Avro Lancaster

Avro Lancaster

Avro Lancaster Mk.X FM213
TypSchwerer Bomber
Entwurfsland

Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich

HerstellerAvro
Erstflug9. Januar 1941
Indienststellung1942[1]
Produktionszeit

1941 bis 1946

Stückzahl7377[2]
Avro Lancaster PA474
Avro Lancasters in loser Formation während des Zweiten Weltkriegs

Die Avro 683 „Lancaster“ (kurz: Lanc) ist ein viermotoriger Bomber der Zeit des Zweiten Weltkriegs aus britischer Produktion. Sie war der bekannteste Bomber der Royal Air Force und wurde ab März 1942 vom RAF Bomber Command eingesetzt.

Entwickelt vom Hersteller A.V. Roe and Company (Avro), wurden von 1941 bis 1946 insgesamt 7377 Maschinen in verschiedenen Versionen hergestellt. Damit erreichte die Avro Lancaster die höchste Produktionszahl aller viermotorigen britischen Typen vor der Handley Page Halifax (6176 Maschinen) und der Short Stirling (2380 Maschinen).

Geschichte

Die Avro 683 entstand aus der Entwicklung der – ursprünglich zweimotorigen – Avro 679 „Manchester“. Die als Weiterentwicklung dieses Bombers gebaute Manchester Mk III mit der Seriennummer BT 308 hatte ein vergrößertes Flügelmittelstück und nun vier Triebwerke vom Typ Rolls-Royce Merlin X mit einer Leistung von je 1145 PS (854 kW). Sie erhielt unmittelbar nach ihrem Erstflug am 9. Januar 1941 den Beinamen „Lancaster“ und war der eigentlich erste Prototyp der 683er–Baureihe. Statt des dreiteiligen Ruders der erfolglosen Manchester Mark I wurde der zweite Prototyp, der nun Lancaster DG 595 hieß, mit dem Seitenleitwerk mit zwei Endscheiben der Manchester Mk IA modifiziert.

(c) Bundesarchiv, Bild 141-2716 / CC-BY-SA 3.0
Britischer Bomber Avro Lancaster I mit Merlin-XX-Triebwerken im Flug
Avro Lancaster B I Special der No. 617 Squadron beladen mit einer Grand Slam–Bombe

Insgesamt stellte Avro 3425[3] Lancaster B I her, die eine Metallkonstruktion war und maximal 6,35 Tonnen Bomben mitführen konnte. 33 der Maschinen wurden zur Lancaster „Special“ mit vergrößertem Bombenschacht für die schwerste konventionelle Bombe des Krieges, die 22.000 lb (9979 kg) schwere „Grand Slam“ des Konstrukteurs Wallis umgerüstet. Die Lancaster B Mk.III ähnelte der B I, hatte aber in den USA mit Rolls-Royce-Lizenz gebaute Packard-Merlin-Motoren. Von der B III wurden 3039[4] Exemplare gebaut, 23 Maschinen hatten für die „Operation Chastise“ (Zerstörung von Möhne- und Edertalsperre) Aufhängungen für Rollbomben. 430 ähnliche B Mk.X wurden in Kanada hergestellt. Außerdem gab es 300 Stück der Ausführung B II mit Sternmotoren vom Typ Bristol Hercules VI oder XVI sowie 180 Lancaster B VII, die in einem Martin-Waffenstand auf der Rumpfoberseite ein Browning M2-Zwillings-MG des Kalibers .50 BMG (12,7 mm) hatten. 1942 flog erstmals die unter Verwendung der Tragflächen und des Leitwerks des Lancaster-Bombers entwickelte Passagier- und Transportmaschine Avro York.

Die übliche Abwehrbewaffnung bestand aus acht Maschinengewehren des Kalibers .303 British (7,7 mm), die in Waffenständen mit Zwillings-MG im Bug und auf der Rumpfoberseite sowie mit Vierlings-MG am Heck installiert waren.

Mit der "Aries" (Widder), einer Lancaster, pilotiert von Commander McKinley, flog die britische Luftwaffe im Herbst 1944 rund um die Welt. Zu Kriegsende im Mai 1945 bereitete die RAF eine Organisation vor, um Forschungsflüge über den geografischen und magnetischen Nordpol zu machen. „Diese Flüge bezwecken die Beobachtung der Navigation unter arktischen Verhältnissen sowie des Verhaltens des Kompasses, der Radioeinrichtungen und der automatischen Präzisionsberechnungsinstrumente, ferner das Sammeln von Daten für die Handhabung der Maschinen und der magnetischen und meteorologischen Verhältnisse.“[5]

Aus der Avro Lancaster wurde die Avro Lincoln entwickelt,[6] das letzte von Kolbenmotoren angetriebene Muster des RAF Bomber Command.

