aw-Wert

Die Wasseraktivität (auch aw-Wert oder Activity of Water) eines Lebensmittels ist ein Maß für das „verfügbare“ oder „aktive“ Wasser im Gegensatz zur bloßen Angabe des Wassergehalts. Die Bedeutung dieser Größe ergibt sich daraus, dass für die Haltbarkeit von Lebensmitteln nicht nur der reine Wassergehalt von Bedeutung ist, sondern auch, in welchem Maße das Wasser durch das Substrat gebunden ist. Die Wasseraktivität beeinflusst das Wachstum von Mikroorganismen, den Ablauf chemischer Prozesse wie Fettoxidation und nichtenzymatischer Bräunung, die Aktivität von Enzymen, und die physischen Eigenschaften des Lebensmittels.

Der aw-Wert ist eine thermodynamische Größe, die der australische Bakteriologe William James Scott (1912–1993) Anfang der 1950er Jahre in die Lebensmitteltechnologie einführte. Er konnte in einer Serie grundlegender Arbeiten, die im Laufe der 50er Jahre erschienen, zeigen, dass das Wachstum von Mikroorganismen nicht vom Wassergehalt, sondern der Wasseraktivität eines Lebensmittels abhängt. In den 60er und 70er Jahren zeigte die Forschung darüber hinaus den Einfluss der Wasserverfügbarkeit auf die chemische, enzymatische und physische Stabilität von Lebensmitteln.[1]

Definition

Die Wasseraktivität ist definiert als Verhältnis des Wasserdampfpartialdrucks in dem Lebensmittel (p) zum Sättigungsdampfdruck von reinem Wasser (p0) bei einer bestimmten Temperatur:[2][3]

Die Wasseraktivität ist gleichbedeutend mit der (relativen) Gleichgewichtsfeuchtigkeit, das heißt der relativen Luftfeuchtigkeit, bei der das Lebensmittel (wiederum bei der gegebenen Temperatur) mit der Umgebungsluft im Gleichgewicht steht, also weder Wasser verliert noch aufnimmt. Allerdings wird die relative Luftfeuchtigkeit meistens in der Hilfsmaßeinheit Prozent angegeben, so dass man die relative Gleichgewichtsfeuchtigkeit berechnet als:[2][3]

Gleichzeitig entspricht also die Wasseraktivität () 0–1 einer relativen Luftfeuchte von 0–100 %.

Die Messung der Wasseraktivität erfolgt im einfachsten Fall, indem eine Probe des Lebensmittels in einen hermetisch verschlossenen Behälter gebracht und mit einem Hygrometer die Luftfeuchtigkeit gemessen wird, die sich in dem Behälter einstellt.[4]

Wasseraktivität von Lebensmitteln

Die Wasseraktivität von reinem Wasser ist 1, die von völlig wasserfreiem Material ist 0; dazwischen liegen die Werte für wasserhaltige Substanzen. Die folgende Tabelle gibt beispielhaft den durchschnittlichen aw-Wert einiger Lebensmittel an:[4]

LebensmittelWasseraktivität
Cornflakes0,20
Cracker0,30
Nudeln0,50
Vollmilchpulver0,60
Haferflocken0,65
Nüsse0,70
Magermilchpulver0,70
Honig0,75
Getreidemehl0,75
Salami0,78
Margarine0,84
Obst, Gemüse (frisch)0,97

Die Wasseraktivität hängt vom Wassergehalt ab. So hat zum Beispiel Volleipulver mit 5 % Wassergehalt aw = 0,4; solches mit 10 % Wassergehalt aw = 0,7.[4] Der Zusammenhang ist in der Regel kompliziert und hängt vom Wasserbindevermögen des Stoffes ab. Stark hygroskopische Lebensmittel weisen bei starkem Anstieg des Wassergehaltes nur eine geringe Zunahme der Wasseraktivität auf, wenig hygroskopische Lebensmittel eine hohe. Außerdem ist der Verlauf der Wasseraktivität bei Änderung des Wassergehaltes teilweise unterschiedlich, je nachdem, in welche Richtung die Änderung verläuft, also ob es sich um einen Trocknungs- oder Befeuchtungsvorgang handelt. Der Verlauf wird durch sogenannte Sorptionsisothermen angegeben.[3]

Bedeutung

Der aw-Wert ist ein wichtiges Maß bezüglich der Haltbarkeit von Lebensmitteln und beeinflusst das Vorkommen der Mikroorganismen (Verderbniserreger), die unterschiedliche Ansprüche an frei verfügbares Wasser haben. Bei Mangel an freiem Wasser werden die Wachstumsprozesse von einigen wasserliebenden Mikroorganismen verlangsamt, empfindliche Organismen können gar abgetötet werden, xerophile Organismen hingegen wachsen bei sinkendem Wassergehalt besser.

Bei den meisten Mikroorganismen liegt das Wachstumsoptimum bei einem aw-Wert von 0,98 bis 1. Es gibt jedoch Mikroorganismen, die eine deutlich niedrigere Wasseraktivität von bis zu 0,6 tolerieren (so genannte xerophile). Beispiele sind osmophile (zuckerliebende) Hefen oder extrem halophile Bakterien.

Die Anpassung an niedrige Wasseraktivität erfolgt durch Synthese oder Aufnahme von kompatiblen Soluten.

Literatur

  • Martin Weidenbörner: Lebensmittel-Mykologie in der Google-Buchsuche
  • Andrew Brown: Microbial Water Stress Physiology. Principles and perspectives. John Wiley & Sons, Chichester 1990, ISBN 0-471-92579-9.

Einzelnachweise

  1. Jorge Chirife, Anthony J. Fontana, Jr.: Introduction: Historical Highlights of Water Activity Research. In: Gustavo V. Barbosa-Cánovas, Anthony J. Fontana, Jr., Shelly J. Schmidt, Theodore P. Labuza (Hrsg.): Water Activity in Foods. Fundamentals and Applications. Wiley, 2008, ISBN 0-470-37636-8, S. 3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – Online-Ausgabe).
  2. a b Herbert Weber (Hrsg.): Mikrobiologie der Lebensmittel. 9. Auflage. Band 1: Grundlagen. Behr, 2009, ISBN 3-89947-442-2, S. 421 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. a b c Rudolf Heiss, Karl Eichner: Haltbarmachen von Lebensmitteln. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 1995, ISBN 978-3-662-07664-4, S. 32 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – eBook).
  4. a b c Waldemar Ternes: Naturwissenschaftliche Grundlagen der Lebensmittelzubereitung. 3. überarbeitete Auflage. Behr, Hamburg 2008, ISBN 978-3-89947-422-0.