitglieder der Bärenhöhle wieder in die Akademie aufgenommen wurden.
Mitglieder
Die Gruppe bestand aus 18 Mitgliedern – außer Abel alle Geisteswissenschaftler – mit mehreren Funktionsträgern der Fakultät und der Universität.[3][1] Darunter waren laut Aufzeichnungen Abels: Hans Uebersberger (Dekan 1924/25, Rektor 1930/31), Heinrich von Srbik (Dekan 1932/33), Gustav Turba, Wilhelm Bauer, der Pädagoge Richard Meister (Dekan 1930/31), der Philosoph Robert Reininger, der Urhistoriker Oswald Menghin (Dekan 1928/29, Rektor 1935/36), der Slawist Carl Patsch (Dekan 1925/26), die Germanisten Rudolf Much und Dietrich Kralik, die Orientalisten Rudolf Geyer, Friedrich Kraelitz und Viktor Christian (Dekan 1938–1934), die Ägyptologen Hermann Junker (Dekan 1922/1923) und Wilhelm Czermak, der Musikwissenschaftler Robert Lach und der Sprachwissenschaftler Anton Pfalz. Die Kontinuität der personellen Zusammensetzung ist nicht bekannt.[5]
Literatur
- Mitchell G. Ash: Die Universität Wien in den politischen Umbrüchen des 19. und 20. Jahrhunderts. In: Mitchell G. Ash, Josef Ehmer (Hrsg.): Universität – Politik – Gesellschaft. V&R unipress, Göttingen 2015, ISBN 978-3-8471-0413-1, S. 29–174.
- Klaus Taschwer: Geheimsache Bärenhöhle. Wie ein antisemitisches Professorenkartell der Universität Wien nach 1918 jüdische und linke Forscherinnen und Forscher vertrieb. In: Regina Fritz, Grzegorz Rossoliński-Liebe, Jana Starek (Hrsg.): Alma mater antisemitica: Akademisches Milieu, Juden und Antisemitismus an den Universitäten Europas zwischen 1918 und 1939, Band 3, new academic press, Wien 2016, S. 221–242 (online).
- Kurt Ehrenberg: Othenio Abel's Lebensweg, unter Benützung autobiographischer Aufzeichnungen. Wien 1975 (Privatdruck).
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c Klaus Taschwer: Othenio Abel. Paläontologe, antisemitischer Fakultäts- und Universitätspolitiker. In: Universität – Politik – Gesellschaft. Hrsg.: Mitchell Ash, Josef Ehmer. Vandenhoeck & Ruprecht, 2015, S. 288–290 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Völkischer Beobachter, 17. Jänner 1941 ausgewertet von Klaus Taschwer: Othenio Abel. Paläontologe, antisemitischer Fakultäts- und Universitätspolitiker. In: Universität – Politik – Gesellschaft. Hrsg.: Mitchell Ash, Josef Ehmer. Vandenhoeck & Ruprecht, 2015, S. 289 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ a b c Mitchell G. Ash: Die Universität als Ort der Politik seit 1848. In: Universität - Politik - Gesellschaft. V&R unipress, 2015, S. 84–86 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Klaus Taschwer: Die Bärenhöhle, eine geheime antisemitische Professorenclique der Zwischenkriegszeit. 1918-1965. In: https://geschichte.univie.ac.at/. Universität Wien, 14. März 2017, abgerufen am 2. August 2017.
- ↑ Kurt Ehrenberg: Othenio Abels Lebensweg unter Benutzung autobiografischer Aufzeichnungen, Wien, 1975 zitiert in Taschwer, Geheimsache Bärenhöhle, ausgewertet bei Mitchell G. Ash: Die Universität als Ort der Politik seit 1848. In: Universität - Politik - Gesellschaft. V&R unipress, 2015, S. 85, Anmerkung 196.(eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
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Othenio Abel (1875–1945), Austrian palaeontologist and evolutionary biologist
Seminaraum für Paläontologie an der Universität Wien 1928