Einsatz

„ABC“–Lancaster[7] beim Angriff auf Duisburg in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 1944 (Operation Hurricane): erst Abwurf von Radartäuschmitteln (links), danach Abwurf von 108 Brandbomben und einer Luftmine vom Typ „Cookie“ (rechts)
Stella Bowen: Bombing up a Lancaster for Wing Commander Douglas, 1944. Australian War Memorial, Canberra
Der von einer „Grand-Slam“-Bombe zerstörte Schildescher Viadukt bei Bielefeld
Die durch Rollbomben zerstörte Möhnetalsperre
Im Frühjahr 1945 stürzte eine Lancaster in den Rhein. Sie wurde geborgen und am Schweizer Rheinufer aufgestellt – Bild 1954.
Cockpit einer Avro Lancaster

Die erste Avro Lancaster wurde Ende Dezember 1941 bei der RAF-Squadron 44 in Dienst gestellt. Ein erster Einsatz war am 2. März 1942, der erste Bombenabwurf erfolgte eine Woche darauf bei einem Luftangriff auf Essen,[8] gefolgt vom Angriff auf das MAN-Werk in Augsburg am 17. April 1942.[9] Lancasters kamen hauptsächlich bei Nachtangriffen auf deutsche Städte zum Einsatz. Sie flogen auch einige spezielle Angriffe, z. B. auf Möhnetalsperre und Edertalsperre, auf die Eisenbahnviadukte von Schildesche und Arnsberg mit „Grand Slam“-Bomben, brachten das deutsche Schlachtschiff Tirpitz mit 12.000 lb (5443 kg) schweren „Tallboy“-Bomben zum Kentern und bombardierten Hitlers Berghof bei Berchtesgaden am 25. April 1945. Insgesamt flogen Lancaster-Maschinen im Zweiten Weltkrieg über 156.000 Einsätze und warfen dabei 608.612 Long tons (= 618.000 t) Bomben ab. Mehr als 3200 Lancaster gingen im Einsatz verloren.

Die Lancaster wurde bis Anfang Februar 1946 ausgeliefert; acht Jahre später schieden die letzten Maschinen dieses Typs aus dem aktiven Dienst bei der RAF aus.

Produktionszahlen

Die Lancaster wurde in Großbritannien bei A. V. Roe, Metro-Vickers, Vickers in Castle Bromwich und Chester, Armstrong Whitworth und Austin gebaut. In Kanada erfolgte der Bau bei Victory Aircraft.

Britische und kanadische Produktion der Avro Lancaster bis 31. Juli 1945[10]
VersionA. V. RoeMetro-VickersVickers/Castle BromwichArmstrong WhitworthAustinVickers/ChesterVictorySumme
Mk I8969322948801502193371
Mk II300300
Mk III27451361102991
Mk VII8686
Mk X430430
Summe3641106829412902362194307178

Bei Kriegsende befand sich die Mk VII noch in Produktion.

Kriegsproduktion der Avro Lancaster in UK 1941 bis 31. Juli 1945[10]
JahrAnzahl
194118
1942693
19431848
19442934
bis 31. Juli 19451255
Summe6748

Militärische Nutzung

Agypten 1922 Ägypten

Argentinien Argentinien

Australien Australien

Frankreich Frankreich

Kanada 1921 Kanada

Neuseeland Neuseeland

Polen Polen

Schweden Schweden

  • 1 Maschine als Tp 80 für Tests

Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich

Sowjetunion 1923 Sowjetunion

  • Luftstreitkräfte der Sowjetunion: Zwei von sechs nach dem Angriff auf das deutsche Schlachtschiff Tirpitz in der Nähe von Archangelsk notgelandete Maschinen konnten repariert werden; sie wurden kurze Zeit für Transport und Langstreckenaufklärung eingesetzt.

Technische Daten

Avro Lancaster
KenngrößenDaten der Avro Lancaster B I
Besatzung7
Länge21,18 m
Höhe5,97 m
Spannweite31,09 m
Flügelfläche120,80 m²
Flügelstreckung8,0
Leermasse16.705 kg
normale Startmasse30.800 kg
max. Startmasse31.750 kg
Antriebvier Rolls-Royce Merlin XX; je 1.280 PS (ca. 940 kW)
Höchstgeschwindigkeit448 km/h in 5600 m Höhe
Marschgeschwindigkeit338 km/h
Steigleistung6095 m in 41 min mit Bombenhöchstladung
max. Reichweite2675 km mit 6350 kg Bomben
Dienstgipfelhöhe7467 m
Bewaffnung8× Browning-MG .303 British (7,7 mm),
bis zu 6350 kg Bomben

Erhaltene Exemplare

Insgesamt sind heute noch 17 vollständige Avro Lancaster erhalten. Die meisten dieser Maschinen befinden sich in Luftfahrtmuseen in England, Australien und Kanada. Von den beiden noch flugfähigen Exemplaren ist eine Maschine Bestandteil der Battle of Britain Memorial Flight der Royal Air Force und auf dem Fliegerhorst RAF Coningsby in Lincolnshire stationiert. Die zweite Maschine gehört dem Canadian Warplane Heritage Museum in Hamilton (Kanada).

Im Deutschen Technikmuseum Berlin ist eine unrestaurierte Tragfläche einer Avro Lancaster ausgestellt, die 1997 aus dem Großen Wünsdorfer See geborgen wurde. Im oberbayerischen Walchensee liegt in ca. 30 m Tiefe auf dem Grund eine 1943 bei einem Angriff auf München abgeschossene und daraufhin notgelandete Lancaster.

Bewaffnung

  • zwei Browning-MG vom Kaliber .303 British (7,7 mm) in einem MG-Turm in der Nase
  • zwei MG in einem Rückenturm, welcher den Luftraum über und neben dem Flugzeug sichert
  • vier MG in einem Heckturm, der den Luftraum hinter dem Flugzeug sichert

Das Flugzeug besitzt keine nach unten gerichtete Bewaffnung. Deshalb entwickelten die Nachtjäger der deutschen Luftwaffe eine Taktik, um die Lancaster-Bomber leichter abzufangen: Sie flogen ihre Angriffe von unten. Außerdem verwendeten deutsche Nachtjäger nach oben gerichtete MG, genannt schräge Musik, mit denen sie unter den Bombern durchflogen und nach oben schossen.

Siehe auch

Literatur

  • Kenneth Munson: Bomber, Patrouillen- und Transportflugzeuge 1939–45. 3. Auflage, Orell Füssli Verlag, Zürich 1977.
  • Olaf Groehler: Geschichte des Luftkriegs 1910 bis 1980. Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1981.
  • John Nichol: Lancaster: The Forging of a Very British Legend. Simon & Schuster, London 2020, ISBN 978-1-4711-8046-0.
Commons: Avro Lancaster – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. lt. Olaf Groehler und Kenneth Munson erfolgte die Indienststellung bereits Dezember 1941.
  2. lt. Olaf Groehler: Geschichte des Luftkriegs 1910 bis 1980. Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1981, S. 397, wurden insgesamt 7366 Exemplare gebaut.
  3. lt. Kenneth Munson: Bomber, Patrouillen- und Transportflugzeuge 1939–45. 3. Auflage, Orell Füssli Verlag, Zürich 1977, S. 153, wurden 3.440 hergestellt.
  4. lt. Kenneth Munson: Bomber, Patrouillen- und Transportflugzeuge 1939–45. 3. Auflage, Orell Füssli Verlag, Zürich 1977, S. 153, wurden 3.020 hergestellt.
  5. anno.onb.ac.at PWB 8. Armee (Hrsg.): Wissenschaftliche Flüge der RAF. Kärntner Nachrichten, 16. Mai 1945, S. 2.
  6. Avro Lincoln. In: tangmere-museum.org.uk. September 2013, abgerufen am 15. April 2020 (englisch).
  7. Auf dem Rumpf sind die 2 Antennen eines Jammers, der sogenannten Airborne Cigar (ABC), zu erkennen (vgl. Jon Lake: Lancaster Squadrons 1944–45, In: Osprey Combat Aircraft, Vol. 35. Osprey, Oxford 2002, ISBN 1-84176-433-7, S. 16–17 ).
  8. vgl. Kenneth Munson: Bomber, Patrouillen- und Transportflugzeuge 1939–45. 3. Auflage, Orell Füssli Verlag, Zürich 1977, S. 153.
  9. vgl. Olaf Groehler: Geschichte des Luftkriegs 1910 bis 1980. Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1981, S. 379.
  10. a b Public Record Office (National Archives), Kew, Bestand AVIA 10/311

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Inside the Avro Lancaster.JPG
(c) User:FWN, CC BY-SA 2.5 ca
Inside the cockpit of the Andrew Mynarski Memorial Lancaster Mk X FM213. The dual controls have presumably been added for safety because this aircraft still flies. The standard Lancaster lacked dual controls. Photograph taken at the Canadian Warplane Heritage Museum in Hamilton, Ontario, Canada. It is for use in the n:Wikinews reporter attends warplane airshow in Hamilton, Ontario, Canada article.
Mohne Dam Breached.jpg
Von der Royal Air Force zerstörter Möhnetaldamm nach der Operation Chastise
Schildescher Viadukt at Bielefeld destroyed 1945.jpg
A Royal Air Force oblique photographic-reconnaissance aerial of the twin railway viaducts at Schildesche, Bielefeld (Germany), following the successful daylight attack by 15 Avro Lancasters of No. 617 Squadron RAF on 14 March 1945. Five arches of the viaducts collapsed after 10,000 kg (22,000 lb) "Grand Slam" and 5,450 kg (12,000 lb) "Tallboy" deep penetration bombs were dropped in the target area. Numerous craters from previous attempts to demolish the structure can be seen covering the floor of the Johannisbach Valley.
Avro Lancaster.png
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orthographic projection of w:Avro Lancaster
Lancaster 1945a.jpg
Avro Lancaster ca. 1954 am Rheinufer in der Schweiz
Avro Lancaster B Mk I (Special) of No. 617 Squadron, loaded with a 'Grand Slam' 22,000-lb deep-penetration bomb, running up its engines at Woodhall Spa, Lincolnshire, 1944. MH4263.jpg
Avro Lancaster B Mk I (Special) of No. 617 Squadron, loaded with a 'Grand Slam' 22,000-lb deep-penetration bomb, running up its engines at Woodhall Spa, Lincolnshire, 1944.
An Avro Lancaster B Mark 1 (Special) of No. 617 Squadron RAF, loaded with a 22,000-lb MC deep-penetration bomb (Bomber Command executive code word 'Grand Slam'), running an engine test in its dispersal at Woodhall Spa, Lincolnshire.
Avro Lancasters flying in loose formation.jpg
Avro Lancasters (Mk. I, Baureihe B) der Royal Air Force in loser Formation, während des Zweiten Weltkriegs. Das Foto zeigt Maschinen der No. 50 Squadron (50. Geschwader), stationiert in Skellingthorpe, Großbritannien. Die beiden Maschinen, die hinter der Tragflächenspitze im Vordergrund zu sehen sind, sind VN-D und VN-J. Erstere, mit der Seriennummer JA899, mit dem Piloten L G Peters und Mannschaft an Bord, gilt als vermisst seit einem Einsatz in der Nacht vom 24. auf den 25. Juni 1944.
Lancaster I NG128 Dropping Load - Duisburg - Oct 14 - 1944.jpg
A Royal Air Force Avro Lancaster I (s/n NG128, coded "SR-B") of No. 101 Sqn out of Ludford Magna and flown by Fg Off R.B. Tibbs as part of a thousand-bomber raid, dropping its load over Duisburg, Germany, on 14-15 October 1944. Note the large aerials on top of the Lancaster´s fuselage, indicating that the aricraft is carrying 'Airborne Cigar' (ABC), a jamming device which disrupted enemy radio telephone channels. Over 2,000 sorties were dispatched to the city of Duisburg during 14-15 October 1944, in order to to demonstrate the RAF Bomber Command's overwhelming superiority in German skies ("Operation Hurricane").
  • Left image: the Lancaster releases bundles of 'Window' over the target during a special daylight raid on Duisburg.
  • Right image: a fraction of a second later, the aircraft releases the main part of its load, a 4000lb HC "cookie" and 108 30lb "J" incendiaries.
Stella Bowen, Bombing up a Lancaster for Wing Commander Douglas.jpg
Stella Bowen: Bombing up a Lancaster for Wing Commander Douglas. London, 1944. Oil on hardboard, 63.4 cm x 76.2 cm.
Bundesarchiv Bild 141-2716, Britisches Flugzeug Avro Lancaster.jpg
(c) Bundesarchiv, Bild 141-2716 / CC-BY-SA 3.0
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Britisches Flugzeug Avro Lancaster England, Bomber AVRO Lancaster I, Merlin XX Engines, im Flug.